VwGH vom 26.01.2011, 2007/13/0131

VwGH vom 26.01.2011, 2007/13/0131

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde der W GmbH in B, vertreten durch die EWB Revisions- und Treuhand GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 1030 Wien, Traungasse 14, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ. RV/0995-W/07, betreffend Widerruf einer Aussetzung der Einhebung von Abgabenschulden nach § 212a BAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.286,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten liegt ein Bescheid des Finanzamtes vom ein, mit dem der Beschwerdeführerin gegenüber die "Bewilligung der Aussetzung der Einhebung gem. § 212a BAO betreffend insgesamt EUR 5.181.875,96" widerrufen wurde.

Das Finanzamt begründete den Widerruf der Aussetzung der Einhebung damit, dass Feststellungen getroffen worden seien, in denen ein auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgaben gerichtetes Verhalten zu erkennen sei. Da dies "eine Änderung der bisherigen Verhältnisse" bewirkt habe, sei die Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO zu widerrufen gewesen. Unter "Feststellungen" führte das Finanzamt im Wesentlichen aus, dass die Beschwerdeführerin an der bekannt gegebenen "Firmenadresse" nicht "auffindbar" gewesen sei. Die im Firmenbuch angegebene Adresse sei die Wohnadresse des Geschäftsführers. Nach Angaben des Geschäftsführers sei bis dato keine Geschäftstätigkeit an der dem Finanzamt bekannt gegebenen Adresse erfolgt "und ist im Jahr 2006 keine Geschäftstätigkeit durchgeführt worden". Es werde der Ausgang des Finanzverfahrens abgewartet, erst dann erfolge die Entscheidung, "ob die Firma ihre Geschäftstätigkeit wieder aufnimmt". Nach der vorläufigen Gewinn- und Verlustrechnung sowie der vorläufigen Bilanz zum seien lediglich sonstige Erträge in Höhe von rund 9.600 EUR erwirtschaftet worden; das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit weise einen negativen Gesamtbetrag in Höhe von rund 28.000 EUR aus. Aus diesem Sachverhalt sei zu schließen, dass die Beschwerdeführerin "ein Verhalten an den Tag legt, das darauf abzielt, bis zum Ausgang der Berufungsverfahren nicht als Eigentümer von Betriebsvermögen aufzuscheinen sowie keinerlei Tätigkeiten zu entwickeln, aus denen Forderungen entstehen könnten". Dies sei als ein auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgaben gerichtetes Verhalten zu werten.

In der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung machte die Beschwerdeführerin geltend, dass die gegen die Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 1995 bis 2000 sowie gegen die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1995 bis 2001 und die Bescheide betreffend die Wiederaufnahme der Verfahren erhobene Berufung nach Lage des Falles keineswegs wenig erfolgversprechend sei. Entgegen den Ausführungen in der Bescheidbegründung habe die Beschwerdeführerin kein auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgaben gerichtetes Verhalten gesetzt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung nach Durchführung einer Berufungsverhandlung als unbegründet ab.

Im Erwägungsteil des angefochtenen Bescheides hielt die belangte Behörde fest, auf § 294 Abs. 1 lit. a BAO gestützte Maßnahmen setzten voraus, dass sich die tatsächlichen, für die Bescheiderlassung maßgeblichen Verhältnisse geändert hätten. Dabei habe die Behörde die Aufgabe, die Verhältnisse im Zeitpunkt der Erlassung des Bewilligungsbescheides und im Zeitpunkt der Erlassung des Widerrufsbescheides festzustellen, um durch Vergleich der Feststellungen erkennen zu können, ob eine Änderung eingetreten sei oder nicht. "War die auf Gefährdung der Einbringlichkeit gerichtete Einstellung des Abgabepflichtigen bereits vorhanden und sein Verhalten darauf gerichtet, wäre eine bewilligte Aussetzung nicht widerrufbar, es sei denn, dass das Vorhandensein dieses Sachverhaltes auf Grund unrichtiger oder irreführender Angaben nicht anzunehmen war".

Im Beschwerdefall sei die Aussetzung der Einhebung mit Bescheiden vom , sowie bewilligt worden (Anmerkung: Ausfertigungen dieser Bescheide sind in den vorgelegten Verwaltungsakten nicht enthalten). Anlässlich einer am vom Finanzamt durchgeführten Nachschau habe sich u.a. herausgestellt, dass sich an der im Firmenbuch angegebenen Adresse die Wohnadresse des Geschäftsführers befinde. Nach dessen Angaben sei im Jahr 2006 überhaupt keine Geschäftstätigkeit ausgeübt worden, weil der Ausgang des Finanzverfahrens abgewartet werde. Dies bedeute aber nichts anderes, als dass die Beschwerdeführerin "im Falle des Unterliegens der Abgabenbehörde mangels Vermögens und Einkünften die Möglichkeit der Einbringung der festgesetzten Abgaben nimmt". "Dass diese de facto Einstellung des Geschäftsbetriebes schon infolge des daraus resultierenden Wegfalls der Einkünfte objektiv geeignet war, die Einbringlichkeit der Abgaben zu gefährden, da sich die (Beschwerdeführerin) nämlich ihrer Einkunftsquelle begeben hat, berechtigte das Finanzamt zu der Schlussfolgerung, dass sich die tatsächlichen, für die Bescheiderlassung maßgeblichen Verhältnisse - kein auf Gefährdung gerichtetes Verhalten des Abgabepflichtigen - geändert haben".

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach § 212a Abs. 2 lit. c BAO ist eine Aussetzung der Einhebung dann nicht zu bewilligen, wenn das Verhalten des Abgabepflichtigen auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtet ist.

Die Wirkung der Aussetzung endet u.a. mit ihrem Widerruf nach den Bestimmungen des § 294 BAO (vgl. § 212a Abs. 5 zweiter Satz BAO).

Nach § 294 Abs. 1 BAO ist eine Änderung oder Zurücknahme eines Bescheides, der Begünstigungen, Berechtigungen oder die Befreiung von Pflichten betrifft, nur zulässig, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse geändert haben, die für die Erlassung des Bescheides maßgebend gewesen sind (lit. a), oder wenn das Vorhandensein dieser Verhältnisse auf Grund unrichtiger oder irreführender Angaben zu Unrecht angenommen worden ist (lit. b).

Die Begründung eines Bescheides muss nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zur Ansicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , 99/13/0200).

Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid offenbar davon ausgegangen, dass der Tatbestand der lit. a des § 294 Abs. 1 BAO den Widerruf der gemäß § 212a BAO bescheidmäßig zuerkannten Aussetzung der Einhebung gerechtfertigt habe, weil durch die "de facto" Einstellung des Geschäftsbetriebes eine relevante Änderung der Verhältnisse in Bezug auf ein auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgaben gerichtetes Verhalten im Sinne des § 212a Abs. 2 lit. c BAO eingetreten sei.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid zwar grundsätzlich richtig erkannt, dass ein Widerruf nach § 294 BAO auch die Feststellung der tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Erlassung des Bewilligungsbescheides voraussetzt. In Bezug auf die von ihr gesehenen Gefährdungshandlungen durch Einstellung des Geschäftsbetriebes (wobei im Jahr 2006 überhaupt keine Geschäftstätigkeit ausgeübt worden sei) hat sie allerdings keine Feststellungen darüber getroffen, wie sich die für die Bewilligung der Aussetzung nach § 212a BAO relevanten Verhältnisse im Zeitpunkt der Erlassung der Aussetzungsbescheide dargestellt haben, wobei vor allem ins Gewicht fällt, dass zuletzt offenbar mit einem Bescheid vom eine Aussetzung bewilligt worden war.

Schon wegen dieser Feststellungsmängel war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne dass auf das Beschwerdevorbringen - das sich u. a. auch gegen die von der belangen Behörde angenommene Änderung der Verhältnisse wendet - näher einzugehen war. Von der beantragen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am