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VwGH vom 26.04.2010, 2004/10/0123

VwGH vom 26.04.2010, 2004/10/0123

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner sowie den Senatspräsidenten Dr. Novak und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde der G B in B, vertreten durch Dr. Walter Rinner, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Freistädter Straße 3, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom , Zl. ForstR10-131-2002, betreffend Parteistellung in einem Rodungsverfahren (mitbeteiligte Partei: M GmbH in A, vertreten durch Saxinger, Chalupsky Weber Partner Rechtsanwälte GmbH, in 4020 Linz, Europaplatz 7), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 sowie der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom erteilte die (im Delegationswege zuständig gewordene) Bezirkshauptmannschaft Gmunden (BH) der mitbeteiligten Partei unter Vorschreibung einer Reihe von Nebenbestimmungen die befristete Rodungsbewilligung zur Gewinnung von Kalkstein auf Teilflächen näher genannter Grundstücke der KG R. Grundlage dafür seien die bei den mündlichen Verhandlungen am und am vorgelegten Projektsunterlagen und Beschreibungen des Vorhabens in den Verhandlungsschriften, die einen wesentlichen Bestandteil des Bescheides bildeten.

Nach der Begründung - soweit für den vorliegenden Beschwerdefall von Bedeutung - habe die mitbeteiligte Partei mit Eingabe vom unter Vorlage von Einreichunterlagen um die Bewilligung zur befristeten Rodung im Gesamtausmaß von

21.948 m2 zur Rohstoffsicherung bzw. Rohstoffversorgung mit Kalkwurfsteinen im bestehenden, stillgelegten Kalksteinbruch im Gemeindegebiet von B. angesucht. Grundeigentümer dieser Rodungsfläche sei die Republik Österreich, Bundesforste AG, deren Zustimmung vorliege. Gleichzeitig sei um die naturschutzrechtliche Bewilligung sowie um die erforderlichen Genehmigungen nach dem Mineralrohstoffgesetz angesucht worden. Auf Grund dieses Ansuchens sei eine gemeinsame mündliche Verhandlung für den anberaumt und durchgeführt worden. Bei dieser Verhandlung sei vom Amtssachverständigen sowie vom Vertreter des Arbeitsinspektorates die Vorlage weiterer Unterlagen und Berechnungen gefordert worden. Nach Beibringung dieser Unterlagen sei die Verhandlung am weitergeführt worden sei. Aus den Unterlagen habe sich für diesen Kalksteinbruch gemäß § 170 des Mineralrohstoffgesetzes 1999 die Zuständigkeit des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit und in weiterer Folge auch (gemeint wohl: die Zuständigkeit des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft) für das Rodungsverfahren ergeben. Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft habe mit Ermächtigung vom den Landeshauptmann von Oberösterreich mit der Durchführung des Rodungsverfahrens betraut. Der Landeshauptmann von Oberösterreich habe am unter Berufung auf § 170 Abs. 5 des Forstgesetzes 1975 (in der Folge: ForstG) die BH zur Durchführung des Rodungsverfahrens ermächtigt.

Im Rodungsverfahren seien Parteien unter anderem der Eigentümer und der dinglich Berechtigte der an die zur Rodung beantragten Waldfläche angrenzenden Waldflächen. Der Deckungsschutz für angrenzende Waldflächen nach den forstrechtlichen Bestimmungen sei zu gewähren, sofern die jeweilige Entfernung von der Eigentumsgrenze des zum Deckungsschutz Verpflichteten weniger als 40 m betrage.

Nach den Feststellungen beginne im Süden der Rodungsfläche in einer Entfernung von etwa 150 m die Waldparzelle 204/2, KG R., die im Eigentum der Beschwerdeführerin stehe. Dazu sei festzustellen, dass diese Waldparzelle fast doppelt so weit von der Rodungsfläche entfernt liege als dies die Deckungsschutzbestimmungen des Forstgesetzes vorsehen. Eine offenbare Windgefährdung auf Grund der großen Distanz zur Rodungsfläche sei nicht anzunehmen. Eine Parteistellung der Beschwerdeführerin sei somit nicht gegeben. Andere Waldflächen seien in noch größerer Entfernung ausgewiesen. Die nachbarlich angrenzenden Waldbestände seien auf Grund der beschriebenen Zusammensetzung und Struktur sowie im Hinblick auf die vorherrschende Windrichtung durch die Rodungsmaßnahme offenbar nicht windgefährdet.

In weiterer Folge vertrat die belangte Behörde schließlich näher begründend die Auffassung, dass unter Berücksichtigung aller Umstände das öffentliche Interesse an der geltend gemachten Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiege. Es handle sich um eine befristete Rodungsbewilligung, wobei die Rekultivierung und Wiederaufforstung auf Grund der Vorschreibungen gesichert erscheine. Die beantragte Rodungsbewilligung sei daher gemäß den §§ 17 und 18 in Verbindung mit § 170 Abs. 1 ForstG zu erteilen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Auch die mitbeteiligte Partei hat eine Gegenschrift erstattet, in der gleichfalls die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zugrunde, der Beschwerdeführerin komme im Rodungsverfahren im Hinblick auf den Umstand, dass ihre Waldparzelle von der Rodungsfläche etwa 150 m entfernt sei, keine Parteistellung zu.

Dem hält die Beschwerdeführerin entgegen, die belangte Behörde übersehe, dass die Frage der Entfernung zwar im Rahmen der nach § 17 ForstG vorzunehmenden Interessenabwägung eine Rolle spielen könne, nicht jedoch für die Frage der Parteistellung überhaupt. Diese sei in § 19 Abs. 4 ForstG definiert. Danach komme es nur auf die Qualifikation als benachbarter Waldeigentümer an, was nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom , Zl. 93/10/0106) nach den Bestimmungen des Zivilrechts zu beurteilen sei. Der Hinweis auf den zweiten Halbsatz des § 14 Abs. 3 ForstG sei in diesem Zusammenhang so zu verstehen, dass Waldunterbrechungen von weniger als 10 m nicht zu berücksichtigen seien, zumal nur angrenzende ununterbrochene Waldflächen für die Vermittlung einer Parteistellung in Frage kommen sollten (Hinweis auf das Erkenntnis vom , Zl. 93/10/0197). Im Übrigen sei unklar, wie die von der belangten Behörde angenommene Entfernung von 150 m ermittelt worden sei. Die Parteistellung im Rodungsverfahren solle dem Eigentümer der angrenzenden Waldgrundstücke die rechtliche Möglichkeit geben, sein subjektives Recht auf Schutz seines Waldes vor durch die Rodung hervorgerufenen nachteiligen Einwirkungen durchzusetzen. Im Rahmen dieser Interessenabwägung hätte daher berücksichtigt werden müssen, dass auf Grund der exponierten klimatischen Lage des Grundstückes der Beschwerdeführerin in einem Tal (Niederwind) die Waldbestände langfristig und nachhaltig beeinträchtigt würden.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun.

Gemäß § 19 Abs. 4 Z. 4 ForstG sind Parteien des Rodungsverfahrens im Sinne des § 8 AVG der Eigentümer und der dinglich Berechtigte der an die zur Rodung beantragten Waldfläche angrenzenden Waldflächen, wobei § 14 Abs. 3 zweiter Halbsatz zu berücksichtigen ist.

Nach § 14 Abs. 3 ForstG ist der Deckungsschutz dem Eigentümer des angrenzenden Waldes sowie den Eigentümern etwaiger an diesen angrenzenden Flächen zu gewähren, sofern die jeweilige Entfernung von der Eigentumsgrenze des zum Deckungsschutz Verpflichteten weniger als 40 m beträgt; allfällige zwischen den Waldflächen liegende, unter § 1a Abs. 1 nicht fallende Grundflächen von weniger als 10 m Breite sind hiebei nicht einzurechnen.

Im Beschwerdefall ist unstrittig davon auszugehen, dass sich die Waldparzelle der Beschwerdeführerin im Süden der Rodungsfläche in einer Entfernung von etwa 150 m befindet. Nach Lage der Verwaltungsakten hat die Beschwerdeführerin selbst bzw. ihr Rechtsvertreter anlässlich der mündlichen Verhandlungen am und ausgeführt, dass ihre Parzelle von der Rodungsfläche etwa 150 m entfernt ist (vgl. S. 7 der Verhandlungsschrift vom und S. 9 der Verhandlungsschrift vom ).

Parteistellung im Rodungsverfahren kommt nach dem oben wieder gegebenen § 19 Abs. 4 Z. 4 ForstG dem Eigentümer und dem dinglich Berechtigten der an die zur Rodung beantragten Waldfläche angrenzenden Waldflächen zu.

Entsprechend dem Sinn des Wortes "angrenzend" (eine gemeinsame Grenze haben) sind unter "angrenzenden Waldflächen" unmittelbar an die Rodungsfläche angrenzende Waldflächen zu verstehen. Daneben kommt zufolge des hiebei zu berücksichtigenden § 14 Abs. 3 zweiter Halbsatz auch dem Eigentümer und dem dinglich Berechtigten nicht unmittelbar angrenzender Waldflächen Parteistellung zu, dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die jeweils dazwischen liegende Fläche weniger als 10 m breit und nicht bestockt (unbestockte Waldfläche oder Nichtwaldfläche) ist (vgl. etwa die Erkenntnisse vom , Zl. 87/10/0051, und vom , Zl. 93/10/0197). Die Parteistellung im Rodungsverfahren ist also ausgeschlossen, wenn zwischen der Rodungsfläche und dem betreffenden Wald - wie im Beschwerdefall - eine bestockte Waldfläche im fremden Eigentum (gleich welcher Breite) liegt. Der dem Erkenntnis vom , Zl. 92/10/0409, zu Grunde liegende Fall, wonach eine Rodung innerhalb des in § 14 Abs. 3 erster Halbsatz ForstG normierten 40 m breiten Schutzstreifens gleichfalls Parteistellung im Sinne des § 19 Abs. 4 Z 4 ForstG vermittelt, ist im Beschwerdefall nicht gegeben (vgl. zum Ganzen etwa Brawenz/Kind/Reindl , ForstG 1975, 3. Aufl., Anm. 11 zu § 19).

Die belangte Behörde hat daher zu Recht die Parteistellung der Beschwerdeführerin verneint. Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Beschwerdeführerin beantragt auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Nach § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet eines Parteiantrages nach Abs. 1 Z. 1 von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn nicht Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, dem entgegensteht.

Im Beschwerdefall liegen diese Voraussetzungen des Absehens von einer mündlichen Verhandlung vor. Strittige Sachverhaltsfragen, deren Lösung sich nicht auf Grund der Akten klar ergeben hätten, wurden nicht vorgetragen; ebenso wenig legte die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof Rechtsfragen vor, deren Lösung sich nicht aus der allgemein bekannten, bereits der Entscheidung der Verwaltungsbehörde zu Grunde gelegten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergeben hätte.

Auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 6 EMRK war im Beschwerdefall eine mündliche Verhandlung nicht geboten. Bei dem von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Recht im Rodungsverfahren eines Dritten miteinbezogen zu werden, handelt es sich nicht um ein ziviles Recht im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Für die zum Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung der aufschiebenden Wirkung erstattete Äußerung der mitbeteiligten Partei konnte kein Schriftsatzaufwand zuerkannt werden.

Wien, am

Fundstelle(n):
LAAAE-67753