VwGH vom 19.11.2015, Ra 2015/20/0082

VwGH vom 19.11.2015, Ra 2015/20/0082

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofräte Mag. Eder und Mag. Straßegger, Hofrätin Dr. Leonhartsberger sowie Hofrat Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Ortner, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 169, gegen Spruchpunkt A) II. des Erkenntnisses vom ,


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1)
Zl. W221 1414758-2/4E (prot. zur hg. Zl. Ra 2015/20/0082),
2)
Zl. W221 1414759-2/4E (prot. zur hg. Zl. Ra 2015/20/0083),
3)
Zl.W221 1414760-2/4E (prot. zur hg. Zl. Ra 2015/20/0084),
4)
Zl. W221 1414761-2/4E (prot. zur hg. Zl. Ra 2015/20/0085),
5)
Zl. W221 1418377-2/4E (prot. zur hg. Zl. Ra 2015/20/0086), und
6)
Zl. W221 1432403-2/4E (prot. zur hg. Zl. Ra 2015/20/0087), des Bundesverwaltungsgerichts betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (mitbeteiligte Parteien: 1. M A, 2. W A, 3. R A, 4. L A, 5. R W A und 6. Li A, alle in D, alle vertreten durch Mag. Ronald Frühwirth, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Grieskai 48), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird in seinem Spruchpunkt A) II. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Begründung

1.1. Bei den mitbeteiligten Parteien handelt es sich um eine Familie aus der Russischen Föderation mit tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit.

Ihre ersten in Österreich gestellten Anträge auf internationalen Schutz wies das Bundesasylamt hinsichtlich der erst- bis viertmitbeteiligten Parteien mit Bescheiden jeweils vom , hinsichtlich der fünftmitbeteiligten Partei mit Bescheid vom und in Bezug auf die sechstmitbeteiligte Partei mit Bescheid vom jeweils gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab und sprach gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 deren Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation aus.

Die dagegen erhobenen Beschwerden wurden vom Asylgerichtshof jeweils mit Erkenntnis vom (hinsichtlich der erstbis fünftmitbeteiligten Parteien) bzw. vom (betreffend die sechstmitbeteiligte Partei) als unbegründet abgewiesen.

Am stellten die mitbeteiligten Parteien in Deutschland Anträge auf internationalen Schutz, wurden auf der Grundlage der Dublin III-Verordnung von Österreich wieder aufgenommen und stellten in Österreich am neuerlich Anträge auf internationalen Schutz.

Am wurden die Verfahren der mitbeteiligten Parteien zugelassen.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies die Anträge auf internationalen Schutz mit Bescheiden jeweils vom gemäß § 68 Abs. 1 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I.), erteilte keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebungen der mitbeteiligten Parteien in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig seien (Spruchpunkt II.).

Gegen diese Bescheide erhoben die mitbeteiligten Parteien Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

1.2. Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerden unter Spruchpunkt A) I. in Bezug auf die Zurückweisung der verfahrenseinleitenden Anträge (Spruchpunkte I. der verwaltungsbehördlichen Bescheide) gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) iVm § 68 AVG als unbegründet ab, gab ihnen unter Spruchpunkt A) II. hinsichtlich der Spruchpunkte II. der verwaltungsbehördlichen Bescheide (Versagung von Aufenthaltstiteln, Rückkehrentscheidungen, Zulässigkeit der Abschiebungen) statt und hob diese gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG auf.

Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht zu der hier allein zu beurteilenden Aufhebung der Spruchpunkte II. der verwaltungsbehördlichen Bescheide (= Spruchpunkt A) II. des angefochtenen Erkenntnisses) im Wesentlichen aus, die mitbeteiligten Parteien seien im August 2013 nach Rechtskraft ihrer Ausweisungen aus dem Bundesgebiet ausgereist. Die asylrechtlichen Ausweisungen seien daher nicht mehr aufrecht, weil seit der Ausreise aus dem Bundesgebiet mittlerweile 18 Monate vergangen seien.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 sei eine Entscheidung nach dem Asylgesetz 2005 mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen worden sei. Diese Norm sei im gegenständlichen Fall nicht anwendbar, weil es sich bei der Zurückweisung von Folgeanträgen gemäß § 68 Abs. 1 AVG um keine Entscheidung nach dem Asylgesetz 2005 handle.

Im vorliegenden Fall gebe es jedoch auch sonst keine Rechtsgrundlage, die die Erlassung der Rückkehrentscheidung trage. Da die mitbeteiligten Parteien "zum Verfahren zugelassen" worden seien, hätten sie über ein Aufenthaltsrecht gemäß § 13 AsylG 2005 verfügt und seien rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig gewesen. Daher würden § 10 Abs. 2 AsylG 2005 und § 52 Abs. 1 FPG als Rechtsgrundlagen ausscheiden.

Daraus ergebe sich, dass die Spruchpunkte II. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG zu beheben seien.

Es werde damit aber die Prüfung der Zulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht verunmöglicht: Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl habe die Möglichkeit, nach Rechtskraft der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 FPG einzuleiten, weil sich die mitbeteiligten Parteien ab diesem Zeitpunkt nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten.

Das Bundesverwaltungsgericht erklärte die Revision mit Hinweis auf Art. 133 Abs. 4 B-VG für unzulässig.

1.3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

1.4. Das Bundesverwaltungsgericht legte die Revision und die Verfahrensakten vor.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens und Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch die mitbeteiligten Parteien erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass sich die gegenständliche Amtsrevision ausschließlich auf die Aufhebung der Spruchpunkte II. der verwaltungsbehördlichen Entscheidungen (Versagung von Aufenthaltstiteln, Erlassung von Rückkehrentscheidungen, Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebungen) und somit Spruchpunkt A) II. des angefochtenen Erkenntnisses bezieht.

2.1. Die Revision ist schon im Hinblick auf das Vorbringen zum Fehlen von Rechtsprechung zur Frage, ob Zurückweisungen von Anträgen auf internationalen Schutz gemäß § 68 AVG mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden sind, zulässig.

Der Einwand der mitbeteiligten Parteien, die Revision sei nicht zulässig, weil die revisionswerbende Behörde den Ausspruch des Bundesverwaltungsgerichts über die Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B) nicht bekämpft habe, trifft nicht zu. Die revisionswerbende Behörde ist mit ihren Ausführungen gemäß § 28 Abs. 3 VwGG der Annahme des Bundesverwaltungsgerichts, eine Revision sei nicht zulässig, substantiiert entgegengetreten.

2.2. Die maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen lauten:

§ 10 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2008 idF

vor Inkrafttreten des Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetzes - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012, lautete auszugsweise:

"Verbindung mit der Ausweisung

§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn


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1.
der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird;
2.
der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird;
3.
einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
4.
einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.
...

(6) Ausweisungen nach Abs. 1 bleiben binnen 18 Monaten ab einer Ausreise des Fremden aufrecht.

(7) Wird eine Ausweisung durchsetzbar, gilt sie als durchsetzbare Rückkehrentscheidung nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100, und hat der Fremde binnen einer Frist von 14 Tagen freiwillig auszureisen. Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht, wenn gegen den Fremden ein Rückkehrverbot erlassen wurde und für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG 2005 oder § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 38 durchführbar wird; in diesen Fällen hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

..."

§ 10 AsylG 2005 (Abs. 1 und 2 in der Fassung des FNG, BGBl. I Nr. 87/2012, Abs. 3 in der Fassung des FNG-Anpassungsgesetzes, BGBl. I Nr. 68/2013) lautet:

"Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme

§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt."

§ 2 Abs. 1 AsylG 2005 lautet auszugsweise:

"Begriffsbestimmungen

§ 2. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist

...

23. ein Folgeantrag: jeder einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weiterer Antrag;

..."

Die §§ 52 und 59 FPG in der zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts relevanten Fassung lauten:

"Rückkehrentscheidung

§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich


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1.
nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder
2.
nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

...

Besondere Verfahrensbestimmungen

§ 59. (1) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)

(2) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)

(3) Eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung ist im Reisedokument des Drittstaatsangehörigen ersichtlich zu machen, sofern dadurch die Abschiebung nicht unzulässig oder unmöglich gemacht wird.

(4) Der Eintritt der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung ist für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde.

(5) Besteht gegen einen Drittstaatsangehörigen bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung, so bedarf es bei allen nachfolgenden Verfahrenshandlungen nach dem 7., 8. und 11. Hauptstück oder dem AsylG 2005 keiner neuerlichen Rückkehrentscheidung, es sei denn, es sind neue Tatsachen gemäß § 53 Abs. 2 und 3 hervorgekommen.

(6) Wenn der Drittstaatsangehörige einen Antrag auf internationalen Schutz einbringt, wird eine Rückkehrentscheidung vorübergehend nicht durchführbar,

1. bis einer Beschwerde gegen eine zurückweisende Entscheidung die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt wird (§ 17 BFA-VG) oder

2. bis einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt wird (§ 18 BFA-VG).

Handelt es sich um einen Folgeantrag gemäß § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005 so gilt § 12a AsylG 2005."

2.3. Das Bundesverwaltungsgericht führt aus, eine Rückkehrentscheidung nach § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 sei nur mit einer "Entscheidung nach dem Asylgesetz" zu verbinden. Da es sich bei der Zurückweisung eines Folgeantrages nach § 68 AVG nicht um eine "Entscheidung nach dem Asylgesetz" handle, sei § 10 Abs. 1 AsylG 2005 nicht anwendbar.

Die Formulierung "Entscheidung nach diesem Bundesgesetz" in § 10 Abs. 1 AsylG 2005 in der hier maßgeblichen Fassung fand sich schon in der Fassung vor Inkrafttreten des FNG. Eine "Entscheidung nach diesem Bundesgesetz" war u.a. mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wurde (§ 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 in der Fassung vor Inkrafttreten des FNG enthielt keine Einschränkung auf bestimmte Zurückweisungsgründe). Demnach hatte auch die Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz nach § 68 AVG die Erlassung einer Ausweisung zur Folge (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2007/19/0466, und vom , Zl. 2011/01/0092). Daraus folgt, dass die Wortfolge des Einleitungssatzes "Entscheidung nach diesem Bundesgesetz" nicht in dem Sinn einzuschränken war, dass damit nur Entscheidungen gemeint waren, deren Rechtsgrundlage ausschließlich im AsylG 2005 zu finden waren. Dass der Neufassung durch das FNG nunmehr eine andere Bedeutung zukommen sollte, ist nicht ersichtlich, zumal auch die Erläuterungen keinen Hinweis auf einen Bedeutungswandel dieser Formulierung geben. Vielmehr legt der Inhalt des § 10 Abs. 1 AsylG 2005 idF des FNG (wie auch in der vorangegangenen Fassung) nahe, dass mit dem Terminus "Entscheidung nach diesem Bundesgesetz" auch Entscheidungen verfahrensrechtlicher Natur erfasst werden.

Entscheidungen nach dem AsylG 2005 sind jedoch nur unter den in § 10 Abs. 1 Z 1 bis 5 AsylG 2005 festgelegten weiteren Voraussetzungen mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden.

Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob die erfolgte Zurückweisung der Folgeanträge nach § 68 AVG tatsächlich - wie vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl angenommen - unter § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 zu subsumieren ist und diese Bestimmung daher eine Rechtsgrundlage für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung bildet.

In der genannten Bestimmung ist normiert, dass eine Rückkehrentscheidung zu erlassen ist, wenn eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz getroffen wurde. Nun wurden zwar im gegenständlichen Fall die Anträge auf internationalen Schutz zurückgewiesen, doch hatte das Bundesverwaltungsgericht, indem es seine Entscheidung auf § 68 AVG stützte, die Identität der Sache mit dem in der Vorentscheidung angenommenen Sachverhalt im Lichte der darauf angewendeten Rechtsvorschriften (hier: §§ 3 und 8 AsylG 2005) zu beurteilen und sich damit auseinander zu setzen, ob sich an diesem Sachverhalt oder seiner rechtlichen Beurteilung im Zeitpunkt der Entscheidung über den Zweitantrag eine Änderung ergeben kann. Eine Entscheidung nach § 68 AVG ist daher als solche zu betrachten, die (auch) in Anwendung der §§ 3 und 8 AsylG 2005 ergangen ist (vgl. den hg. Beschluss vom , 2003/20/0536), zumal sie - ausgehend von ihrem Prüfumfang - das unveränderte Bestehen der vorangegangenen Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz ausdrückt.

Für dieses Auslegungsergebnis sprechen auch die Materialien zum FNG, BGBl. I Nr. 87/2012. Zu § 10 AsylG 2005 wird dort ausgeführt (vgl. EB RV 1803 BlgNR 24. GP, 37):

"§ 10 normiert jene Fälle, in denen eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme zu verbinden ist. Siehe dazu auch die Erläuternden Bemerkungen zu § 58.

Abs. 1 normiert in den Z 1 bis 5 jene Fälle, die mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG zu verbinden sind. In den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 hat zuvor auch eine Prüfung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu erfolgen. Ist der Aufenthaltstitel von Amts wegen nicht zu erteilen und liegt in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vor, so sind diese Entscheidungen nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG zu verbinden.

Wird vom Bundesamt einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 von Amts wegen nicht erteilt, so ist diese Entscheidung nach diesem Bundesgesetz gemäß Abs. 2 ebenfalls mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zu verbinden. Beantragt ein Drittstaatsangehöriger einen Aufenthaltstitel gemäß §§ 55, 56 oder 57 und wird dieser Antrag zurück- oder abgewiesen, so sind auch diese Entscheidungen mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zu verbinden (Abs. 3)."

Die Erläuternden Bemerkungen zu § 58 haben die Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen zum Inhalt.

Im Allgemeinen und im Besonderen Teil der Erläuterungen heißt es auszugsweise:

"... Ziel ist es, eine Verschränkung der Prozesse zu erreichen, um eine parallele Verfahrensführung und Entscheidung in

Einem zu erzielen. ... Der Mehrwert dieses Entwurfes soll in dem

Wegfall von Schnittstellen und einer Kompetenzbündelung sowie in der damit einhergehenden Verfahrenseffizienz liegen. ...

Insgesamt soll daher eine Bündelung der Zuständigkeit für Verfahren von Fremden hinsichtlich ihres Asylantrages, aufenthaltsbeendender Maßnahmen, deren Sicherung sowie aufenthaltsrechtlicher Anschlussstücke als Ganzes erzielt werden. ..." (EB RV, 1803 BlgNR 24. GP, 3)

"... Durch die Zuständigkeit einer Behörde betreffend Anträge auf internationalen Schutz, Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und aufenthaltsbeendender Maßnahmen soll es zu einem Entfall von derzeit bestehenden Informationsroutinen zu anderen Behörden sowie zu einem Wegfall von parallelen als auch nachfolgenden Verfahren kommen, welche derzeit Kompetenzen unterschiedlicher Behörden darstellen.

..." (EB RV, 1803 BlgNR 24. GP, 5)

Den Materialien zu § 10 AsylG 2005, die sich überwiegend mit den erforderlichen Anpassungen im Zusammenhang mit der Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels beschäftigen, ist nicht zu entnehmen, dass mit der Umformulierung der einzelnen Tatbestände des § 10 Abs. 1 Z 1 bis 5 AsylG 2005 gegenüber der Vorgängerbestimmung eine wesentliche inhaltliche Änderung herbeigeführt werden sollte. Nach der bisherigen Rechtslage waren alle zurück- und abweisenden Entscheidungen über einen Antrag auf internationalen Schutz sowie Aberkennungen eines ursprünglich zuerkannten Schutzstatus mit einer Ausweisung zu verbinden.

Auch die Ausführungen im Allgemeinen und im Besonderen Teil der Erläuterungen, wonach Ziel des Entwurfes sei, eine Verschränkung der Prozesse zu erreichen, um eine "Entscheidung in Einem" zu erzielen, den Wegfall von parallelen als auch nachfolgenden Verfahren zu erreichen und ablauforientiert ein einheitliches Gesamtverfahren entstehen zu lassen (vgl. die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage des FNG, 1803 BlgNR

24. GP, 3 und 5), sprechen dafür, im Sinn der angestrebten Verfahrensökonomie den in § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 angeführten Tatbestand dahingehend zu interpretieren, dass er auch Entscheidungen nach § 68 AVG mitumfasst. Nur damit wird der angestrebte Zweck der "Entscheidung in Einem" und Verhinderung nachfolgender Verfahren (hier: der allfälligen Anstrengung eines Verfahrens nach dem FPG zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung) erreicht. Dass der angestrebte Zweck der Verfahrensökonomie nach den Materialien in erster Linie auf die Bündelung der Kompetenzen beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl abzielt, steht dem nicht entgegen, war doch offenkundig die Vermeidung paralleler oder nachfolgender Verfahrensführung gewollt.

Dass der Gesetzgeber die Verbindung einer Rückkehrentscheidung mit einer Entscheidung nach § 68 AVG offenbar immer mitdachte, machen im Übrigen auch die Erläuternden Bemerkungen zu dem mit dem FrÄG 2015 neu gefassten § 58 Abs. 2 AsylG 2005 deutlich, wonach "auch Entscheidungen über einen Folgeantrag auf internationalen Schutz nach § 68 Abs. 1 AVG ... mit einem Aufenthaltstitel nach § 55 verbunden werden (können), sofern eine relevante Sachverhaltsänderung im Hinblick auf das Privat- und Familienleben eingetreten ist" (vgl. EB RV, 582 BlgNR 25. GP, 15). Der Wortlaut des § 58 Abs. 2 AsylG 2005 idF des FrÄG 2015 lautet:

"(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird."

Da gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 die Prüfung, ob ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 zu erteilen ist, die Entscheidung, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig erklärt wird, voraussetzt, können die Erläuternden Bemerkungen nur dahingehend verstanden werden, dass auch eine (negative) Entscheidung über einen Folgeantrag mit einer Entscheidung über die Erlassung einer Rückkehrentscheidung zu verbinden ist.

Entgegen der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts stellt § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 Z 2 FPG daher auch für den Fall der Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache nach § 68 AVG die Rechtsgrundlage für die Verbindung dieser Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung dar.

Dass in § 52 Abs. 2 Z 2 FPG nicht auch - wie in § 61 Abs. 1 Z 1 FPG - Entscheidungen nach § 68 Abs. 1 AVG ausdrücklich genannt sind, steht dieser Sichtweise nicht entgegen.

Der Erlassung einer Rückkehrentscheidung steht ferner auch nicht die Bestimmung des § 59 Abs. 5 FPG entgegen. Diese Norm besagt, dass es bei Vorliegen einer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung bei allen nachfolgenden Verfahrenshandlungen nach dem 7., 8. und 11. Hauptstück oder dem AsylG 2005 keiner neuerlichen Rückkehrentscheidung bedarf, es sei denn, es sind neue Tatsachen gemäß § 53 Abs. 2 und 3 leg. cit. hervorgekommen.

Die Materialien (vgl. EB RV 1803 BlgNR 24. GP, 67) zum Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz (BGBl. I Nr. 87/2012) führen dazu aus:

"Der vorgeschlagene Abs. 5 dient der Verfahrensökonomie und normiert, dass eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung grundsätzlich auch bei den genannten nachfolgenden Verfahrenshandlungen als Rechtsgrundlage für die Außerlandesbringung dient und es somit nicht der Erlassung einer neuerlichen Rückkehrentscheidung bedarf. Diese Bestimmung soll naturgemäß nicht gelten, wenn neue Tatsachen gemäß § 53 Abs. 2 und 3 hervorgekommen, das heißt dem Bundesamt neue Tatsachen, die eine nochmalige Bemessung der Dauer des Einreisverbotes erfordern, bekannt werden."

§ 59 Abs. 5 FPG soll demnach der Verfahrensökonomie dienen und bewirken, dass es keiner neuerlichen Rückkehrentscheidungen bedarf, wenn bereits rechtskräftige Rückkehrentscheidungen vorliegen, es sei denn, dass neue Tatsachen iSd § 53 Abs. 2 und 3 FPG hervorkommen, die eine Neubemessung der Dauer eines Einreiseverbotes erforderlich machen.

Durch den Verweis auf § 53 FPG, der die Erlassung eines Einreiseverbotes regelt, geht in Zusammenschau mit den Materialien hervor, dass sich § 59 Abs. 5 FPG nur auf solche Rückkehrentscheidungen bezieht, die mit einem Einreiseverbot verbunden sind. Nur im Fall der Änderung des für die Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes relevanten Sachverhaltes bedarf es einer neuen Rückkehrentscheidung, um allenfalls die Dauer des mit ihr zu verbindenden Einreiseverbotes neu festlegen zu können; ist die Rückkehrentscheidung allerdings - wie hier - von vornherein nicht mit einem Einreiseverbot verbunden, fällt sie nicht in den Anwendungsbereich dieser Norm.

In solchen Fällen ist daher - mangels anderer gesetzlicher Anordnung - die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Erforderlichkeit der Verbindung einer ab- oder zurückweisenden Entscheidung der Asylbehörden mit einer Ausweisung, unabhängig davon, ob zum Entscheidungszeitpunkt bereits eine rechtskräftige Ausweisung vorliegt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2007/19/0466, und vom , Zl. 2008/01/0344) auf die ab geltende Rechtslage übertragbar. Das Bundesverwaltungsgericht hätte daher die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erlassene Rückkehrentscheidung nicht aus den von ihm angeführten Gründen aufheben dürfen, sondern sich mit der in der Beschwerde behaupteten Rechtswidrigkeit der Rückkehrentscheidung inhaltlich auseinander setzen müssen.

Bei diesem Ergebnis kann es dahinstehen, ob die ursprüngliche, im ersten Verfahren erlassene Ausweisungsentscheidung infolge der Ausreise nach Deutschland bzw. des asylrechtlichen Aufenthaltsrechts nach Zulassung des zweiten Verfahrens noch Rechtswirkungen entfaltet.

Indem das Bundesverwaltungsgericht die Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung verkannte, belastete es das angefochtene Erkenntnis im dargelegten Umfang mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, sodass es insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG zu beheben war.

Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG Abstand genommen werden.

Wien, am