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VwGH vom 24.02.2010, 2007/13/0128

VwGH vom 24.02.2010, 2007/13/0128

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Fuchs und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 in 1220 Wien, Dr. Adolf Schärf-Platz 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ. RV/1797-W/07, betreffend Gewährung der Familienbeihilfe ab (mitbeteiligte Partei: M in W, vertreten durch die Hornek Hubacek Lichtenstrasser Rechtsanwälte OEG in 1010 Wien, Getreidemarkt 18/11-12), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von 1.106,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt einen Antrag der Mitbeteiligten, einer italienischen Staatsangehörigen, vom auf Gewährung der Familienbeihilfe ab Juni 2006 für ihren am geborenen Sohn mit der Begründung ab, eine Person, die zu Ausbildungs- bzw. Studienzwecken nach Österreich komme, verfüge "wegen mangelnder Anbindung an Österreich lediglich über einen vorübergehenden Aufenthalt im Bundesgebiet für die Zeit des Studiums, unabhängig davon wie lange es letztendlich dauert". Deshalb bestehe für die Beschwerdeführerin und "ihre etwaige Kinder" kein Anspruch auf Familienbeihilfe. Ausnahmen seien lediglich bei einer intensiven Anbindung an Österreich, die "etwa durch die Heirat mit einem in Österreich lebenden österreichischen Staatsbürger und anschließendem gemeinsamen Existenzaufbau zum Ausdruck kommt, möglich".

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid Folge (der Bescheid erster Instanz betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe wurde unter einem aufgehoben).

Folgende Tatsachen seien - so die belangte Behörde im Erwägungsteil des angefochtenen Bescheides - für die Entscheidungsfindung, ob der Mitbeteiligten ab Familienbeihilfe für ihren Sohn zustehe, maßgebend:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
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Die (Beschwerdeführerin) ist italienische Staatsbürgerin.
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Sie kam 1996 zu Studienzwecken nach Österreich.
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Sie beendete das Studium im November 2006.
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Lt. dem im Akt erliegenden Versicherungsdatenauszug war die (Beschwerdeführerin) seit bis laufend in Österreich erwerbstätig.
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Am kam Sohn M. zur Welt.
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Der Kindesvater ist österreichischer Staatsbürger, arbeitet aber in London und kommt in etwa zweiwöchigem Abstand nach Hause in die gemeinsame Wohnung.
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Die (Beschwerdeführerin) besucht ihre Familie in Italien etwa dreimal im Jahr und erhält von dort keinerlei Unterhaltszahlungen."
Da sowohl Italien als auch Österreich Mitgliedstaaten der Europäischen
Union seien, sei die Verordnung EWG Nr. 1408/71 vom zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, anwendbar. Aus dem vorliegenden Versicherungsdatenauszug der Sozialversicherung ergebe sich, dass die Mitbeteiligte in Österreich sozialversichert "war bzw. ist" und daher aus diesem Grund die genannte Verordnung auf sie anzuwenden sei, unabhängig von der Frage, ob sie im berufungsgegenständlichen Zeitraum auch Studentin gewesen sei. Die Familienbeihilfe falle auch unter den Begriff der "Familienleistungen" im Sinne dieser Verordnung.
Gemäß §
2 Abs. 8 FLAG hätten Personen nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Eine Person habe den Mittelpunkt der Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen habe. Obwohl die Mitbeteiligte mit dem Vater ihres Kindes nicht verheiratet sei, sei nach Auffassung der belangten Behörde von einem Überwiegen jener Umstände auszugehen, die für einen Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in Österreich sprächen. So halte sie sich bereits seit 1996 in Österreich auf und habe hier das Studium "begonnen und beendet". Der Vater des Kindes sei Österreicher und verbringe trotz Beschäftigung im Ausland in regelmäßigen Abständen die Wochenenden mit seiner Familie. Es sei daher davon auszugehen, dass die Mitbeteiligte über ausreichend soziale Kontakte in Österreich verfüge. Die Beziehung zu ihrem Herkunftsland Italien beschränke sich auf etwa dreimalige Besuche im Jahr. Die Auffassung des Finanzamtes, dass der Bezug von Familienbeihilfe für Studenten ausgeschlossen sei, weil sich diese nur vorübergehend in Österreich aufhielten, sei in dieser Allgemeinheit nicht zutreffend. Die Mitbeteiligte sei im Zeitraum Juni bis November 2006 zwar noch Studentin gewesen, die Umstände, die für den Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich sprächen, seien jedoch unzweifelhaft gegeben. Nach Ansicht der belangten Behörde stehe daher der Mitbeteiligten die Familienbeihilfe ab Juni 2006 "bis laufend" zu.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen vom Finanzamt gemäß § 292 BAO erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung von Gegenschriften sowohl durch die belangte Behörde als auch die mitbeteiligte Partei in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 8 FLAG 1967 idF BGBl. I Nr. 100/2005 haben Personen nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.

Die Amtsbeschwerde macht inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend und bringt dazu in der Hauptsache vor, dass ein Aufenthalt zu Studienzwecken "niemals ein ständiger und von Anfang an als begrenzt zu betrachten" sei und zur Beurteilung des Mittelpunktes der Lebensinteressen "das Vorhandensein von Existenzmitteln und deren Herkunft ein wesentliches Beurteilungskriterium" sei (im Beschwerdefall stammten die "Existenzmittel" der Mitbeteiligten, abgesehen von ihren Einkünften aus - zeitweise - geringfügiger Beschäftigung, aus Unterhaltleistungen der Eltern und freiwilligen Unterhaltsleistungen des Kindesvaters, der seinen Hauptwohnsitz im Ausland habe).

Demgegenüber hat der Verwaltungsgerichtshof etwa in den Erkenntnissen vom , 2008/15/0325, und vom , 2008/13/0218, auf deren Gründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, ausgesprochen, dass ein Aufenthalt zu Studienzwecken im Bundesgebiet die Beurteilung nicht ausschließt, der Studierende habe den Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom , 2009/16/0114). Dass bei der stärksten persönlichen Beziehung zu Österreich die Abhängigkeit von Alimentationszahlungen eines nicht in Österreich lebenden Angehörigen nicht ausschlaggebend ist, hat der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls bereits mehrmals zum Ausdruck gebracht (vgl. z.B. das bereits zitierte Erkenntnis vom , sowie weiters die hg. Erkenntnisse vom , 89/14/0054, und vom , 2007/13/0129).

Der Amtsbeschwerde gelingt es damit schon von daher nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid festgestellt, dass die Mitbeteiligte seit 1996 in Österreich lebe (hier auch seit 2004 Erwerbstätigkeiten nachgegangen sei) und der Vater des im Haushalt der Mitbeteiligten lebenden Kindes Österreicher sei und trotz Beschäftigung im Ausland in regelmäßigen Abständen die Wochenenden mit seiner Familie verbringe. Die Beziehung der Beschwerdeführerin zu ihrem Herkunftsland Italien beschränke sich auf etwa dreimalige Besuche im Jahr. Weshalb bei dieser Sachlage die persönliche Bindung der Mitbeteiligten an Österreich zweifelhaft sei, "da der Kindesvater sich hauptsächlich in England aufhält und die Eltern in Italien leben", macht die Beschwerde nicht einsichtig. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen auch dann in Österreich liegen kann, wenn die Absicht besteht, Österreich nach einer gewissen Zeit wieder zu verlassen (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom ), und sich zudem aus dem Beschwerdevorbringen kein Staat ableiten lässt, zu dem engere Beziehungen der Mitbeteiligten iS des § 2 Abs. 8 FLAG 1967 bestehen würden als zu Österreich.

Die Amtsbeschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am