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VwGH vom 31.01.2013, 2011/23/0676

VwGH vom 31.01.2013, 2011/23/0676

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde der B in G, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom , Zl. E1/959-2009, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, reiste am illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am einen Asylantrag. Mit Bescheid vom wies das Bundesasylamt diesen Antrag in erster Instanz ab und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin in die Türkei für zulässig. Mit Erkenntnis vom wies der Asylgerichtshof die dagegen erhobene Berufung als unbegründet ab. Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom , U 907/08, abgelehnt.

Mit Bescheid vom wies die Bundespolizeidirektion Graz die Beschwerdeführerin gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus. Die erstinstanzliche Behörde hielt zunächst fest, dass sich die Beschwerdeführerin seit der rechtskräftig negativen Entscheidung über ihren Asylantrag unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, allerdings keine Anstrengungen unternommen habe, freiwillig aus dem Bundesgebiet auszureisen.

In Ansehung des § 66 FPG verwies die Bundespolizeidirektion Graz darauf, dass sich die beiden volljährigen Kinder der Beschwerdeführerin und ihr geschiedener Ehemann in Österreich aufhielten. Angesichts dieser Umstände sei mit der Ausweisung ein Eingriff in ihr Privat- und Familienleben verbunden. Die Beschwerdeführerin, die keiner legalen Beschäftigung nachgehe, wohne bei ihren beiden Kindern, allerdings sei gegen ihren Sohn rechtskräftig ein Aufenthaltsverbot erlassen worden. Der privaten und familiären Situation der Beschwerdeführerin stehe das große öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens gegenüber, das die Beschwerdeführerin durch ihren illegalen Verbleib in Österreich nach dem rechtskräftig negativ abgeschlossenen Asylverfahren gravierend beeinträchtigt habe.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen Berufung keine Folge. In ihrer Begründung verwies sie zunächst auf den erstinstanzlichen Bescheid, dessen Ausführungen sie zum Inhalt des angefochtenen Bescheides erhob. Ergänzend ging die belangte Behörde - angesichts des achtjährigen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin im Inland und ihrer familiären Bindungen - von einem "massiven Eingriff in ihr Privat- und Familienleben" aus. Dieser Eingriff sei allerdings zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie zur Verhinderung des Weiterverbleibs von nicht rechtmäßig aufhältigen Fremden im Bundesgebiet dringend geboten. Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie hätte die Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels anregen können, hielt die belangte Behörde entgegen, dass auch ein allfälliger derartiger Antrag keinen Rechtsanspruch darauf einräume, das Ergebnis dieses Verfahrens im Inland abzuwarten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei um die im Juni 2009 geltende Fassung.

Gemäß § 53 Abs. 1 FPG können Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Unstrittig ist, dass die Beschwerdeführerin über keine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz mehr verfügt. Weder nach dem Beschwerdevorbringen noch nach der Aktenlage bestehen Anhaltspunkte dafür, dass eine der Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 31 Abs. 1 FPG bei der Beschwerdeführerin vorläge. Die belangte Behörde ist somit zutreffend davon ausgegangen, dass der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei.

Wird durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei dieser Beurteilung ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 66 Abs. 2 FPG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 66 Abs. 3 FPG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Bei einer Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0326, mwN).

Die Beschwerde wendet sich gegen die von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung. Sie verweist dazu insbesondere auf den achtjährigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich, auf die familiären Bindungen zu ihren Kindern, mit denen sie zusammenlebe, und auf das freundschaftliche Verhältnis zu ihrem ebenfalls im Inland aufhältigen, geschiedenen Ehemann. In diesem Zusammenhang rügt die Beschwerdeführerin auch, die belangte Behörde habe es unterlassen, ihrem Antrag auf Einvernahme ihrer Kinder, ihres geschiedenen Ehemannes sowie von ihr selbst (zur Darlegung des innigen familiären Verhältnisses) zu entsprechen. Dem ist Folgendes entgegenzuhalten:

Auch wenn die belangte Behörde - wie der Beschwerde einzuräumen ist - ihre Überlegungen bei der Abwägung der gegenläufigen Interessen eingehender hätte zum Ausdruck bringen können, ist darin im vorliegenden Fall kein relevanter Begründungsmangel zu sehen. Die belangte Behörde hat nämlich den achtjährigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich und die Beziehungen zu ihren volljährigen Kindern sowie zu ihrem geschiedenen Ehemann ihrer Entscheidung erkennbar zugrunde gelegt und ausgehend davon einen mit der Ausweisung verbundenen, massiven Eingriff in ihr Privat- und Familienleben angenommen. Angesichts dessen fehlt es dem geltend gemachten Verfahrensfehler in Bezug auf die unterlassene Einvernahme der Angehörigen (zur Frage des Bestehens eines innigen familiären Verhältnisses) aber an der Relevanz. Ungeachtet der zugestandenen engen Bindungen durfte die belangte Behörde aber auch berücksichtigen, dass die beiden Kinder bereits volljährig sind und gegen den Sohn der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltsverbot rechtskräftig erlassen worden ist.

Die Beschwerdeführerin macht weiters geltend, sie werde von ihrer Tochter finanziell unterstützt und verfüge selbst über ein Bankguthaben in der Höhe von EUR 10.000,--. Damit zeigt die Beschwerdeführerin aber keine maßgebliche Verstärkung ihrer Interessen an einem Verbleib in Österreich auf, zumal eine finanzielle Unterstützung durch ihre Tochter - worauf im angefochtenen Bescheid hingewiesen wird - auch von Österreich aus in die Türkei möglich ist. Vor diesem Hintergrund und angesichts des bestehenden Bankguthabens musste auch dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, in der Türkei über keine wirtschaftliche Existenzgrundlage zu verfügen, keine entscheidungserhebliche Bedeutung beigemessen werden. Gleiches gilt für die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Deutschkenntnisse, zumal sich dem angefochtenen Bescheid entnehmen lässt, dass eine Einvernahme der Beschwerdeführerin am noch mit einem Dolmetsch erfolgte. Wenn die Beschwerdeführerin schließlich vermeint, es seien sämtliche Erfordernisse der sozialen Integration gegeben, so fehlt es diesem Vorbringen an einer entsprechenden Substantiierung.

Den persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem Verbleib im Bundesgebiet steht das große öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens gegenüber. Dieses Interesse hat die Beschwerdeführerin durch ihren unrechtmäßigen Weiterverbleib in Österreich nach dem rechtskräftig negativen Abschluss ihres Asylverfahrens aber erheblich beeinträchtigt.

Vor diesem Hintergrund hätte die belangte Behörde - entgegen der Beschwerdeansicht - aus den dargelegten Umständen aber nicht ableiten müssen, dass die Ausweisung der Beschwerdeführerin aus Österreich unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK am Maßstab der in § 66 Abs. 2 FPG angeführten Kriterien unzulässig sei. Diese Umstände stellen sich nämlich auch in Verbindung mit dem achtjährigen Aufenthalt der nicht berufstätigen Beschwerdeführerin im Inland insgesamt nicht als so außergewöhnlich dar, dass unter dem genannten Gesichtspunkt von einer Ausweisung hätte Abstand genommen und der weitere Verbleib der Beschwerdeführerin in Österreich akzeptiert werden müssen.

In der Beschwerde werden schließlich auch keine Gründe aufgezeigt, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinn des Gesetzes erfolgt wäre.

Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie hätte die Möglichkeit gehabt, "eine Anregung auf Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels" einzubringen, ist zu entgegnen, auch eine bereits erfolgte dahingehende Antragstellung hätte nicht dazu geführt, dass von einer Ausweisung Abstand zu nehmen gewesen wäre (vgl. grundlegend das Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0293).

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
IAAAE-67608