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VwGH 20.10.2015, Ra 2015/20/0161

VwGH 20.10.2015, Ra 2015/20/0161

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
AVG §45 Abs2;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z3;
RS 1
Der VwGH ist zwar als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt - als Abweichung von der ständigen Rechtsprechung des VwGH - allerdings dann vor, wenn das VwG die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (Hinweis E , Ra 2015/19/0091, 0092).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2015/22/0021 E RS 2
Normen
RS 2
Der Verwaltungsgerichtshof hat zu dem gemäß § 17 VwGVG 2014 auch von den Verwaltungsgerichten anzuwendenden § 45 Abs 2 AVG (Hinweis B vom , Ra 2014/01/0032) ausgesprochen, dass der Grundsatz der freien Beweiswürdigung nicht bedeutet, dass der in der Begründung der (nunmehr verwaltungsgerichtlichen) Entscheidung niederzulegende Denkvorgang der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs 2 AVG hat nur zur Folge, dass die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat. Hingegen ist der zur Rechtskontrolle berufene Verwaltungsgerichtshof nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes, die einer Überprüfung unter den genannten Gesichtspunkten standhält, auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, dh sie mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (Hinweis B vom , Ro 2014/09/0003; B vom , Ro 2014/09/0029; E vom , 2013/03/0036; E vom , 2007/05/0231; E (verstärkter Senat) vom , 85/02/0053).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2014/03/0012 B RS 2
Normen
RS 3
Zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Minderjährigen zu den Fluchtgründen bedarf es einer besonders sorgfältigen Beweiswürdigung (Hinweis E vom , Ra 2014/19/0020, mwN).
Normen
AsylG 2005 §3 Abs1;
AVG §37;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
RS 4
Bei einer "Wahrunterstellung" ist vom gesamten Vorbringen des Revisionswerbers auszugehen (Hinweis E vom , Ra 2014/18/0168). Schon diesem Erfordernis hat das VwG nicht entsprochen, wenn es lediglich einzelne Aussagen des Revisionswerbers beurteilt, andere jedoch unberücksichtigt lässt.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des A, geboren 1996, vertreten durch Mag. Norbert Tanzer, Rechtsanwalt in 6410 Telfs, Obermarkt 2, der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W159 1433816- 1/12E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005, erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

Mit der angefochtenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts wurde der Beschwerde des Revisionswerbers gegen die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz nach dem AsylG 2005 keine Folge gegeben; im Übrigen wurde das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen. Die Revision wurde vom Bundesverwaltungsgericht nicht zugelassen.

Gegen diese Entscheidung wurde die außerordentliche Revision beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht und unter einem der Antrag gestellt, der Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Revisionswerbers einer Revision die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Um die vom Gesetz geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können, ist es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erforderlich, dass der Revisionswerber schon in seinem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darlegt, aus welchen tatsächlichen Gründen sich der von ihm behauptete unverhältnismäßige Nachteil ergibt, es sei denn, dass sich nach der Lage des Falles die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ohne Weiteres erkennen lassen (vgl. den hg. Beschluss vom , Ra 2014/19/0020, mwN).

Der Revisionswerber führt unter diesem Gesichtspunkt aus, ihm drohe während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens eine Abschiebung und damit eine asylrelevante Verfolgung in seiner Heimat.

Mit diesen Ausführungen legt der Revisionswerber einen mit dem Vollzug der angefochtenen Entscheidung verbundenen unverhältnismäßigen Nachteil nicht dar, wurde ihm doch mit dieser zwar weder der Status eines Asylberechtigten noch der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, jedoch im Übrigen das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen. Eine Rückkehrentscheidung wurde demgemäß nicht erlassen. Die mit der gegenständlichen Revision angefochtene Entscheidung stellt sohin keinen Titel für die Durchführung einer Abschiebung dar (vgl. den hg. Beschluss vom , Ra 2014/20/0167).

Der gegenständlichen Revision war sohin gemäß § 30 Abs. 2 VwGG die aufschiebende Wirkung nicht zuzuerkennen.

Wien, am

Entscheidungstext

Entscheidungsart: Erkenntnis

Entscheidungsdatum:

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie den Hofrat Mag. Straßegger und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Ortner, über die Revision des A B in V, vertreten durch Mag. Norbert Tanzer, Rechtsanwalt in 6410 Telfs, Obermarkt 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W159 1433816-1/12E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Gambias, stellte am - als damals noch Minderjähriger - einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, dass er im Herkunftsstaat eine homosexuelle Beziehung mit einem älteren Mann gegen Bezahlung eingegangen sei. Eines Tages habe ihn die Polizei befragen wollen, er sei jedoch nicht zu Hause gewesen. Da Homosexualität in Gambia strafbar sei, habe er sich dazu entschlossen, das Land zu verlassen.

Mit Bescheid vom wies das Bundesasylamt (nunmehr: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.) und wies den Revisionswerber gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem Bundesgebiet nach Gambia aus (Spruchpunkt III.).

Das Bundesasylamt führte begründend im Wesentlichen aus, es habe nicht festgestellt werden können, dass der Revisionswerber in Gambia mit einem Mann zirka zwei Jahre lang gegen Entgelt eine homosexuelle Beziehung unterhalten habe und seine Tante deshalb von der Polizei aufgesucht worden sei, weil diese Beziehung bekannt geworden wäre. Der Revisionswerber sei jung, arbeitsfähig und in einem erwerbsfähigen Alter. Er sei bereits 16,5 Jahre alt, verfüge über Arbeitserfahrung und über familiäre Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat.

In der Beweiswürdigung legte das Bundesasylamt dar, warum die Angaben des Revisionswerbers zum behaupteten Fluchtgrund nicht glaubwürdig seien. Auch im Falle der Wahrunterstellung könne kein hinreichend wahrscheinliches Risiko dahingehend erkannt werden, dass der Revisionswerber aufgrund der ihm unterstellten Homosexualität ins Visier der staatlichen Behörden oder von Privatpersonen gelangen würde.

Darüber hinaus habe der Revisionswerber nicht glaubwürdig darzulegen vermocht, dass er im Falle der Rückkehr keine Lebensgrundlage vorfinden würde. Mit seinen weiteren Rückkehrbefürchtungen - etwa bezüglich der Sicherheitslage - sei der Revisionswerber dem vom Gesetz geforderten Glaubhaftigkeitsanspruch nicht gerecht geworden und würden sich diesbezügliche Befürchtungen lediglich auf vage Vermutungen stützen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Asylgerichtshof.

Das Verfahren über die Beschwerde wurde gemäß § 75 Abs. 19 AsylG 2005 ab vom Bundesverwaltungsgericht weitergeführt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Beschwerde gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet ab, wies das Verfahren gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurück und sprach aus, dass die Revision gegen diese Entscheidung gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

Das Bundesverwaltungsgericht stellte hinsichtlich der Person des Revisionswerbers fest, dieser sei Staatsangehöriger von Gambia und Angehöriger der Volksgruppe der Fulla. Ob der Revisionswerber homosexuell sei oder nicht, habe nicht festgestellt werden können. Zu seinen Fluchtgründen seien mangels glaubhafter Angaben auch keine Feststellungen möglich. Darüber hinaus traf das Bundesverwaltungsgericht umfangreiche Feststellungen zum Herkunftsstaat des Revisionswerbers.

Beweiswürdigend wurde zum Revisionsvorbringen

u. a. ausgeführt, dieses sei an zahlreichen Stellen vage und oberflächlich geblieben. So habe der Revisionswerber etwa keine näheren Angaben über seinen Sexualpartner bzw. zu seiner Ausreise machen können. Auch sei sein Vorbringen in mehreren Punkten widersprüchlich geblieben und es sei auch die zentrale Frage, ob der Revisionswerber homosexuell sei, vor der Verwaltungsbehörde mehrfach widersprüchlich beantwortet worden. Insgesamt habe der Revisionswerber auch als Person keinen glaubwürdigen Eindruck gemacht.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, es fehle den vom Revisionswerber angegebenen Fluchtgründen an Glaubwürdigkeit. Im Übrigen ergebe sich aus den Länderfeststellungen ein differenziertes Bild zur Verfolgung Homosexueller im Herkunftsstaat. Homosexualität sei zwar verboten und werde auch strafrechtlich verfolgt, jedoch würden sich Verhaftungen und Verurteilungen Homosexueller in engen Grenzen halten. Weder habe der Revisionswerber behauptet, die Polizei habe ihn bei homosexuellen Handlungen erwischt, noch habe er angeben können, aus welchen Gründen die Polizei ihn angeblich gesucht habe. Es sei daher nicht als sehr wahrscheinlich anzusehen, dass der Revisionswerber gerade wegen homosexueller Handlungen, die seinen eigenen Angaben zufolge im Geheimen stattgefunden hätten, tatsächlich einer Verfolgung unterlegen wäre.

Auch wenn der Revisionswerber vor rund drei Jahren tatsächlich von der Polizei gesucht worden wäre, könne davon ausgegangen werden, dass durch den Zeitablauf - selbst bei "Wahrunterstellung" - das Interesse doch zwischenzeitlich stark gesunken sein werde.

Darüber hinaus sei der Revisionswerber in den zweieinhalb Jahren, seit er im Bundesgebiet aufhältig sei, weder eine homosexuelle Beziehung eingegangen, noch habe er seine Homosexualität ausgelebt. Vielmehr könne angenommen werden, dass der Revisionswerber auch in Gambia - sofern er überhaupt homosexuell veranlagt sei - seine Homosexualität auch nicht ausleben und daher auch nicht in das Visier der Behörden geraten würde.

Es sei daher davon auszugehen, dass der Revisionswerber bei einer allfälligen Rückkehr nach Gambia dort nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit wegen seiner bereits gesetzten homosexuellen Handlungen oder seiner sexuellen Neigung einer asylrelevanten Verfolgung unterliegen würde.

Des Weiteren führte das Bundesverwaltungsgericht in Bezug auf die Prüfung der Zuerkennung subsidiären Schutzes aus, in Gambia herrsche keine aktuelle Bürgerkriegssituation und es habe der Revisionswerber auch keine konkreten Rückkehrbefürchtungen geltend gemacht. Ein Abschiebehindernis aufgrund gesundheitlicher Probleme läge nicht vor. Der Revisionswerber sei ein junger und arbeitsfähiger Mann mit einer Berufsausbildung, sodass davon auszugehen sei, dass er in Gambia sein Überleben durch Erwerbsarbeit sichern könne. Darüber hinaus verfüge er noch über Freunde in Gambia.

Die Revision sei nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhänge, der grundsätzliche Bedeutung zukomme. Der Fall sei tatsachenlastig und es stelle die Beweiswürdigung den entscheidenden Punkt dar. Weder weiche die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehle es an einer Rechtsprechung, weiters sei die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch würden keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diese Entscheidung erhobene außerordentliche Revision nach Vorlage derselben sowie der Verfahrensakten durch das Bundesverwaltungsgericht und nach Einleitung des Vorverfahrens - Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Revisionswerber begründet die Zulässigkeit der Revision u. a. mit einer Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu den Anforderungen an die Schlüssigkeit der Beweiswürdigung.

Die Revision erweist sich als zulässig. Sie ist auch begründet.

Das Revisionsmodell soll sich nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an der Revision nach den §§ 500 ff ZPO orientieren. Ausgehend davon ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , Ra 2014/01/0029, mwN).

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt - als Abweichung von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - allerdings dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. den hg. Beschluss vom , Ra 2015/02/0072, mwN).

Wie der Verwaltungsgerichtshof schon zu dem gemäß § 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) auch von den Verwaltungsgerichten anzuwendenden § 45 Abs. 2 AVG ausgesprochen hat, bedeutet der Grundsatz der freien Beweiswürdigung nicht, dass der in der Begründung der (nunmehr verwaltungsgerichtlichen) Entscheidung niederzulegende Denkvorgang der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG hat nur zur Folge, dass die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat. Hingegen ist der zur Rechtskontrolle berufene Verwaltungsgerichtshof nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes, die einer Überprüfung unter den genannten Gesichtspunkten standhält, auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, das heißt sie mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. den hg. Beschluss vom , Ra 2014/03/0012, mwN; vgl. zu alldem auch das hg. Erkenntnis vom , Ra 2015/19/0091).

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass es zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Minderjährigen einer besonders sorgfältigen Beweiswürdigung bedarf (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Ra 2014/19/0020, mwN). Den Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis ist nicht zu entnehmen, dass im Rahmen der Beweiswürdigung auf die Tatsache, dass es sich bei dem Revisionswerber im Antragszeitpunkt und bei den verwaltungsbehördlichen Einvernahmen um einen Minderjährigen gehandelt hat, eingegangen wurde. Die vorgebrachte Fluchtgeschichte und die aufgezeigten Widersprüche hätten jedoch unter diesem Aspekt gewürdigt werden müssen. Sofern bei der Beweiswürdigung auf den Umstand der Minderjährigkeit nicht eingegangen wird, kann aus den wechselhaften bzw. unverbindlichen Aussagen des Revisionswerbers zu seiner sexuellen Orientierung, dem zentralen Punkt seines Vorbringens, nicht nachvollziehbar auf die Unglaubwürdigkeit des zum Zeitpunkt der Befragung vor dem Bundesasylamt minderjährigen Revisionswerbers geschlossen werden.

Insoweit das Bundesverwaltungsgericht die im Verhandlungsprotokoll festgehaltene Aussage des Revisionswerbers, er sei mit einem Motorradtaxi "Benz 190" gefahren, die in weiterer Folge dahingehend korrigiert wurde, dass "Benz 190" ein Auto gewesen sei, als Widerspruch wertete, ist dies deshalb unschlüssig, weil der Dolmetscher laut Verhandlungsprotokoll ausgeführt hat, es sei diesbezüglich ein Verständigungsfehler unterlaufen.

Verfahrensgegenständlich erweist sich daher die Beweiswürdigung in den dargestellten - jedenfalls hinsichtlich der sexuellen Orientierung zentralen - Punkten als nicht schlüssig im Sinne der oben zitierten hg. Judikatur.

In einer Eventualbegründung vertritt das Bundesverwaltungsgericht die Auffassung, es sei als nicht sehr wahrscheinlich anzusehen, dass der Revisionswerber gerade wegen homosexueller Aktivitäten tatsächlich einer Verfolgung unterlegen sei, weil er angegeben habe, dass die Polizei ihn nicht bei homosexuellen Handlungen erwischt habe, er nicht angeben habe können, aus welchen Gründen die Polizei ihn angeblich gesucht habe und er immer wieder betont habe, dass er homosexuelle Handlungen nur im Geheimen ausgeübt und er im Übrigen verneint habe, konkrete Probleme mit der Polizei oder anderen Behörden in Gambia gehabt zu haben. Selbst wenn das Vorbringen zutreffend wäre, dass der Revisionswerber angeblich vor rund drei Jahren von der Polizei gesucht worden sei, sei aufgrund dieser langen Zeitspanne das Interesse an ihm wohl zwischenzeitlich stark gesunken.

Zunächst ist darauf zu verweisen, dass bei einer "Wahrunterstellung" vom gesamten Vorbringen des Revisionswerbers auszugehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Ra 2014/18/0168). Schon diesem Erfordernis hat das Bundesverwaltungsgericht nicht entsprochen, wenn es lediglich einzelne Aussagen des Revisionswerbers - wobei die Aussage, die Polizisten hätten nach ihm gefragt, dabei aber nicht den Grund der Nachfrage genannt, nicht korrekt wiedergegeben wurde - beurteilt, dabei aber etwa unberücksichtigt lässt, dass dieser auf die Frage, ob man gewusst habe, dass er sich mit einem bestimmten Mann regelmäßig treffe und intim werde, die Vermutung äußerte, dass die Leute auf der Straße dies bemerkt und bei der Polizei gemeldet hätten. Auch seine Tante, die etwas von seiner Beziehung geahnt und ihn gewarnt habe, habe vermutlich von den Leuten auf der Straße entsprechende Hinweise erhalten, er selbst habe ihr davon nämlich nichts erzählt.

Davon ausgehend erscheint die Verneinung jeglicher Asylrelevanz des Vorbringens nicht nachvollziehbar. Das Bundesverwaltungsgericht hätte sich - ausgehend vom Vorbringen des Revisionswerbers - im Rahmen seiner Überlegungen zur maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer staatlichen Verfolgung wegen vor der Ausreise erfolgter sexueller Handlungen mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob es glaubhaft ist, dass das Umfeld des Revisionswerbers von der behaupteten homosexuellen Beziehung wusste und staatliche Behörden informierte.

Eine solche Auseinandersetzung wäre allerdings dann entbehrlich, wenn die weitere Alternativbegründung des Bundesverwaltungsgerichts, das Interesse der Polizei an der Habhaftwerdung des Revisionswerbers sei als durch den Zeitablauf zwischenzeitlich "stark gesunken" zu bezeichnen, sei doch die polizeiliche Suche nach dem Revisionswerber seinem Vorbringen zufolge vor drei Jahren erfolgt, tragfähig wäre. Dies ist jedoch zu verneinen, weil weder offengelegt wurde, worauf sich diese rechtliche Beurteilung stützt, noch dem im Erkenntnis festgestellten länderspezifischen Sachverhalt Hinweise darauf zu entnehmen sind, dass der Staat länger zurückliegende Taten nicht verfolgt.

Ausgehend davon ist die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich der Verneinung der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer staatlichen Verfolgung des Revisionswerbers wegen vor seiner Ausreise erfolgter sexueller Handlungen mangelhaft begründet und vermag daher die gegenständliche Entscheidung für sich nicht zu tragen.

Das angefochtene Erkenntnis war somit - aufgrund der rechtlich aufeinander aufbauenden Entscheidung im gesamten Umfang -

wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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Normen
AsylG 2005 §75 Abs20;
VwGG §30 Abs2;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2015:RA2015200161.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
XAAAE-67775