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VwGH vom 15.03.2012, 2009/17/0037

VwGH vom 15.03.2012, 2009/17/0037

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch sowie Hofrat Dr. Holeschofsky und Hofrätin Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde des Dipl.-Ing. K in W, vertreten durch Mag. Jürgen M. Krauskopf, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Brucknerstraße 4/4a, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , GZ. UVS- 05/KV/1/5069/2007, betreffend eine Vollstreckungsverfügung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom wurde über den Beschwerdeführer wegen Verletzung des § 1 Abs. 3 Wiener Parkometergesetz eine Geldstrafe von EUR 100,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 36 Stunden) verhängt und ein Verfahrenskostenbeitrag von EUR 10,-- auferlegt.

Mit Bescheid vom gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen Berufung keine Folge und schrieb dem Beschwerdeführer Kosten des Berufungsverfahrens von EUR 20,-- vor.

Mit Beschluss vom , Zl. 2006/17/0359, lehnte der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde ab.

Mit Vollstreckungsverfügung vom verfügte der Magistrat der Stadt Wien gegen den Beschwerdeführer unter Berufung auf §§ 3 und 10 VVG 1991 die Zwangsvollstreckung zur Einbringung der rechtskräftig verhängten Strafen von EUR 130,--.

In seiner dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, die zwangsweise Einbringung des Strafbetrages gefährde im nicht unerheblichen Maße seinen notdürftigen Unterhalt, weil er lediglich Notstandshilfe von EUR 26,83 täglich beziehe.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte die angefochtene Vollstreckungsverfügung. Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verfahrensganges und der ihrer Ansicht nach anzuwendenden Rechtsvorschriften aus, dass durch die zwangsweise Einbringung des Betrages von EUR 130,-- das Existenzminimum des Beschwerdeführers nicht unterschritten würde. Wirtschaftliche Bedrängnis, in welche das Zwangsvollstreckungsverfahren den Verpflichteten bringen würde, sei kein rechtlich tragender Grund gegen die Zwangsvollstreckung und den in deren Rahmen erlassenen Kostenzahlungsauftrag, weil auch das in § 2 VVG 1991 ausgesprochene Schonungsprinzip nicht dazu herangezogen werden dürfe, von der Vollstreckung eines Titelbescheides überhaupt Abstand zu nehmen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, verzichtete aber auf die Erstattung einer Gegenschrift. Sie beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und dem Beschwerdeführer die Kosten des Vorlageaufwandes aufzuerlegen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Rechtskräftig verhängte Geldstrafen oder sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen sind nach § 54b Abs. 1 VStG 1991 zu vollstrecken.

Soweit eine Geldstrafe uneinbringlich ist oder dies mit Grund anzunehmen ist, ist nach § 54b Abs. 2 VStG 1991 die dem ausstehenden Betrag entsprechende Ersatzfreiheitsstrafe zu vollziehen. Der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe hat zu unterbleiben, soweit die ausstehende Geldstrafe erlegt wird. Darauf ist in der Aufforderung zum Strafantritt hinzuweisen.

Einem Bestraften, dem aus wirtschaftlichen Gründen die unverzügliche Zahlung nicht zuzumuten ist, hat die Behörde nach § 54b Abs. 3 VStG 1991 auf Antrag einen angemessenen Aufschub oder Teilzahlung zu bewilligen.

Geldstrafen dürfen nach § 14 Abs. 1 VStG 1991 nur insoweit zwangsweise eingebracht werden, als dadurch weder der notwendige Unterhalt des Bestraften und derjenigen, zu deren Unterhalt ihn das Gesetz verpflichtet, noch die Erfüllung der Pflicht, den Schaden gutzumachen, gefährdet wird.

Nach § 64 Abs. 5 VStG 1991 findet § 14 Abs. 1 VStG 1991 sinngemäß auch für die Kosten des Strafverfahrens Anwendung.

Die Einhaltung der Vorschriften des § 14 Abs. 1 VStG 1991 hat die Behörde nicht bei der Strafbemessung, sondern erst im Zuge der Vollstreckung der Geldstrafe zu beachten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/09/0014, mwN).

Geldleistungen dürfen nach § 2 Abs. 2 VVG 1991 (in der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 100/2011) nur insoweit zwangsweise eingebracht werden, als dadurch der notdürftige Unterhalt des Verpflichteten und der Personen, für die er nach dem Gesetz zu sorgen hat, nicht gefährdet wird.

Die Zuständigkeit zur Vollstreckung der Geldstrafen sowie das einzuhaltende Verfahren richten sich nach dem VVG 1991. Das VStG 1991 trifft dazu jedoch einige ergänzende Regelungen (vgl. dazu Thienel/Schulev-Steindl , Verwaltungsverfahrensrecht5, 544). Darunter zählt auch § 14 Abs. 1 VStG 1991.

Daraus ergibt sich, dass - anders als dies offenbar die belangte Behörde vermeint - zur Beurteilung der Frage, ob nach dem VStG 1991 verhängte Geldstrafen (Kosten) zwangsweise eingebracht werden dürfen, § 14 Abs. 1 VStG 1991, welcher eine lex specialis zu § 2 Abs. 2 VVG 1991 darstellt, anzuwenden ist.

§ 14 Abs. 1 VStG 1991 bezweckt, den notwendigen Unterhalt vor der zwangsweisen Einbringung von Strafen (Kosten) zu schützen, während § 2 Abs. 2 VVG 1991 lediglich auf den notdürftigen Unterhalt abstellt.

Als notwendiger Unterhalt ist nach § 63 ZPO derjenige Unterhalt anzusehen, den die Partei für sich und ihre Familie, für deren Unterhalt sie zu sorgen hat, zu einer einfachen Lebensführung benötigt.

Es ist unter dem notwendigen Unterhalt mehr als der notdürftige Unterhalt, aber weniger als der standesgemäße Unterhalt zu verstehen. Es ist der Unterhalt, der zu einer einfachen Lebensführung benötigt wird, während der notdürftige Unterhalt jener ist, der zur bescheidensten Lebensführung gerade noch ausreicht (vgl. dazu Hauer/Leukauf , Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, 1319f).

Daraus folgt aber für den Beschwerdefall, dass die belangte Behörde ihre Prüfung nicht bloß auf den notdürftigen Unterhalt hätte beschränken dürfen. Vielmehr hätte sie auf den notwendigen Unterhalts abstellen müssen.

Darüber hinaus hat die belangte Behörde aber auch nicht begründet, aufgrund welcher Feststellungen und Überlegungen sie zu dem Schluss gekommen ist, es würde durch die zwangsweise Einbringung der Strafe (Kosten) der notdürftige Unterhalt des Beschwerdeführers nicht gefährdet. Die bloße Aussage, dass dadurch das - im Übrigen nicht näher bestimmte - Existenzminimum des Beschwerdeführers nicht unterschritten werde, versetzt den Verwaltungsgerichtshof noch nicht in die Lage, den angefochtenen Bescheid auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Der angefochtene Bescheid wäre daher auch gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben gewesen.

Der angefochtene Bescheid erweist sich somit, wegen der Prävalenz der inhaltlichen Rechtswidrigkeit gegenüber jener der Verletzung von Verfahrensvorschriften, mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am