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VwGH vom 25.02.2010, 2009/16/0246

VwGH vom 25.02.2010, 2009/16/0246

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des SI in W, vertreten durch Dr. Lorenz E. Riegler, LL.M., Rechtsanwalt in 1040 Wien, Rilkeplatz 8, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ. RV/0421-W/09, betreffend Haftung für Abgaben, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer als ehemaliger Geschäftsführer der A GmbH im Instanzenzug gemäß § 9 iVm § 80 BAO zur Haftung für Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag und Kapitalertragsteuer (jeweils für 2007) und Kapitalertragsteuer (für Jänner 2008), in Höhe von insgesamt EUR 649.527,81 herangezogen. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei laut Firmenbuch vom bis der allein vertretungsbefugte handelsrechtliche Geschäftsführer der A GmbH gewesen. Die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten stehe auf Grund der Aufhebung des Konkursverfahrens mangels Kostendeckung (Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom ) und der am erfolgten amtswegigen Löschung der "Firma" wegen Vermögenslosigkeit fest.

Als Geschäftsführer der Primärschuldnerin sei der Beschwerdeführer verpflichtet gewesen, die verfahrensgegenständlichen Selbstbemessungsabgaben (Lohnabgaben und Kapitalertragsteuer) zu den jeweiligen gesetzlichen Fälligkeitstagen zu entrichten. Monatliche Zahlungen des Beschwerdeführers auf das Abgabenkonto und auch die von ihm in den Umsatzsteuervoranmeldungen offen gelegten Umsätze ließen auf das Vorhandensein liquider Mittel für eine zumindest teilweise Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten zu den jeweiligen Fälligkeitstagen schließen. Da der Beschwerdeführer eine quantitative Unzulänglichkeit der vorhandenen Mittel weder behauptet noch nachgewiesen habe, erweise sich die Haftungsinanspruchnahme für den vollen Betrag als rechtens.

Wenn der Beschwerdeführer im Rahmen seines Berufungsvorbringens eine schuldhafte Verletzung der ihm als Geschäftsführer auferlegten Verpflichtungen mit der Begründung in Abrede gestellt habe, dass er im Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben der eingeschalteten Wirtschaftstreuhandkanzlei die Abgabenerklärungen erstellt, die auf Grund dieser Erklärungen notwendigen Zahlungen vorgenommen und alle ihm bekannten Abgabenschuldigkeiten rechtzeitig bezahlt habe, so seien ihm die Feststellungen einer mit Bericht vom abgeschlossenen Betriebsprüfung sowie einer Lohnsteuerprüfung (Bericht vom ) entgegen zu halten. Darin sei die Verletzung abgabenrechtlicher Aufzeichnungs- und Offenlegungspflichten des Beschwerdeführers festgestellt worden, und zwar wie folgt:

Unter Textziffer 1 des Berichtes über das Ergebnis der Außenprüfung vom sei festgestellt worden, dass er die zur Kontrolle der Subunternehmerrechnungen erforderlichen Wochenberichte der einzelnen Baustellen unter Anführung der Arbeitszeiten der einzelnen Beschäftigten trotz Urgenzen und Zufristungen nicht habe vorlegen können. Überdies sei eine Kassenbuchführung bis Jänner 2008 im Betrieb unterblieben. Das Kassabuch sei erst im Zuge der Verbuchung der vom Unternehmen zur Verfügung gestellten Kassenbelege in der Steuerberatungskanzlei entstanden. Die tatsächlichen Geldbewegungen seien nicht zeitnah erfasst und "nachträglich Belege über Zahlungen an Subunternehmer abgesetzt" worden. Weiters habe auf Grund einer Kontrollmitteilung festgestellt werden können, dass von den fünf in dieser Kontrollmitteilung aufscheinenden Dienstnehmern kein einziger im Abrechnungszeitraum vorschriftsmäßig gemeldet ("entweder Person oder Versicherungsnummer nicht gefunden, Doppelmeldungen oder nicht gemeldet") gewesen sei.

Unter Textziffer 2 des genannten Berichtes über die Außenprüfung seien ca. 50 % des über Barzahlungen abgewickelten Aufwandes an Subunternehmer gewinnerhöhend hinzugerechnet und als verdeckte Gewinnausschüttung der Kapitalertragsteuer unterzogen worden. Grund dafür sei gewesen, dass der Beschwerdeführer keine ausreichenden Informationen über die während seiner Zeit als Geschäftsführer beschäftigten Subunternehmen habe geben können. Er habe sich auch über die in der Buchhaltung aufscheinenden Subunternehmen kaum informiert gezeigt und - trotz der hohen Geldbewegungen zu diesen Unternehmen - Kontaktpersonen nicht nennen können, weshalb die Plausibilität der Zahlungsflüsse an diese Personen nicht habe überprüft werden können.

Im Zuge der Prüfung der lohnabhängigen Abgaben seien seitens des Beschwerdeführers trotz mehrmaliger Aufforderungen keine Stundenlisten bzw. andere Aufzeichnungen vorgelegt worden. Auf Grund der Leistungsabrechnungen von Subfirmen unter Zugrundelegung eines ortsüblichen Stundensatzes von EUR 20,-- sei davon ausgegangen worden, dass die im Betriebsprüfungsbericht nicht anerkannten Zahlungen an vermeintliche Subunternehmer tatsächlich als Schwarzlohnzahlungen an Dienstnehmer erfolgt seien.

Entgegen dem Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers ließen sich aus der Aktenlage gravierende Anhaltspunkte für umfangreiche Verletzungen von Aufzeichnungs- und Offenlegungspflichten durch den Beschwerdeführer ableiten. Sein die Haftung begründendes Verschulden, welches im Übrigen nicht durch die Abgabenbehörde nachzuweisen sei, sei ganz offenkundig darin zu sehen, dass er seiner steuerlichen Vertretung keine ordnungsgemäßen Grundaufzeichnungen und Belege für die Erstellung einer ordnungsgemäßen Buchhaltung und für die richtige Berechnung der von ihm abzuführenden Selbstbemessungsabgaben vorgelegt habe. In Anbetracht dieser erdrückenden Feststellungen der Betriebsprüfung habe sich der Beschwerdeführer, entgegen seinem Berufungsvorbringen, keinesfalls darauf verlassen können, dass die Abgaben zu den jeweiligen Fälligkeitstagen in voller Höhe abgeführt worden seien.

Wenn der Beschwerdeführer mit seinem Berufungsvorbringen, wonach er auf Grund der Betriebsprüfung mit Nachbelastungen konfrontiert worden sei und die A GmbH wegen finanzieller Schwierigkeiten gegen diese Schätzungen kein Rechtsmittel erhoben habe, die richtige Höhe der zu Grunde liegenden und ihm bekannten bescheidmäßigen Abgabenfestsetzungen in Frage stelle, so sei er auf die Bestimmung des § 248 BAO zu verweisen. Durch diese Bestimmung sei dem Haftenden ein Rechtszug gegen den Abgabenbescheid eingeräumt.

Unstrittig lägen den haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten bescheidmäßige Festsetzungen zu Grunde, gegen welche der Beschwerdeführer nach seinen eigenen Ausführungen wegen finanzieller Probleme der GmbH nicht mit Berufung vorgegangen sei, die ihm aber offensichtlich bekannt seien.

Die Abgabenbehörde erster Instanz habe im angefochtenen Haftungsbescheid in Bezug auf die haftungsgegenständliche Lohnsteuer 2007 auf deren Ausnahme vom Gleichbehandlungsgrundsatz und auf die Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG zur Begründung der schuldhaften Pflichtverletzung des Beschwerdeführers verwiesen. Eine Ausnahme vom Gleichbehandlungsgrundsatz bestehe auch für die haftungsgegenständlichen Beträge an Kapitalertragsteuer 2007 und Jänner 2008, weil davon ausgegangen werden könne, dass im Zeitraum der zu Grunde gelegten verdeckten Gewinnausschüttungen die erforderlichen Mittel zur Entrichtung der eine Woche später fällig werdenden Kapitalertragsteuer vorhanden gewesen seien. Da bei schuldhafter Pflichtverletzung die Vermutung für eine Kausalität zwischen Pflichtverletzung und dem Abgabenausfall spreche und auch diesbezüglich keine Berufungseinwendungen vorgebracht worden seien, habe auch von dieser Haftungsvoraussetzung ausgegangen werden können. Ein Fehler bei der Ausführung des Ermessens durch die Abgabenbehörde erster Instanz bei der Haftungsinanspruchnahme des Beschwerdeführers sei nicht eingewendet worden. Ein solcher liege nach Ansicht der belangten Behörde auch nicht vor. Die Zweckmäßigkeitserwägung, dass die einzige Möglichkeit der Einbringung der Abgaben in der Haftungsinanspruchnahme des Beschwerdeführers liege, träte gegenüber den Billigkeitserwägungen (das persönliche Interesse des Beschwerdeführers nicht zur Haftung in Anspruch genommen zu werden und Eingriffe in das Vermögen nicht in Kauf nehmen zu müssen) in den Vordergrund.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht. Er erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid - immerhin erkennbar - in seinem Recht, nicht ohne Verschulden zur Haftung herangezogen zu werden, verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Nach § 80 Abs. 1 BAO haben u.a. die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Nach § 248 BAO kann der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Berufung gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 224 Abs. 1) innerhalb der für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid offen stehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch berufen.

Reichen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht aus, so hat er nach § 78 Abs. 3 EStG die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich war, widrigenfalls angenommen wird, dass die Pflichtverletzung schuldhaft war. Nur der Vertreter wird in der Regel jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung des Vertretenen haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht (vgl. beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/16/0092, mwN).

Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehört insbesondere, dafür zu sorgen, dass die Abgaben im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit entrichtet werden. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten der Abgaben handelsrechtlicher Geschäftsführer der A GmbH gewesen zu sein. Er wendet sich aber gegen die Feststellung einer schuldhaften Verletzung seiner Vertreterpflichten mit dem Vorbringen, er habe die Buchhaltung und Aufzeichnungen "nach den Ratschlägen" der Wirtschaftstreuhänderin, welche die A GmbH seit deren Gründung im August 2004 betreut gehabt habe, geführt. Von dieser habe er erfahren, dass in der Vergangenheit bereits mehrfach Prüfungen des Finanzamtes "ohne irgendeine wesentliche Nachforderung oder einem Vorhalt" stattgefunden hätten. Er räume lediglich "eine gewisse Schlampigkeit in der Führung des Kassabuches" ein.

Nach herrschender Rechtsprechung entbindet die Betrauung eines Steuerberaters mit der Wahrnehmung abgabenrechtlicher Pflichten den Vertreter nicht von seinen Pflichten. Sie kann ihn allerdings entschuldigen, wenn er im Haftungsverfahren Sachverhalte dartut, aus denen sich ableiten lässt, dass der Vertreter dem Steuerberater alle abgabenrechtlich relevanten Sachverhalte vorgetragen und sich von diesem über die vermeintliche Rechtsrichtigkeit der eingeschlagenen Vorgangsweise informieren hat lassen, ohne dass zu einem allfälligen Fehler des Steuerberaters hinzutretende oder von einem solchen Fehler unabhängige eigene Fehlhandlungen des Vertreters nach § 80 Abs. 1 BAO vorgelegen wären (vgl. beispielsweise das in der Beschwerde angeführte hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/14/0054).

Gerade davon ist aber im Beschwerdefall nicht auszugehen. Der Beschwerdeführer gesteht in seiner Beschwerde selbst die mangelhafte Führung des Kassabuches zu. Die Feststellung der verdeckten Gewinnausschüttung durch die Abgabenbehörde beruht auch nicht nur auf dem unbestrittenen Umstand, dass auch andere Aufzeichnungen nicht oder nicht ordnungsgemäß geführt worden seien, sondern auch darauf, dass der Beschwerdeführer gegenüber der Abgabenbehörde keine ausreichenden Auskünfte über die von der A GmbH angeblich beschäftigten Subunternehmen erteilen habe können. Daraus folgt aber, dass selbst ein allenfalls unrichtiger "Ratschlag" seiner Steuerberaterin über die Führung der Bücher und Aufzeichnungen den Beschwerdeführer nicht zu entschuldigen vermag. Sollte der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen völlige Unkenntnis in buchhalterischen und steuerrechtlichen Belangen geltend machen wollen, so ist ihm die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten, wonach auch eine solche Unkenntnis den Geschäftsführer einer GmbH nicht zu exkulpieren vermag. Dies gilt im Beschwerdefall auch ohne Rücksicht auf den Geburtsort des Geschäftsführers im Kosovo (vgl. in Bezug auf die Staatsangehörigkeit das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/15/0122, und die dort zitierte Vorjudikatur) oder dessen mangelhafte Kenntnisse der deutschen Sprache. Angesichts der von ihm nunmehr vorgebrachten Umstände hätten bei ihm nämlich schon anlässlich der Übernahme der Geschäftsführung zumindest Bedenken über die Erfüllbarkeit der mit dieser Stellung verbundenen Rechte und Pflichten entstehen müssen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/15/0081).

Dass § 78 Abs. 3 EStG 1988 rechtsirrig angewendet worden sei, wird in der Beschwerde lediglich behauptet, aber nicht begründet, sodass sich eine Auseinandersetzung mit diesem Vorbringen erübrigt.

Wenn sich der Beschwerdeführer gegen die Höhe der vom Finanzamt festgestellten verdeckten Gewinnausschüttung wendet, so ist er darauf hinzuweisen, dass diese nicht Gegenstand des Haftungsverfahrens ist, sondern des Abgabenverfahrens nach einer allfälligen Berufung gegen den an die Primärschuldnerin ergangenen Abgabenbescheid (§ 248 BAO).

Der Beschwerdeführer rügt zwar auch das von der belangten Behörde geübte Ermessen als fehlerhaft, unterlässt es aber darzustellen, auf welches von ihm im verwaltungsbehördlichen Verfahren erstattete Vorbringen die belangte Behörde nicht eingegangen wäre.

Somit ergibt sich bereits aus dem Beschwerdeinhalt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, weshalb die Beschwerde ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen war.

Damit erübrigt sich die Entscheidung der Berichterin über den Antrag des Beschwerdeführers, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am