VwGH vom 19.04.2012, 2012/01/0026

VwGH vom 19.04.2012, 2012/01/0026

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde der Bundesministerin für Inneres gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zlen. VwSen-700019/2/Gf/Mu, VwSen-700020/2/Gf/Mu, VwSen- 700021/2/Gf/Mu, VwSen-700022/2/Gf/Mu, VwSen-700023/2/Gf/Mu, VwSen- 700024/2/Gf/Mu, VwSen-700025/2/Gf/Mu, VwSen-700026/2/Gf/Mu, VwSen- 700027/2/Gf/Mu, betreffend Ausschluss von der Versorgung nach dem Grundversorgungsgesetz-Bund 2005 (mitbeteiligte Parteien: 1. Mu A,

2. M B, 3. T A, 4. M A, 5. A A, 6. A B, 7. Z A, 8. E A, 9. Ma A, die dritt- bis neuntmitbeteiligten Parteien vertreten durch den Erstmitbeteiligten, alle in B), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Die mitbeteiligten Parteien (eine Familie bestehend aus den Eltern und sieben Kindern; im Folgenden kurz: mP), ihren Angaben zufolge russische Staatsangehörige der tschetschenischen Volksgruppe, stellten am beim Bundesasylamt (Erstaufnahmestelle West) Anträge auf internationalen Schutz. Die mP wurden am in die Grundversorgung des Bundes aufgenommen.

Der Asylgerichtshof wies die Anträge der mP auf internationalen Schutz mit im Instanzenzug ergangenen Erkenntnissen jeweils vom gemäß § 5 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) rechtskräftig zurück. Gleichzeitig wurde in diesen Entscheidungen die Ausweisung der mP gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 bis aufgeschoben.

Am stellten die mP beim Bundesasylamt (Erstaufnahmestelle West) neuerlich Anträge auf internationalen Schutz (Folgeasylanträge).

Mit Bescheiden jeweils vom entzog das Bundesasylamt den mP "die auf Grund des Grundversorgungsgesetzes-Bund 2005 (GVG-B 2005) bisher gewährte Versorgung gemäß § 3 Abs. 1 Zi 3 GVG-B 2005, BGBl. I Nr. 405/1991 idF BGBl. I Nr. 100/2005" und sprach gleichzeitig aus, dass den mP der Zugang zur medizinischen Notversorgung weiterhin gewährt wird.

Dagegen erhoben die mP (eine) Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom hat die belangte Behörde unter Verweis auf § 66 Abs. 2 AVG "der Berufung mit der Wirkung stattgegeben, dass die angefochtenen Bescheide aufgehoben werden".

Begründend führte die belangte Behörde ("in der Sache selbst") aus, § 3 Abs. 1 GVG-B 2005 sei nach den Gesetzesmaterialien und auf Grund der Verwendung des Wortes "kann" grundsätzlich als Ermessensbestimmung anzusehen. In Verbindung mit § 2 Abs. 1 GVG-B 2005 ergebe sich daraus, dass ein "Ausschluss von der Bundesbetreuung" (gemeint: Grundversorgung) nur im Fall eines "offensichtlichen und gleichzeitig erwiesenen Missbrauches erfolgen darf". Die mP hätten die Grundversorgung nicht missbräuchlich in Anspruch genommen. Sie seien nämlich nicht darüber aufgeklärt gewesen, dass im Falle des Stellens von Folgeasylanträgen "unter Umständen kein Anspruch auf weitere Grundversorgung bestehen könnte". Allenfalls könnte den mP die Stellung "neuerlicher Asylanträge trotz unmittelbar zuvor rechtskräftig abgeschlossener Asylverfahren" als Missbrauch angelastet werden. Eine missbräuchliche Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen liege im gegenständlichen Fall nicht vor, weil bis zur Erlassung des Entzugsbescheides eine aufrechte Grundversorgung bestanden habe, sodass die Stellung der Folgeasylanträge keineswegs bezweckt habe, missbräuchlich Versorgungsleistungen zu erhalten. Davon, dass die Stellung von Folgeasylanträgen einen Ausschluss von der Bundesbetreuung nach sich ziehen könne, hätten die mP "schlicht und einfach keine Kenntnis". Die belangte Behörde übe das ihr "gemäß § 66 Abs. 4 AVG zukommende von Gesetzes wegen eng begrenzte Ermessen dahin, dass von dem Ausschluss der Rechtsmittelwerber aus der Bundesbetreuung gemäß § 3 Abs. 1 Z. 3 GVG-B abgesehen wird". Den "Berufungen" sei "gemäß § 66 Abs. 4 AVG mit der Wirkung stattzugeben, dass die angefochtenen Bescheide aufgehoben werden".

Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde, zu der die belangte Behörde die Verwaltungsakten vorlegte, eine Gegenschrift erstattete und den Antrag stellte, die Beschwerde abzulehnen, in eventu als unbegründet abzuweisen.

Die mP haben sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Für den Beschwerdefall ist die folgende Rechtslage des Grundversorgungsgesetzes-Bund 2005 (GVG-B 2005) maßgeblich:

"Gewährung der Versorgung

§ 2. (1) Der Bund leistet Asylwerbern im Zulassungsverfahren Versorgung in einer Betreuungseinrichtung des Bundes (§ 1 Z 5). Darüber hinaus sorgt der Bund im gleichen Ausmaß für Fremde, deren Asylantrag im Zulassungsverfahren


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1.
zurückgewiesen oder
2.
abgewiesen wurde, wenn der Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, solange ihr diese nicht wieder zuerkannt wird, bis diese das Bundesgebiet verlassen, solange sie in einer Betreuungseinrichtung des Bundes untergebracht sind.

(2) Asylwerbern und sonstigen Fremden nach Abs. 1 ist möglichst frühzeitig der Ort mitzuteilen, an welchem ihre Versorgung geleistet wird. Bei der Zuteilung ist auf bestehende familiäre Beziehungen, auf das besondere Schutzbedürfnis allein stehender Frauen und Minderjähriger und auf ethnische Besonderheiten Bedacht zu nehmen.

(3) Die Grundversorgung gemäß Abs. 1 ruht für die Dauer einer Anhaltung.

(4) Die Versorgung von Asylwerbern und sonstigen Fremden gemäß Abs. 1, die

1. die Aufrechterhaltung der Ordnung durch grobe Verstöße gegen die Hausordnung der Betreuungseinrichtungen (§ 5) fortgesetzt oder nachhaltig gefährden oder

2. gemäß § 38a Sicherheitspolizeigesetz - SPG, BGBl. Nr. 566/1991 aus der Betreuungseinrichtung weggewiesen werden

kann von der Behörde eingeschränkt, unter Auflagen gewährt oder entzogen werden. Diese Entscheidung darf jedoch nicht den Zugang zur medizinischen Notversorgung beschränken.

(5) Die Grundversorgung von Asylwerbern und sonstigen Fremden gemäß Abs. 1, die wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung verurteilt worden sind, die einen Ausschlussgrund gemäß § 6 AsylG 2005 darstellen kann, kann eingeschränkt, unter Auflagen gewährt oder entzogen werden. Abs. 4 letzter Satz gilt.

(6) Der Entscheidung, die Versorgung nach Abs. 4 oder 5 einzuschränken oder zu entziehen, hat eine Anhörung des Betroffenen, soweit dies ohne Aufschub möglich ist, voranzugehen. Die Anhörung des Betroffenen ist insbesondere nicht möglich, wenn er zwar zur Anhörung geladen wurde, jedoch zu dieser nicht erscheint oder wenn sein Aufenthalt unbekannt ist.

(7) Die Handlungsfähigkeit und die Vertretung von Minderjährigen in Verfahren nach diesem Bundesgesetz richtet sich nach § 16 AsylG 2005.

Ausschluss von der Versorgung und Kostenersatz

§ 3. (1) Von der Versorgung gemäß § 2 können ausgeschlossen werden:

1. Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein;

2. Asylwerber und sonstige Fremde gemäß § 2 Abs. 1, die trotz Aufforderung nicht an der Feststellung ihrer Identität oder ihrer Hilfsbedürftigkeit mitwirken;

3. Asylwerber, die einen weiteren Asylantrag innerhalb von sechs Monaten nach rechtskräftigem Abschluss ihres früheren Asylverfahrens eingebracht haben und

4. Asylwerber, die nicht an der Feststellung des für die Asylverfahrensführung notwendigen Sachverhalts mitwirken. § 2 Abs. 4 letzter Satz gilt.

(2) Asylwerber oder sonstige Fremde gemäß § 2 Abs. 1, die zum Zeitpunkt der Versorgung ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mittel bestreiten können, ist von der Behörde der Ersatz der notwendigen Betreuungskosten vorzuschreiben."

Nach der Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten (ABl. L 31/18 vom ) haben die Mitgliedstaaten der EU für die Gewährung "materieller Aufnahmebedingungen" wie Unterkunft und Verpflegung (Art. 13 Abs. 1) gegenüber Asylwerbern Sorge zu tragen und sicher zu stellen, dass insbesondere gegen abschlägige Entscheidungen Rechtsmittel eingelegt werden können, wobei zumindest in letzter Instanz die Anrufung eines Gerichtes möglich sein müsse (Art. 21 Abs. 1).

Dem durch die Grundversorgungsvereinbarung (BGBl. I Nr. 80/2004) und die Richtlinie 2003/9/EG entstandenen Regelungsbedarf trug Art. II der Novelle BGBl. I Nr. 32/2004 Rechnung, mit dem eine hoheitliche Vollziehung des Bundesbetreuungsgesetzes eingeführt wurde (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 33/06 ua).

Mit Art. 6 des Fremdenrechtspaketes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, wurde der Titel des Bundesbetreuungsgesetzes in "Bundesgesetz, mit dem die Grundversorgung von Asylwerbern im Zulassungsverfahren und bestimmten Fremden geregelt wird (Grundversorgungsgesetz-Bund 2005 - GVG-B 2005)" geändert.

In den Erläuterungen zum Abänderungsantrag (StProt. 22. GP 55. Sitzung, Seite 112) wird ausgeführt, mit der Novelle BGBl. I Nr. 32/2004 soll die Richtlinie 2003/9/EG umgesetzt werden. Das Gesetz sieht - so die Erläuterungen - unter anderem gegenüber dem Bundesbetreuungsgesetz redimensionierte Ausschluss- und Endigungsgründe vor, die aus Zweckmäßigkeitsüberlegungen zusammengefasst wurden, die medizinische Notversorgung ist jedoch immer zu garantieren.

Zu § 3 (nunmehr GVG-B 2005) wird in den genannten Erläuterungen Folgendes ausgeführt:

"Von der Versorgung können gewisse Personen ausgeschlossen werden. § 3 ist eine Ermessensbestimmung, die nicht zwingend zum Ausschluss führt. Das Ermessen ist im Sinne des Gesetzes auszuüben. Der Gesamtausschluss ist immer nur ultima ratio.

Die Richtlinie Mindestnormen Aufnahme gilt nur für Drittstaatsangehörige (vgl. Art. 2 lit. c der RL). Im Sinne dieser Zielsetzung wurden Staatsangehörige von EU-Mitgliedstaaten, sowie Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein von der Versorgung ausgeschlossen.

Die Z. 2 bis 4 des Abs. 1 bilden die Richtlinie Mindestnormen Aufnahme nach (vgl. Art. 16 Abs. 1 lit. a RL).

Abs. 2 entspricht der Systematik der RL Mindestnormen Aufnahme (vgl. Art. 13 Abs. 4 RL; es ist nicht daran gedacht, Asylwerber, die später, etwa nach Anerkennung als Flüchtling - zu eigenen Mitteln kommen, die alten Leistungen vorzuschreiben; von Abs. 2 sind nur Asylwerber betroffen, die bereits zum Versorgungszeitpunkt in der Lage sind für ihren Lebensunterhalt aufzukommen."

Die Amtsbeschwerde ist damit im Recht, dass der belangten Behörde, auch wenn die Erläuterungen von einer "Ermessensentscheidung" sprechen, die im angefochtenen Bescheid dargelegte Ermessensübung vom Gesetz (GVG-B 2005) nicht eingeräumt ist. Die von der belangten Behörde angenommenen Ermessenskriterien - nämlich offensichtlicher und erwiesener Missbrauch bzw. Kenntnis über die Auswirkungen von Folgeasylanträgen auf die Gewährung von Grundversorgung - sind im GVG-B 2005 nicht zu finden. Diese von der belangten Behörde (in freier Rechtsfindung) kreierten Ermessenskriterien finden in den gesetzlichen Bestimmungen keine Deckung. In diesem Zusammenhang ist illustrativ (veranschaulichend) anzumerken, dass die Anwendung der von der belangten Behörde vorgeschlagenen Ermessenskriterien etwa im Falle der Z. 1 des § 3 Abs. 1 GVG-B 2005 zu einem absurden Ergebnis führen würde. Dass nämlich nur Staatsangehörige, die (erweislich) missbräuchlich etwa Staatsangehörige der Schweiz sind, von der Grundversorgung ausgeschlossen werden sollten, ist dem Gesetzgeber nicht ernstlich zusinnbar.

Verwendet der Gesetzgeber - wie hier im § 3 GVG-B 2005 - das Wort "kann", ist allein darin die Einräumung von freiem Ermessen nicht zu verstehen, wenn dem Gesetz Anhaltspunkte, nach welchen Kriterien eine Ermessensübung (bei einer Entscheidung im Sinne des § 3 GVG-B 2005) durch die Behörde in diesen Fällen zu erfolgen hätte, nicht zu entnehmen sind (vgl. sinngemäß etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/08/0218, und vom , Zl. 2008/08/0201).

Die belangte Behörde hat verkannt, dass das Gesetz einen Maßstab dafür vorzugeben hat, in welchem Sinn die Behörde eingeräumtes Ermessen auszuüben hat (vgl. Art. 130 Abs. 2 B-VG). Kommt das (einfache) Gesetz dieser verfassungsrechtlichen Verpflichtung nicht nach, würde das Art. 18 Abs. 1 B-VG widersprechen.

Bei der Beurteilung der ausreichenden inhaltlichen Bestimmtheit sind aber in Ermittlung des Inhalts des Gesetzes alle zur Verfügung stehenden Auslegungsmöglichkeiten auszuschöpfen: Nur wenn sich nach Heranziehung aller Interpretationsmethoden immer noch nicht beurteilen lässt, was im konkreten Fall rechtens ist, verletzt die Norm die in Art. 18 B-VG statuierten rechtsstaatlichen Erfordernisse (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 81/11 und V 73/11, mwN; sowie Grabenwarter in Korinek/Holoubek, B-VG-Kommentar, Rz 16 zu Art. 130 Abs. 2).

Davon ausgehend muss die Bestimmung des § 3 Abs. 1 GVG-B 2005 nicht als eine Art. 18 B-VG verletzende Regelung beurteilt werden, bildet sie - so auch die Erläuterungen - doch den Art. 16 der Richtlinie 2003/9/EG nach. Die in den Z. 2 bis Z. 4 des § 3 Abs. 1 GVG-B 2005 umschriebenen Fälle entsprechen dabei jenen in Art. 16 Abs. 1 lit. a der Richtlinie. Die in Art. 16 der Richtlinie den Mitgliedstaaten eingeräumte Kompetenz, gewährte Vorteile in den genannten Fällen einzuschränken oder zu entziehen, hat der Gesetzgeber im § 3 Abs. 1 GVG-B 2005 dahin umgesetzt, dass er der Behörde ein Ermessen einräumt, welches nach den Gesetzesmaterialien entsprechend den Kriterien des Art. 16 der Richtlinie auszuüben ist.

Liegen die in § 3 Abs. 1 Z. 3 GVG-B 2005 genannten Voraussetzungen - nämlich, dass die mP als Asylwerber einen weiteren Asylantrag innerhalb von sechs Monaten nach rechtskräftigem Abschluss ihres früheren Asylverfahrens eingebracht haben - vor, hat die Behörde die mP grundsätzlich mit Bescheid von der Versorgung gemäß § 2 auszuschließen, bei ihrer Ermessensentscheidung aber folgende Bestimmungen der Richtlinie 2003/9/EG zu beachten:

"KAPITEL III

EINSCHRÄNKUNG ODER ENTZUG DER IM RAHMEN DER

AUFNAHMEBEDINGUNGEN GEWÄHRTEN VORTEILE

Artikel 16

Einschränkung oder Entzug der im Rahmen der Aufnahmebedingungen gewährten Vorteile

(1) Die Mitgliedstaaten können die im Rahmen der Aufnahmebedingungen gewährten Vorteile in folgenden Fällen einschränken oder entziehen:

a) wenn ein Asylbewerber

- im gleichen Mitgliedstaat bereits einen Antrag gestellt hat;

(4) Entscheidungen über die Einschränkung, den Entzug oder die Verweigerung der im Rahmen der Aufnahmebedingungen gewährten Vorteile oder Sanktionen nach den Absätzen 1, 2 und 3 werden jeweils für den Einzelfall, objektiv und unparteiisch getroffen und begründet. Die Entscheidungen sind aufgrund der besonderen Situation der betreffenden Personen, insbesondere im Hinblick auf die in Artikel 17 genannten Personen, unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips zu treffen. Die Mitgliedstaaten gewährleisten in jedem Fall Zugang zur medizinischen Notversorgung.

(5) Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass materielle Vorteile im Rahmen der Aufnahmebedingungen nicht entzogen oder eingeschränkt werden, bevor eine abschlägige Entscheidung ergeht.

KAPITEL IV

BESTIMMUNGEN BETREFFEND BESONDERS BEDÜRFTIGE PERSONEN

Artikel 17

Allgemeiner Grundsatz

(1) Die Mitgliedstaaten berücksichtigen in den nationalen Rechtsvorschriften zur Durchführung des Kapitels II betreffend die materiellen Aufnahmebedingungen sowie die medizinische Versorgung die spezielle Situation von besonders schutzbedürftigen Personen wie Minderjährigen, unbegleiteten Minderjährigen, Behinderten, älteren Menschen, Schwangeren, Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern und Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben.

(2) Absatz 1 gilt ausschließlich für Personen, die nach einer Einzelprüfung ihrer Situation als besonders hilfebedürftig anerkannt werden."

Die Entscheidung über den Ausschluss von der Versorgung ist somit auf Grund der besonderen Situation der betreffenden Person zu treffen. Dabei ist insbesondere zu untersuchen, ob der Ausschluss eine besonders bedürftige Person im Sinne von Art. 17 der Richtlinie betrifft (vgl. auch Art. 18 bis 20 der Richtlinie) und das Verhältnismäßigkeitsprinzip ist zu berücksichtigen.

Mit diesen Ermessenskriterien hat sich die Behörde nicht auseinandergesetzt, der angefochtene Bescheid enthält dazu auch keine Feststellungen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am