VwGH vom 28.05.2009, 2007/15/0023
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde der R L in R, vertreten durch Astoria Wirtschaftstreuhand-Steuerberatung GmbH & Co KEG, 3500 Krems an der Donau, Edmund Hofbauer Straße 1, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/2826-W/02, betreffend Umsatzsteuer 2000, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2000 wies die Beschwerdeführerin, Geschäftsführerin eines Kulturvereins, sowohl Umsätze zum Normalsteuersatz als auch solche zum ermäßigten Steuersatz von 10% aus.
Mit Bescheid vom unterzog das Finanzamt die gesamten Umsätze dem Normalsteuersatz.
In der dagegen erhobenen Berufung und in Beantwortung eines Ergänzungsersuchens führte die Beschwerdeführerin aus, dass "in den Einkünften aus selbständiger Arbeit auch solche aus künstlerischer Tätigkeit in Höhe von S 150.000,-, die mit 10% Umsatzsteuer verrechnet wurden", enthalten seien. Ihre künstlerische Tätigkeit bestünde in der Mitwirkung an den Festspielen X und umfasse folgende Bereiche:
"1. Dramaturgische Vorarbeit als Entscheidungshilfe für die künstlerische Stückwahlentscheidung
2. Künstlerische Mitentscheidung über Programmauswahl im Theaterbereich
3. Künstlerische Alleinentscheidung über Durchführung des Musikprogramms
4. Dramaturgische Kontrolle und Vorarbeit während der Vorbereitungs- und Probezeit
5. Künstlerische Gestaltung, Layout, Textierung der Programme, Vorprogramme. (siehe Anlage)"
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung abgewiesen und die Umsatzsteuerfestsetzung insoweit zu Gunsten der Beschwerdeführerin abgeändert, als der strittige Nettoumsatz von 150.000 S auf einen Bruttoumsatz von 165.000 S umgerechnet und daraus ein - zu 20% steuerpflichtiger - Nettoumsatz von lediglich 137.500 S ermittelt wurde.
Nach allgemeinen Ausführungen zur Bestimmung des § 10 Abs. 2 Z 5 UStG 1994 und deren gemeinschaftsrechtlichen Grundlage in der Ziffer 8 des Anhangs H der 6. EG-RL beurteilte die belangte Behörde die streitgegenständliche Tätigkeit der Beschwerdeführerin als nicht künstlerisch. Mit den "ersten vier" Punkten bringe die Beschwerdeführerin keine eigenschöpferischen Kunstwerke hervor, sondern trage lediglich zur Entscheidung bei, welche Kunstwerke die ausübenden Künstler hervorbringen sollten, und unterstütze und kontrolliere sie die Tätigkeit der Künstler. Die vier erstgenannten Tätigkeitspunkte könnten daher mangels unmittelbarem Hervorbringens von Kunstwerken und mangels unmittelbarer Tätigkeit als reproduzierender Künstler den Künstlerbegriff des § 10 Abs. 2 Z 5 UStG 1994 nicht erfüllen.
Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, Dramaturgie sei eindeutig als künstlerische Tätigkeit zu werten, entgegnete die belangte Behörde ua, dass ihre Tätigkeitsbeschreibung nicht dem Begriff der "Dramaturgie" laut DUDEN ("Gestaltung und Bearbeitung eines Dramas oder die Lehre vom Drama") subsumiert werden könne.
Der fünfte, von der Beschwerdeführerin angegebene Punkt ihrer Tätigkeit - Gestaltung, Layout, Textierung der (Vor)Programme - beträfe das eigenschöpferische Hervorbringen von Werken. Diesbezüglich sei daher entscheidend, ob es sich bei diesen (Vor)Programmheften um Kunstwerke handle. Die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Programmhefte - ein Übersichtsprogramm und drei Programmhefte für Theaterstücke - seien vom "Format bzw. Einband her individuell gestaltet, illustriert, mit Stückbeschreibungen, weiteren Informationen und teilweise auch mit Textauszügen". Die graphische Gestaltung wirke professionell und ansprechend; dies sei jedoch kein Kriterium für die Abgrenzung zwischen Kunsthandwerk und Kunst. Die Programmhefte stellten für sich keine Kunstwerke dar; ihre Erstellung entspräche keinem umfassenden Kunstfach.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf gesetzmäßige Anwendung des begünstigten Steuersatzes für Tätigkeiten als Künstlerin gemäß § 10 Abs. 2 Z 5 UStG 1994 verletzt erachtet.
Nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß Ziffer 8 des Anhang H der im Beschwerdefall noch maßgebenden 6. MwSt-RL (77/388/EWG) bestand die Befugnis zur Ermäßigung des Steuersatzes für:
"Werke bzw. Darbietungen von Schriftstellern, Komponisten und ausübenden Künstlern sowie deren Urheberrechte".
Die nationale Umsetzung erfolgte in § 10 Abs. 2 Z 5 UStG 1994, wonach sich für "Umsätze aus der Tätigkeit als Künstler" der Steuersatz auf 10% ermäßigt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und der herrschenden Lehre ist sowohl im Ertragsteuer- als auch im Umsatzsteuerrecht als Künstler anzusehen, wer eine persönliche und eigenschöpferische Tätigkeit in einem umfassenden Kunstfach auf Grund künstlerischer Begabung entfaltet und sich nicht darauf beschränkt, Erlernbares oder Erlerntes wiederzugeben (so bereits das hg. Erkenntnis vom , 1313/57, Slg.Nr. 2190/F, das hg. Erkenntnis vom , 92/13/0084; sowie Ruppe, UStG3, § 10 Tz. 91 mit weiteren Judikaturnachweisen, und Berger/Wakounig in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig (Hrsg), UStG (2006) § 10 Tz. 79ff).
Das Vorliegen der genannten Sachverhaltselemente hatte die Behörde in einem Akt der Beweiswürdigung zu beurteilen (siehe für viele das erwähnte Erkenntnis vom ). Eine solche unterliegt der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle dahingehend, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, indem sie den Denkgesetzen und dem menschlichen Erfahrungsgut nicht widersprechen.
Die Beschwerdeführerin bringt unter Hinweis auf die Bestimmung des § 1 Abs. 1 Schauspielergesetz vor, bei der Dramaturgie handle es sich um eine künstlerische Tätigkeit. Für die Bewertung von Dramaturgie dürfe nicht nur eine Interpretation laut DUDEN herangezogen werden, sondern müsse das "bestehende Umfeld" untersucht werden.
Es ist zutreffend, dass die Qualifikation einer bestimmten Tätigkeit als künstlerisch, nicht (ausschließlich) unter Heranziehung von Lexika und ähnlichen Nachschlagewerken vorzunehmen ist, weil derartige Nachschlagewerke nicht die durch das Steuerrecht vorgegebene Abgrenzung zwischen künstlerischer und gewerblicher Tätigkeit zum Ziel haben. Diese Abgrenzung ist vielmehr anhand der bereits erwähnten Kriterien zu treffen, die Rechtsprechung und Schrifttum zum Steuerrecht entwickelt haben. Mit der Würdigung der von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren in mehreren Punkten formulierten Tätigkeitsbeschreibung hat die belangte Behörde aber gerade eine solche Abgrenzung vorgenommen, welche keinen Mangel in Art einer dem menschlichen Erfahrungsgut oder den Denkgesetzen widersprechenden Schlussfolgerung erkennen lässt.
Wenn die Beschwerdeführerin unter Berufung auf das hg. Erkenntnis vom , 90/13/0106, ausführt, dass die Leistung eines Dramaturgen "aufgrund der umfassenden Mitwirkung im konkreten Fall" der eines Regisseurs bzw. Intendanten nahe käme und daher als künstlerisch einzustufen sei, weil eine Eigenschöpfung in diesen Fällen nicht erforderlich sei, ist dem zunächst zu entgegnen, dass sich dem angeführten Erkenntnis, das die freiberufliche Ausübung des physikotherapeutischen Dienstes zum Streitgegenstand hatte, die von der Beschwerdeführerin getroffene Aussage nicht entnehmen lässt. Die dem diesbezüglichen Beschwerdevorbringen zu Grunde liegende Sachverhaltsbehauptung, die Beschwerdeführerin sei "immer in gemeinsame Bearbeitungen eingebunden" gewesen und habe "begleitend dramaturgisch" mitgearbeitet, verstößt zudem - wie die belangte Behörde in der Gegenschrift zutreffend ausführt - gegen das vor dem Verwaltungsgerichtshof zu beachtende Neuerungsverbot.
Dass die gegenständlichen Aufführungen "aus Sicht der begeisterten Theaterbesucher und profunder Fachkritiker auf den Kulturseiten der Presse und einschlägigen Fachzeitschriften" von hoher künstlerischer Qualität zeugten, das Bundeskanzleramt diese dramaturgischen Arbeiten laufend mit Subventionen fördere, die Beschwerdeführerin eine Auszeichnung der Republik erhalten habe und andere (namentlich genannte) Dramaturgen an den gleichen Veranstalter wie die Beschwerdeführerin Honorarnoten mit dem begünstigten Steuersatz gelegt hätten und schließlich die Versagung des begünstigten Steuersatzes durch die belangte Behörde einen ganzen Künstlerstand desavouiere, stellt sich insgesamt als Vorbringen dar, mit dem weder eine konkrete inhaltliche noch durch Verletzung von Verfahrensvorschriften resultierende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt wird.
Eine Verletzung der amtswegigen Ermittlungspflicht liegt nicht vor, weil der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren Gelegenheit eingeräumt war, die den strittigen Umsätzen zu Grunde liegenden Leistungen im Einzelnen zu bezeichnen. Zur Durchführung der in der Beschwerde angesprochenen weiteren "umfangreichen Recherchen unter Berücksichtigung eines repräsentativen Querschnittes der Arbeiten" bot das Vorbringen der Beschwerdeführerin keinen Anlass. Entgegen den Beschwerdeausführungen hatte die belangte Behörde bei Anwendung des § 10 Abs. 2 Z 5 UStG 1994 auch kein Ermessen zu üben.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am