VwGH vom 25.02.2010, 2009/16/0254

VwGH vom 25.02.2010, 2009/16/0254

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2009/16/0255 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/2172-W/09, betreffend Grunderwerbsteuer (mitbeteiligte Partei: H M, E), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der Mitbeteiligte und seine Ehefrau schlossen am einen Kaufvertrag über den Erwerb eines geförderten Wohnungseigentumsobjektes. Laut Punkt III. des Kaufvertrages betrage der Kaufpreis EUR 3.850,64. Gemäß Punkt IV. verpflichteten sich die Käufer zur Übernahme eines anteiligen Darlehensrests sowie zur Bezahlung eines "Finanzierungsbeitrages (Grund- und Baukostenbeitrag)".

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien gegenüber dem Mitbeteiligten Grunderwerbsteuer für den oben angeführten Rechtsvorgang mit dem Betrag von EUR 319,41 fest. Die Gegenleistung ermittelte die Abgabenbehörde erster Instanz mit dem Kaufpreis im Betrag von EUR 1.925,32 sowie mit einer (abgezinsten) übernommenen Verbindlichkeit im Betrag von EUR 7.200,56.

Im Zuge weiterer Ermittlungen über den Finanzierungskostenbeitrag bezifferte die Verkäuferin diesen mit dem Betrag von EUR 151.460,92.

Hierauf sprach die Abgabenbehörde erster Instanz mit ihrem Bescheid vom gegenüber dem Mitbeteiligten wie folgt ab:

"GRUNDERWERBSTEUERBESCHEID

Aufhebung gemäß § 299 BAO

Betrifft:

...

Der Bescheid vom wird aufgehoben.

Die Auswirkungen der Bescheidaufhebung auf Ihr Abgabenkonto entnehmen Sie bitte der beiliegenden Buchungsmitteilung.

Begründung:

Die Aufhebung des ggst. Grunderwerbsteuerbescheides erfolgt

aufgrund Rechtswidrigkeit des Spruches.

In der Folge ergeht eine neue Sachentscheidung.

Rechtsmittelbelehrung:

..."

Mit einem weiteren Bescheid vom setzte die Abgabenbehörde erster Instanz gegenüber dem Mitbeteiligten die Grunderwerbsteuer für den oben angeführten Rechtsvorgang mit EUR 3.626,04 fest. Begründend führte dieser Bescheid aus, Gegenleistung seien sämtliche Leistungen des Erwerbers. Der geleistete Finanzierungsbeitrag sei in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen gewesen.

Gegen den "Grunderwerbsteuerbescheid vom " erhob der Mitbeteiligte in seiner Eingabe vom Berufung, in der er sich gegen die Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer wandte: Es wäre bei der Festsetzung der Bemessungsgrundlage einerseits das Wohnbauförderungsdarlehen nur abgezinst und andererseits der Finanzierungsbeitrag nicht einzurechnen gewesen. Er beantrage - abgesehen von der Aussetzung des in Streit stehenden Betrages - die Abänderung des "Grunderwerbsteuerbescheides vom " dahingehend, dass die Grunderwerbsteuer ausgehend von einer aus Bar-Kaufpreis und übernommenen Wohnbauförderungsdarlehen berechneten Gegenleistung festgesetzt werde.

Die Abgabenbehörde erster Instanz wies mit ihrem Bescheid (Berufungsvorentscheidung) vom diese Berufung gegen den Bescheid vom als unbegründet ab, weil sie sich - so die wesentliche Begründung - dem Einwand des Mitbeteiligten gegen die Ermittlung der Bemessungsgrundlage nicht anschließen könne.

In seiner Eingabe vom beantragte der Mitbeteiligte die Entscheidung über seine Berufung gegen den Grunderwerbsteuerbescheid vom durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Mit dem angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde den Bescheid vom gemäß § 289 Abs. 2 BAO auf. Begründend erwog sie nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens (Schreibung im Original):

"Vorweg ist festzuhalten, dass die Abgabenbehörde zweiter Instanz gemäß § 289 Abs. 2 BAO, außer in den Fällen des Abs. 1 leg. cit. immer in der Sache selbst zu entscheiden hat. ... Diese Änderungsbefugnis gilt somit auch in Bezug auf verfahrensrechtliche Belange.

Nun liegt es im Ermessen der Abgabenbehörde erster Instanz nach § 299 Abs. 1 BAO auf Antrag der Partei oder von Amts wegen, einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufzuheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist. Mit dem aufhebenden Bescheid ist, der Anordnung des § 299 Abs. 2 leg. cit. zu Folge - der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid zu verbinden.

Den Gesetzesmaterialien zum Abgabenänderungsgesetz 2003 ... ist zu entnehmen, dass die Bestimmung des § 299 Abs. 2 BAO dem Vorbild der für die Wiederaufnahme des Verfahrens geltenden Bestimmung des § 307 Abs. 1 BAO nachgebildet ist ... Durch die Verbindung bzw. Verknüpfung des Aufhebungsbescheides mit der (neuen) Sachentscheidung, ist die abschließende Erledigung des wieder 'offenen' Abgabenverfahrens gewährleistet. Dadurch ist sichergestellt, dass es nach der Anordnung der Bescheidaufhebung gemäß § 299 Abs. 1 BAO und dem (neuerlichen) sachlichen Abschluss des Abgabenverfahrens keine zeitliche Differenz und somit auch keinen bescheidlosen Zeitraum geben kann.

Die Aufhebung nach § 299 Abs. 1 BAO setzt die eindeutige (vorherige) Klärung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes voraus sowie die Gewissheit der Rechtswidrigkeit und verlangt - quasi als Absicherung dafür - die Verbindung des neuen Sachbescheides (soweit einer zu erlassen ist) mit dem Aufhebungsbescheid.

Im gegenständlichen Fall hob das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien die am erlassenen und in Rechtskraft erwachsenen Grunderwerbsteuerbescheide mit Bescheiden vom auf. Der neuerliche Sachbescheid erging erst am . Damit aber hat das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien dem Gebot der Unmittelbarkeit der Erlassung des neuen Sachbescheides mit der Aufhebung des vorherigen - denn der bloße Hinweis im Aufhebungsbescheid, dass in der Zukunft ein neuer Sachbescheid ergehen wird reicht nicht aus - nicht Rechnung getragen, weshalb sich der gegenständlichen Bescheid aus verfahrensrechtlichen Gründen als rechtswidrig erweist."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde der Abgabenbehörde erster Instanz, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes beantragt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die vorliegende Amtsbeschwerde folgt vorerst der Ansicht der belangten Behörde, dass die Bestimmung des § 299 Abs. 2 BAO dem Vorbild der für die Wiederaufnahme des Verfahrens geltenden Bestimmung des § 307 Abs. 1 BAO nachgebildet wäre. Nach der dazu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei die Auffassung, dass ein in einem wiederaufgenommenen Abgabenverfahren ergangener Abgabenbescheid aus dem Grund des § 307 Abs. 1 BAO dann rechtswidrig sei, wenn er nicht gleichzeitig mit dem die Wiederaufnahme des Verfahrens verfügenden Bescheid erginge, verfehlt. Dass der Aufhebungsbescheid und die neue Sachentscheidung nicht gleichzeitig ergangen seien, habe seine Ursache im "EDV-Verfahren". Da in den zentralen Anwendungen eine kombinierte Bescheiderlassung nicht möglich gewesen sei, habe erst nach Verarbeitung des Aufhebungsbescheides der gesondert ausgefertigte neue Sachbescheid ergehen können.

§ 299 BAO lautet in der im Beschwerdefall zur Anwendung gelangenden Fassung durch das Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz, BGBl. I Nr. 97/2002 - AbgRmRefG, Abs. 1 in der Fassung durch das Abgabenänderungsgesetz 2003, BGBl. I Nr. 124, Abs. 2 idF des AbgVRefG, BGBl. I Nr. 20/2009:

"§ 299. (1) Die Abgabenbehörde erster Instanz kann auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist.

(2) Mit dem aufhebenden Bescheid ist der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid zu verbinden. Dies gilt nur, wenn dieselbe Abgabenbehörde zur Erlassung beider Bescheide zuständig ist.

(3) Durch die Aufhebung des aufhebenden Bescheides (Abs. 1) tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor der Aufhebung (Abs. 1) befunden hat."

Die belangte Behörde hatte im Beschwerdefall bereits § 299 Abs. 2 BAO idF des AbgVRefG anzuwenden. Für die belangte Behörde selbst, die in der Sache über die Berufung gegen den Sachbescheid (Grunderwerbsteuerbescheid vom ) gemäß § 289 BAO zu entscheiden hatte, galt zufolge des § 299 Abs. 2 zweiter Satz BAO die Anordnung des § 299 Abs. 2 erster Satz leg. cit. nicht, denn der aufhebende Bescheid vom stammt vom Finanzamt und somit nicht von derselben Behörde wie der von der belangten Behörde zu erlassende Sachbescheid (der den rechtswidrigen Bescheid des Finanzamtes vom ersetzende Bescheid über die im Instanzenzug vorzunehmende Festsetzung der Grunderwerbsteuer).

Die belangte Behörde hätte daher der Berufung ganz oder teilweise Folge geben oder sie abweisen und jedenfalls die Grunderwerbsteuer im Instanzenzug festsetzen müssen.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am