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VwGH vom 12.09.2012, 2011/23/0682

VwGH vom 12.09.2012, 2011/23/0682

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des O in E, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom , Zl. E1/4020/2009, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste am illegal nach Österreich ein und stellte in der Folge einen Asylantrag. Mit Bescheid vom wies das Bundesasylamt diesen Antrag in erster Instanz ab und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei für zulässig. Mit Erkenntnis vom wies der Asylgerichtshof die dagegen erhobene Berufung als unbegründet ab.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus.

Einleitend stellte die belangte Behörde fest, dass das Asylverfahren des Beschwerdeführers rechtskräftig negativ abgeschlossen und sein Aufenthalt im Bundesgebiet somit rechtswidrig sei.

Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 66 FPG verwies die belangte Behörde darauf, dass er seit ca. siebeneinhalb Jahren im Bundesgebiet aufhältig sei, seit 2002 durchgehend einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehe, seit einigen Monaten eine Freundin habe und dass er Unterstützungserklärungen diverser Privatpersonen vorgelegt habe. Angesichts dieser Umstände werde mit der Ausweisung in erheblicher Weise in sein "Privat- und Familienleben" eingegriffen. Allerdings sei das Gewicht der erlangten Integration dadurch gemindert, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers nur auf Grund einer vorläufigen (asylrechtlichen) Aufenthaltsberechtigung zulässig gewesen sei und dass sich der Asylantrag letztendlich als unberechtigt erwiesen habe. Da der Asylantrag bereits am in erster Instanz abgewiesen worden sei, musste sich der Beschwerdeführer (jedenfalls ab diesem Zeitpunkt) seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst gewesen sein, wodurch sich die eingegangenen Bindungen relativieren würden.

Hinsichtlich der Beziehung zu seiner Freundin sei - so die belangte Behörde weiter - vom Beschwerdeführer kein gemeinsamer Haushalt mit dieser geltend gemacht worden. (Sonstige) familiäre Bindungen in Österreich seien weder behauptet worden noch aus der Aktenlage ersichtlich. Hinsichtlich der beruflichen Integration sei auch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer bereits bei sieben verschiedenen Dienstgebern beschäftigt gewesen sei. An diesem Umstand würde auch das Unterstützungsschreiben des derzeitigen Arbeitgebers nichts ändern. Im Zuge einer persönlichen Vorsprache des Beschwerdeführers am sei schließlich festgestellt worden, dass seine Deutschkenntnisse nur "mäßig" seien.

Vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer mit seinen in der Türkei lebenden Eltern und Geschwistern regelmäßigen telefonischen Kontakt habe, ging die belangte Behörde weiters davon aus, dass er in seinem Heimatstaat über ein familiäres Netzwerk verfüge und eine Reintegration somit zumutbar sei.

Abschließend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer durch seinen ca. neunmonatigen unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich die öffentliche Ordnung in hohem Maße gefährde und die Ausweisung demnach gemäß § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten sei. Da den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zukomme, würde das öffentliche Interesse (an der Erlassung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme) im Verhältnis zu der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Integration überwiegen. Zudem seien weder aus der Aktenlage noch aus der Berufung besondere Umstände ersichtlich gewesen, die eine Ermessensübung zugunsten des Beschwerdeführers hätten begründen können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei um die im September 2009 geltende Fassung.

Gemäß § 53 Abs. 1 FPG können Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer über keine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz mehr verfügt. Weder nach dem Beschwerdevorbringen noch nach der Aktenlage bestehen Anhaltspunkte dafür, dass eine der Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 31 Abs. 1 FPG beim Beschwerdeführer vorläge. Die belangte Behörde ist somit zutreffend davon ausgegangen, dass der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei.

Der Beschwerdeführer erachtet den angefochtenen Bescheid zunächst wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde als rechtswidrig. Da er "dem regulären Arbeitsmarkt der Republik Österreich angehöre", hätte im Hinblick auf die Anwendung des Assoziationsabkommens (zwischen der EWG und der Türkei) nicht die Sicherheitsdirektion, sondern der unabhängige Verwaltungssenat über seine Berufung zu entscheiden gehabt. Inhaltlich macht die Beschwerde damit das Vorliegen einer Berechtigung nach Art. 6 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation vom (im Folgenden: ARB 1/80) geltend. Auf Art. 6 ARB 1/80 kann sich der Beschwerdeführer aber schon deshalb nicht mit Erfolg berufen, weil er in Österreich nur ein vorläufiges asylrechtliches Aufenthaltsrecht innehatte und ihm daher nie eine - für das Bestehen dieser Rechtsposition erforderliche - "gesicherte Aufenthaltsposition" im Bundesgebiet zukam (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0204, mwN).

Wird durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei dieser Beurteilung ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der im § 66 Abs. 2 FPG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 66 Abs. 3 FPG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Bei einer Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0326, mwN).

Der Beschwerdeführer verweist in diesem Zusammenhang auf seinen mehr als siebeneinhalbjährigen Aufenthalt in Österreich, auf seine - durchgehende - Beschäftigung, auf seine gelungene soziale Integration, die sich in den vorgelegten Unterstützungsschreiben manifestiere, sowie auf die Beziehung zu seiner österreichischen Freundin, mit der er zusammenzuziehen beabsichtige.

Mit diesen Ausführungen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Die belangte Behörde hat die genannten Umstände bei ihrer Interessenabwägung nach § 66 FPG hinreichend berücksichtigt. Entgegen der Beschwerdeansicht hätte sie aus diesen Umständen aber nicht ableiten müssen, dass die Ausweisung des Beschwerdeführers aus Österreich unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK am Maßstab der in § 66 Abs. 2 FPG angeführten Kriterien unzulässig sei und akzeptiert werden hätte müssen, dass der Beschwerdeführer mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen. Bei der Bewertung des Interesses des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich durfte die belangte Behörde (im Sinn des § 66 Abs. 2 Z 8 FPG) auch berücksichtigen, dass er seine sozialen und beruflichen Bindungen zu einem Zeitpunkt eingegangen ist, zu dem er - auf der Grundlage seiner nur vorläufigen asylrechtlichen Aufenthaltsberechtigung und angesichts der Abweisung seines Asylantrages in erster Instanz bereits im September 2002 - nicht damit habe rechnen dürfen, dauerhaft in Österreich verbleiben zu können. Daran vermag auch die lange (ca. sechsjährige) Dauer des asylrechtlichen Berufungsverfahrens nichts zu ändern (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2011/21/0014).

Entgegen der Beschwerdeansicht hat die belangte Behörde ihre Entscheidung aber auch nicht "einzig und allein" auf den Umstand gestützt, dass der Beschwerdeführer seine Integration während seines unsicheren Aufenthaltsstatus erlangt hat. Vielmehr hat die belangte Behörde zutreffend berücksichtigt, dass die Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers ungeachtet seines bereits mehr als siebeneinhalbjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet nur als mäßig anzusehen seien. Auch dass sie der - im Übrigen nicht näher konkretisierten - Beziehung des Beschwerdeführers zu seiner Freundin, mit der im Zeitpunkt der Bescheiderlassung kein gemeinsamer Haushalt bestand, keine entscheidungserhebliche Verstärkung seines persönlichen Interesses an einem Verbleib in Österreich zuerkannt hat, ist nicht zu beanstanden. Schließlich ist die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen, dass dem Beschwerdeführer angesichts des nach wie vor aufrechten Kontaktes zu seinen in der Türkei lebenden Eltern und Geschwistern eine Rückkehr in seinen Heimatstaat zumutbar sei. Der diesbezüglich in der Beschwerde geltend gemachte Begründungsmangel liegt somit nicht vor.

Die belangte Behörde hat auch zu Recht auf den hohen Stellenwert der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften hingewiesen und ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer dieses öffentliche Interesse durch seinen unrechtmäßigen Weiterverbleib im Bundesgebiet (nach Abschluss des Asylverfahrens) gefährdet.

Zusammenfassend ist es somit nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde die Ausweisung des Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK nicht als unzulässigen Eingriff in sein Privat- und Familienleben angesehen hat. Auch die Ermessensübung durch die belangte Behörde begegnet keinen Bedenken.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
RAAAE-67618