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VwGH vom 31.05.2012, 2011/23/0649

VwGH vom 31.05.2012, 2011/23/0649

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des S in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/153.052/2008, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, reiste am illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag.

Am heiratete der Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerin R. In der Zeit von bis war er mit seiner Ehefrau in der gemeinsamen Wohnung in 1170 Wien gemeldet, danach jeweils an anderen Adressen in 1020 Wien bzw. 1200 Wien. Am wurde das Asylverfahren des Beschwerdeführers rechtskräftig negativ abgeschlossen.

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom wies die Bundespolizeidirektion Wien den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus. Der dagegen erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid mit der Maßgabe, dass sich die Ausweisung auf § 87 in Verbindung mit § 86 Abs. 2 FPG stütze.

Einleitend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer als Ehegatte einer österreichischen Staatsbürgerin Familienangehöriger im Sinn des § 2 Abs. 4 Z 12 FPG sei. Die Erlassung einer Ausweisung sei daher gemäß § 87 in Verbindung mit § 86 Abs. 2 FPG nur zulässig, wenn dem Beschwerdeführer aus den Gründen des § 55 Abs. 1 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) das Niederlassungsrecht fehle. Da sich der Beschwerdeführer nach dem rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren im Sinn des § 53 Abs. 1 FPG ohne Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufhalte, seien die Voraussetzungen zur Erlassung einer Ausweisung, auch im Hinblick auf das Fehlen eines Niederlassungsrechts, gegeben.

In Ansehung des § 66 FPG verwies die belangte Behörde auf die Ehe des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsbürgerin sowie auf seine Erwerbstätigkeit und anerkannte deshalb einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben. Die aus seiner Ehe ableitbaren Interessen des Beschwerdeführers seien aber als relativiert anzusehen, weil seit längerem kein gemeinsamer Wohnsitz mit seiner Ehefrau mehr vorliege und der Beschwerdeführer selbst ein gemeinsames Familienleben mit ihr nicht behauptet habe. Weiters ergebe sich aus dem Akteninhalt - basierend auf einem Bericht der Bundespolizeidirektion Wien vom - der massive Verdacht des Bestehens einer Aufenthaltsehe. Selbst wenn aber zu irgendeiner Zeit ein gemeinsames Familienleben bestanden habe sollte, könne berechtigt davon ausgegangen werden, dass ein solches nunmehr seit erheblicher Zeit nicht mehr vorliege. Hinsichtlich der beruflichen Integration verwies die belangte Behörde darauf, dass der Beschwerdeführer nur durch seine Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt erlangt hätte. Darüber hinaus weise der Versicherungsdatenauszug zwar Versicherungszeiten ab dem , aber auch eine Vielzahl von Arbeitgebern auf und es gebe zahlreiche Unterbrechungen, in denen der Beschwerdeführer als arbeitssuchend bzw. als Bezieher von Arbeitslosengeld registriert gewesen sei. Schließlich sei noch zu beachten, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers nur auf Grund einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz rechtmäßig gewesen sei.

Der Beschwerdeführer habe die den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, deren Befolgung aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der geordneten Abwicklung des Fremdenwesens ein sehr hoher Stellenwert zukomme, in äußerst gravierender Weise missachtet, weil er sich bereits lange Zeit ohne Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufhalte und längst ausreisen hätte müssen. Im Hinblick darauf seien allfällige private und familiäre Interessen an einem Verbleib in Österreich jedenfalls nicht höher zu bewerten als das Interesse der Allgemeinheit an seiner Ausreise aus dem Bundesgebiet. Die Erlassung der Ausweisung sei somit dringend geboten und zulässig im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG. Besondere Umstände, die zu einer Abstandnahme von der Ausweisung im Rahmen der Ermessensübung hätten führen müssen, seien nicht ersichtlich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei um die im Mai 2008 geltende Fassung.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Rechtsgrundlage für die Ausweisung unrechtmäßig aufhältiger Familienangehöriger von Österreichern, die (wie im vorliegenden Fall) ihr unionsrechtlich zustehendes Freizügigkeitsrecht nicht in Anspruch genommen haben, nicht § 86 Abs. 2 in Verbindung mit § 87 FPG, sondern § 53 Abs. 1 FPG (siehe etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0126, mwN). Gemäß § 53 Abs. 1 FPG können Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Unstrittig ist, dass das Asylverfahren des Beschwerdeführers rechtskräftig negativ abgeschlossen ist und ihm bisher kein Aufenthaltstitel erteilt wurde. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers führt aber weder die Ehe mit einer Österreicherin für sich allein noch ein anhängiges Verfahren betreffend die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes. Die belangte Behörde ist somit der Sache nach zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen zur Erlassung einer Ausweisung nach § 53 Abs. 1 FPG wegen des Fehlens eines Aufenthaltstitels gegeben seien.

Wird durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Die Ausweisung darf nach dem - auch bei Ausweisungen gemäß § 53 Abs. 1 FPG zu beachtenden (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0348, Punkt 2.3.2.) - § 66 Abs. 2 FPG jedenfalls nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen (Z 1) und auf die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen (Z 2) Bedacht zu nehmen. Bei der Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt.

Der Beschwerdeführer verweist in diesem Zusammenhang auf seine erheblichen Bindungen "nach über vier Jahren" Aufenthalt in Österreich, insbesondere auf seine berufliche Integration und auf seine nach wie vor aufrechte Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde aber keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Weder der zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nur etwas über dreieinhalb Jahre andauernde Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet noch seine Erwerbstätigkeit stellen für sich genommen so außergewöhnliche Umstände dar, dass unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK von einer Ausweisung hätte Abstand genommen und akzeptiert werden müssen, dass der Beschwerdeführer mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt vollendete Tatsachen zu schaffen.

An dieser Einschätzung kann im vorliegenden Fall aus folgenden Gründen auch der Umstand der aufrechten Ehe des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsbürgerin nichts ändern: Bereits die Bundespolizeidirektion Wien stellte im erstinstanzlichen Bescheid fest, dass der Beschwerdeführer mit seiner Ehefrau seit längerer Zeit nicht im gemeinsamen Haushalt wohne. Dieser Feststellung trat der Beschwerdeführer in seiner Berufung nicht konkret entgegen, sondern er verwies lediglich auf den Umstand der Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin und er rügte die unterbliebene Einvernahme seiner Ehefrau. Die belangte Behörde verwies ergänzend zu den Ausführungen der erstinstanzlichen Behörde auf einen im Akt liegenden "Erhebungsbericht" der Bundespolizeidirektion Wien vom , dem zufolge mit Sicherheit anzunehmen sei, dass es sich bei der Ehe zwischen dem Beschwerdeführer und R. um eine sogenannte "Aufenthaltsehe" handle. Ungeachtet dieses Hinweises ließ die belangte Behörde die Frage des Bestehens einer Aufenthaltsehe aber letztlich offen und stellte lediglich fest, dass der Beschwerdeführer seit dem nicht mehr an derselben Adresse wie seine Ehefrau gemeldet sei und somit ein Familienleben nunmehr seit erheblicher Zeit nicht mehr vorliege. Darüber hinaus habe auch der Beschwerdeführer ein Familienleben mit seiner Ehefrau nicht behauptet. Der Beschwerdeführer verweist in seiner Beschwerde zwar auf seine aufrechte Ehe sowie auf die eminente Bindung an seine Ehefrau und spricht im Zusammenhang mit einer Rüge der Verletzung des Parteiengehörs von "angeblich getrennten" Wohnsitzen. Allerdings behauptet er damit weder, mit seiner Ehefrau im gemeinsamen Haushalt zu leben, noch legt er dar, auf Grund welcher Umstände die belangte Behörde ungeachtet getrennter Wohnsitze von einem Familienleben zwischen ihm und seiner Ehefrau ausgehen hätte müssen. Vor diesem Hintergrund kann der belangten Behörde aber nicht entgegengetreten werden, wenn sie die aus der Ehe des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsbürgerin ableitbaren Interessen des Beschwerdeführers als entsprechend relativiert angesehen hat (vgl. zum Aspekt des fehlenden gemeinsamen Wohnsitzes auch das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0401).

Die belangte Behörde hat auch zutreffend den hohen Stellenwert der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften betont und ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer dieses öffentliche Interesse durch seinen mehrjährigen unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gravierend missachtet hat. Der Beschwerde kann somit nicht beigetreten werden, wenn sie vermeint, es sei nicht dargetan worden, worin die Gefahr für die öffentlichen Interessen im Fall eines Verbleibs des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu erblicken sei. Zusammenfassend ist es somit nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass die belangte Behörde kein Überwiegen der persönlichen Interessen des sich erst seit etwa dreieinhalb Jahren in Österreich aufhaltenden Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet gegenüber den öffentlichen Interessen an der Beendigung seines Aufenthalts angenommen und die Erlassung der Ausweisung für zulässig erachtet hat.

Soweit der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde hätte ihm die Erhebungsergebnisse betreffend den Versicherungsdatenauszug bzw. die getrennten Wohnsitze nicht vorgehalten, ist ihm zu erwidern, dass er die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels in keiner Weise darlegt. Darüber hinaus hat - wie bereits ausgeführt - schon die erstinstanzliche Behörde festgestellt, dass der Beschwerdeführer mit seiner Ehefrau seit längerer Zeit nicht im gemeinsamen Haushalt wohne. Der Beschwerdeführer hatte im Verwaltungsverfahren somit ausreichend Gelegenheit, sich zu diesem Umstand zu äußern.

Schließlich rügt der Beschwerdeführer noch unkonkret die Ermessensübung durch die belangte Behörde, er zeigt aber damit keine ausreichenden Gründe auf, wonach sie nicht im Sinn des Gesetzes erfolgt wäre. Es kann auch nicht erkannt werden, dass der angefochtene Bescheid - wie die Beschwerde vermeint - in diesem Zusammenhang nicht ausreichend begründet sei.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
DAAAE-67491