VwGH vom 21.02.2012, 2011/23/0656
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des P, vertreten durch Mag. Robert Igali-Igalffy, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 34, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/470109/2008, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, reiste im Jahr 2000 illegal nach Österreich ein und stellte am einen Asylantrag; dieses Asylverfahren wurde am gemäß § 30 Abs. 1 des Asylgesetzes 1997 (AsylG) eingestellt. Am stellte der Beschwerdeführer unter dem Namen D.K. einen Asylantrag, den er am wieder zurückzog. Am stellte der Beschwerdeführer neuerlich einen Asylantrag; dieses Asylverfahren wurde am gemäß § 30 Abs. 1 AsylG eingestellt.
Am wurde der Beschwerdeführer im Zuge einer fremdenpolizeilichen Kontrolle angehalten und die Schubhaft über ihn verhängt. Der Beschwerdeführer war nicht behördlich gemeldet, eine behördliche Meldung wurde nur für die Zeit von bis in 1200 Wien festgestellt. Auch konnte der Beschwerdeführer kein Reisedokument vorweisen. Im Zuge zweier Einvernahmen am 21. und gab der Beschwerdeführer an, dass er mit seiner Freundin A. (einer österreichischen Staatsbürgerin) zwei Kinder habe, für die er sorgepflichtig sei. Er kenne seine Freundin seit Mitte 2003 und lebe seit einem Jahr mit ihr im gemeinsamen Haushalt in 1100 Wien. Er habe aber keinen Schlüssel für diese Wohnung, weil seine Freundin "immer aufhältig" sei. Weiters gab der Beschwerdeführer an, über keinerlei Dokumente zu verfügen und zu Indien keine Kontakte mehr zu haben.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus.
Begründend hielt die belangte Behörde eingangs fest, der Beschwerdeführer halte sich seit der Einstellung des (letzten von ihm eingeleiteten) Asylverfahrens am unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Eine Forstsetzung des Asylverfahrens sei nicht mehr möglich. Auch habe der Beschwerdeführer seinen jahrelangen unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet "durch behördliche Nichtmeldung verschleiert".
In Ansehung des § 66 Abs. 1 FPG hielt die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer seit über acht Jahren in Österreich aufhältig sei und seine Kinder im Inland wohnten. Demzufolge ging die belangte Behörde von einem mit der Ausweisung verbundenen beachtlichen Eingriff in sein Privatleben aus. Allerdings bestünde kein gemeinsamer Wohnsitz mit seinen Kindern und deren Mutter. Berufliche Bindungen seien nicht behauptet worden. Den Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid, wonach der Beschwerdeführer keiner legalen Beschäftigung nachgehe und weder kranken- noch sozialversichert sei, sei nicht entgegengetreten worden. Weiters hielt die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid angegeben habe, über einen indischen Reisepass zu verfügen und in 1150 Wien wohnhaft zu sein. Angesichts seiner diesbezüglich abweichenden Aussagen bei seinen Einvernahmen am 21. und seien die Angaben des Beschwerdeführers - so die belangte Behörde - "offenkundig nicht von großer Wahrheitsliebe geprägt".
Die belangte Behörde wertete es als "interessenmindernd", dass der weitaus überwiegende Teil des inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers als unrechtmäßig anzusehen sei. Der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der geordneten Abwicklung des Fremdenwesens (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Die Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremden- und Aufenthaltswesen sei unter Berücksichtigung aller genannten Umstände von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen privaten Interessen jedenfalls nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet. Besondere Umstände, die eine für den Beschwerdeführer positive Ermessensübung zulassen würden, seien nicht ersichtlich und auch nicht vorgebracht worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat.
Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei um die im November 2008 geltende Fassung.
Gemäß § 53 Abs. 1 FPG können Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Unstrittig ist, dass das letzte vom Beschwerdeführer eingeleitete Asylverfahren am eingestellt wurde. Weder nach dem Beschwerdevorbringen noch nach der Aktenlage bestehen Anhaltspunkte dafür, dass eine der Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 31 Abs. 1 FPG beim Beschwerdeführer vorläge. Die Behörde ist somit zutreffend davon ausgegangen, dass der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei.
Wird durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Die Ausweisung darf nach dem - auch bei Ausweisungen gemäß § 53 Abs. 1 FPG zu beachtenden (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0348, Punkt 2.3.2.) - § 66 Abs. 2 FPG jedenfalls nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen (Z 1) und auf die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen (Z 2) Bedacht zu nehmen. Bei der Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt.
Der Beschwerdeführer bringt in diesem Zusammenhang vor, er habe mit seiner Lebensgefährtin A. zwei Kinder, die Tochter X und den Sohn Y. Zunächst habe er mit seiner Lebensgefährtin zusammengewohnt, zum Zeitpunkt der Einbringung der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid habe er jedoch bei einem Freund gewohnt. Die belangte Behörde habe keine Ermittlungen durchgeführt, warum ein gemeinsamer Wohnsitz mit der Lebensgefährtin nicht vorliege bzw. ob ein gemeinsames Privat- und Familienleben zu den leiblichen Kindern und der Kindesmutter bestehe "und anderes mehr". Die belangte Behörde habe sich mit seinen persönlichen Verhältnissen und seiner familiären Situation nicht entsprechend auseinandergesetzt.
Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Die belangte Behörde hat sowohl den über acht Jahre dauernden Aufenthalt des Beschwerdeführers als auch die Bindungen zu seinen Kindern, die im Inland wohnen und die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, berücksichtigt. Davon ausgehend hat die belangte Behörde einen mit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme einhergehenden beachtlichen Eingriff in sein "Privatleben" angenommen.
Unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht mit seinen Kindern und deren Mutter zusammenlebte. Zwar bezeichnet der Beschwerdeführer A.C. in der Beschwerde als seine Lebensgefährtin. Er bringt aber keine Umstände vor, die geeignet wären, ungeachtet des Fehlens eines gemeinsamen Haushaltes ein Familienleben zwischen ihm und A.C. darzutun.
Die belangte Behörde ist davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer der leibliche Vater der beiden Kinder X und Y ist. Insofern geht der Vorwurf in der Beschwerde, die belangte Behörde sei auf das Angebot zur Vornahme eines DANN-Tests nicht eingegangen, ins Leere. Der Beschwerdeführer hat zwar sowohl im Verwaltungsverfahren als auch in der Beschwerde darauf verwiesen, seine leibliche Vaterschaft betreffend X und Y anzuerkennen. Er hat allerdings darüber hinaus nicht behauptet, dass ihm die Obsorge über seine Kinder zukomme, er Betreuungsaufgaben wahrnehme bzw. in ihre Erziehung eingebunden sei oder die Kinder auf ihn angewiesen seien. Vor diesem Hintergrund durfte die belangte Behörde als interessenmindernd berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer nicht mit seinen Kindern im gemeinsamen Haushalt (sondern bei einem Freund) lebt (siehe zu diesem Aspekt das Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0194).
Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde in diesem Zusammenhang - wie erwähnt - vor, keine Erhebungen zur Frage des Bestehens eines Privat- und Familienlebens zu den leiblichen Kindern und zu deren Mutter bzw. zur Frage, warum kein gemeinsamer Wohnsitz vorliege, vorgenommen zu haben. Anders als der Beschwerdeführer meint, war die belangte Behörde aber ohne entsprechendes Vorbringen, es bestünden ungeachtet der fehlenden Haushaltsgemeinschaft enge persönliche Bindungen zu seinen Kindern, nicht dazu angehalten, aus eigenem Erhebungen zu diesen Fragen vorzunehmen.
Die Feststellungen im angefochtenen Bescheid betreffend die fehlenden beruflichen Bindungen und den Mangel an einer Kranken- und Sozialversicherung wurden nicht bestritten. Es ist somit nicht erkennbar, welche die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers verstärkenden Verfahrensergebnisse bei ergänzenden Ermittlungen erzielt werden hätten sollen. Die Beschwerde legt somit die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dar.
Soweit der Beschwerdeführer wiederholt darauf verweist, dass ihm erst im Jahr 2005 ein Reisepass ausgestellt worden sei, weshalb seine im Jahr 2001 getätigte Aussage, er verfüge über kein Reisedokument, nicht zu beanstanden sei, gehen diese Ausführungen schon deshalb ins Leere, weil die diesbezügliche Aussage des Beschwerdeführers, auf die sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid bezieht, nicht aus dem Jahr 2001, sondern vom Oktober 2008 stammt.
Die belangte Behörde durfte aber vor allem auch berücksichtigen, dass sich der Beschwerdeführer nicht nur jahrelang unrechtmäßig in Österreich aufgehalten hat, sondern auch seiner Meldepflicht nicht nachgekommen ist.
Angesichts dieser Umstände ist der belangten Behörde nicht entgegenzutreten, wenn sie zwar einen beachtlichen Eingriff in die durch Art. 8 EMRK geschützten Rechte des Beschwerdeführers anerkannte, die daraus resultierenden persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet aber nicht als höher einstufte als das Interesse der Allgemeinheit an seiner Ausreise. Ein Widerspruch, wie in der Beschwerde behauptet, kann darin nicht erblickt werden.
Angesichts der - auf das Wesentliche zusammengefasst - wiedergegebenen Ausführungen der belangten Behörde kann auch nicht erkannt werden, dass der angefochtene Bescheid - wie die Beschwerde meint - nicht ausreichend begründet sei.
Die Beschwerde erweist sich daher als unberechtigt und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
TAAAE-67519