VwGH vom 28.06.2012, 2009/16/0244

VwGH vom 28.06.2012, 2009/16/0244

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des Mag. L in W, vertreten durch Dr. Bernhard Eder, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Brucknerstraße 4, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom , Zl. ABK-255/08, betreffend Haftung für Vergnügungssteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom zog der Magistrat der Bundeshauptstadt Wien (im Folgenden: Magistrat) den Beschwerdeführer als Geschäftsführer der L GmbH für den im Zeitraum November 2002 bis Oktober 2005 entstandenen Rückstand an Vergnügungssteuer (samt Säumniszuschlag) im Betrag von EUR 111.942,44 zur Haftung heran, weil er es unterlassen habe, für die termingemäße Entrichtung der Vergnügungssteuer zu sorgen. Dieser Rückstand sei nach rechtskräftiger Aufhebung des Konkurses der L GmbH bei dieser uneinbringlich.

In seiner dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, nach der internen Geschäftsverteilung seien die steuerlichen, rechtlichen und finanziellen Angelegenheiten der L GmbH ausschließlich durch den zweiten Geschäftsführer Ing. AG besorgt worden. Der Beschwerdeführer sei ausschließlich für Marketing, Personal, Programmierung des Kinos und das Eventmanagment zuständig gewesen. Er sei durch Ing. AG von dessen verfassungsrechtlichen Bedenken in Bezug auf die Vergnügungssteuerpflicht der Primärschuldnerin in Kenntnis gesetzt worden. Man sei davon ausgegangen, dass die Filmvorführungen steuerfrei seien und die Vergnügungssteuer letztendlich nicht entrichtet werden müsste. Auch aufgrund einer Besprechung mit dem Herrn Vizebürgermeister sei er zuversichtlich gewesen, dass der Berufung gegen die (der Haftung zugrundliegenden) Vergnügungssteuerbescheide stattgegeben werde. Er habe auch keine faktische Möglichkeit gehabt, den zuständigen Geschäftsführer zur Entrichtung der Abgabe zu veranlassen. Der Beschwerdeführer sei nicht im Besitz des für Überweisungen nötigen Codes gewesen. Als bloß kollektivvertretungsbefugter Geschäftsführer sei er allein auch nicht in der Lage gewesen, die Abgaben auf andere Weise zu entrichten. Im Übrigen seien bei der Berechnung seines Haftungsbetrages vom Magistrat die von der L GmbH von März 2005 bis Juli 2005 geleisteten Ratenzahlungen sowie die Konkursquote außer Acht gelassen worden.

Zur Bestätigung seiner Angaben über die Zuständigkeiten der Geschäftsführer legte der Beschwerdeführer seiner Berufung eine eidesstattliche Erklärung des Ing. AG, ein Schreiben des Masseverwalters sowie eine mit datierte Aufstellung seiner Aufgaben in der Geschäftsführung vor.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies der Magistrat die Berufung als unbegründet ab. Darin verwies der Magistrat u.a. darauf, dass sich die Abgabenforderungen aus den anlässlich des Haftungsbescheides übermittelten Kopien der Festsetzungsbescheide (Berufungsentscheidung vom und Bescheid vom ) abzüglich bereits geleisteter Zahlungen ergäben. Die Konkursquote und die geleisteten Ratenzahlungen seien bereits berücksichtigt. Der Rückstand sei weder bei der Primärschuldnerin noch beim anderen Geschäftsführer Ing. AG einbringlich.

Der Beschwerdeführer stellte einen Vorlageantrag.

Mit dem angefochtenen Bescheid änderte die belangte Behörde den Bescheid des Magistrats vom dahingehend ab, dass der Haftungszeitraum auf November 2002 bis August 2005 eingeschränkt und der Haftungsbetrag auf EUR 110.792,81 herabgesetzt werde. Im Übrigen sei die Berufung als unbegründet abzuweisen. Begründend führte die belangte Behörde aus, sowohl die Konkursquote als auch die bereits erfolgten Ratenzahlungen seien im erstinstanzlichen Bescheid berücksichtigt worden. Der Beschwerdeführer sei unbestritten Geschäftsführer der L GmbH gewesen. Aufgrund der Konkurseröffnung über die L GmbH (mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom ) sei der Haftungszeitraum jedoch auf November 2002 bis August 2005 einzuschränken und der Haftungsbetrag herabzusetzen gewesen.

Für den Zeitraum November 2002 bis Februar 2003 bestehe die Pflichtverletzung durch den Beschwerdeführer in der Missachtung der Vorschriften über die zeitgerechte Entrichtung der Abgaben. Für den Zeitraum März 2003 bis August 2005 ergebe sich die Pflichtverletzung dadurch, dass der Beschwerdeführer es verabsäumt habe, seiner Kontrollpflicht gegenüber dem anderen Geschäftsführer Ing. AG nachzukommen. Nach den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen habe seit der Bestellung des zweiten Geschäftsführers Ing. AG (mit ) eine Geschäftsverteilung bestanden. Davor sei es jedenfalls Aufgabe des Beschwerdeführers als alleinigen Geschäftsführers gewesen, für die Erfüllung der Abgabenschuld zu sorgen. Der Beschwerdeführer habe spätestens durch den Abgabenbescheid vom , das diesbezügliche Berufungsverfahren und den Ausgang desselben Zweifel an einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung durch den anderen Geschäftsführer haben müssen. Dass er von dem Berufungsverfahren Kenntnis gehabt habe, ergebe sich aus der Unterfertigung der Berufung durch den Beschwerdeführer. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers über die lediglich kollektive Zeichnungsberechtigung werde darauf hingewiesen, dass der Geschäftsführer, der an der Erfüllung seiner Pflichten gehindert werde, erforderlichenfalls im Rechtsweg die Ausübung seiner Rechte durchsetzen oder die Geschäftsführertätigkeit zurücklegen müsse. Der Beschwerdeführer habe auch keinen Nachweis einer anteiligen Mittelverwendung erbracht. Das Vorbringen, wonach ein im Zusammenhang mit der Vergnügungssteuerprüfung gegen beide Geschäftsführer eingeleitetes Finanzstrafverfahren mangels Verschuldens eingestellt worden sei, gehe ins Leere, weil im Strafverfahren die Verschuldensfrage nach anderen Gesichtspunkten zu beurteilen sei als im Haftungsverfahren.

Bei der Ausübung des Auswahlermessens sei davon auszugehen, dass den Beschwerdeführer keineswegs eine geringere Verantwortung treffe als den zweiten, ebenfalls mit Bescheid vom zur Haftung herangezogenen Geschäftsführer Ing. AG.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit welcher der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt.

Der Beschwerdeführer erachtet sich erkennbar in seinem Recht, nicht in der bescheidmäßig vorgeschriebenen Höhe zur Haftung herangezogen zu werden, verletzt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 7 Abs. 1 der im Beschwerdefall noch anzuwendenden WAO haften die in § 54 ff dieses Gesetztes bezeichneten Vertreter und sonstigen Verpflichteten neben den Abgabenpflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern und sonstigen Verpflichteten auferlegten Pflichten, sei es abgabenrechtlicher oder sonstiger Pflichten, bei den Abgabenpflichtigen nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden können, insbesondere im Falle der Konkurseröffnung.

Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben gemäß § 54 WAO alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Im Beschwerdefall ist das Bestehen der Abgabenforderungen, die Stellung des Beschwerdeführers als Geschäftsführer der L GmbH und die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderungen im geltend gemachten Umfang unbestritten. Weiters steht außer Streit, dass mit Wirkung vom mit Ing. AG ein weiterer Geschäftsführer, dem die finanziellen, rechtlichen und steuerlichen Agenden oblagen, bestellt wurde. Strittig ist im Beschwerdefall im Wesentlichen, ob der Beschwerdeführer für den Zeitraum, in dem Ing. AG als weiterer Geschäftsführer fungierte, zu Recht zur Haftung herangezogen wurde.

Sind mehrere potenziell Haftende vorhanden, richtet sich die haftungsrechtliche Verantwortung nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes danach, wer mit der Besorgung der Abgabenangelegenheiten betraut ist. Der von den finanziellen, insbesondere steuerlichen Angelegenheiten ausgeschlossene Geschäftsführer ist in der Regel nicht in Anspruch zu nehmen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2011/16/0027, mwN).

Verletzt jedoch der mit abgabenrechtlichen Angelegenheiten nicht befasste Vertreter seine eigenen Pflichten dadurch grob, dass er trotz Unregelmäßigkeiten des zur Wahrnehmung abgabenrechtlicher Angelegenheiten Bestellten nichts unternimmt, um Abhilfe zu schaffen, so ist auch er haftbar, es sei denn, dass ihm triftige Gründe die Erfüllung dieser wechselseitigen Überwachungspflicht unmöglich machen. Allerdings kommt eine Überprüfung der Tätigkeit des mit der Abgabenentrichtung betrauten oder dafür verantwortlichen Geschäftsführers durch den anderen Geschäftsführer nur dann in Betracht, wenn ein Anlass vorliegt, an der Ordnungsmäßigkeit seiner Geschäftsführung zu zweifeln (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2005/13/0086, mwN).

Der Beschwerdeführer erblickt den Nachweis für eine ordnungsgemäße Geschäftsführung durch den zweiten Geschäftsführer Ing. AG in der Einstellung des gegen diesen (im Zusammenhang mit der Vergnügungssteuer) eingeleiteten Finanzstrafverfahrens. Daraus kann aber für das Haftungsverfahren noch nicht auf die ordnungsgemäße Geschäftsführung durch den zweiten Geschäftsführer in Bezug auf die abgabenrechtlichen Belange geschlossen werden, weil in Abgabenverfahren der im Strafverfahren anzuwendende Grundsatz "in dubio pro reo" keine Anwendung findet (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2009/17/0132). Darüber hinaus ist der Beschwerde nicht zu entnehmen, auf welches konkrete Delikt sich das eingestellte Finanzstrafverfahren überhaupt bezogen hatte.

Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, es habe für ihn jedenfalls keinen Anlass gegeben, an der ordnungsgemäßen Geschäftsführung durch Ing. AG zu zweifeln. Die haftungsgegenständliche Vergnügungssteuer sei Gegenstand eines Berufungsverfahrens gewesen. Zur Zeit seiner Geschäftsführung habe er von der Auffassung der Berufungsbehörde, welche - anders als der zweite Geschäftsführer - von einer Steuerpflicht der Filmvorführungen ausging, keine Kenntnis haben können. Die diesbezügliche Berufungsentscheidung sei nämlich erst dem Masseverwalter zugestellt worden.

Damit verkennt der Beschwerdeführer, dass es sich bei der Wiener Vergnügungssteuer um eine Selbstbemessungsabgabe handelt, deren bescheidmäßige Festsetzung nach § 149 Abs. 2 WAO nur erfolgt, wenn der Abgabepflichtige die Erklärung unterlässt, sich die Erklärung als unvollständig oder sich die Selbstbemessung als unrichtig erweist. Da der Beschwerdeführer nach den unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid die Berufung gegen die erstinstanzliche Abgabenbescheide selbst unterzeichnet hatte, musste er folglich auch Kenntnis davon haben, dass die Abgabenbehörde vom Vorliegen einer der Voraussetzungen des § 149 Abs. 2 WAO ausgegangen ist und die Abgabe festgesetzt hat. Selbst wenn er zuversichtlich gewesen sei, dass der Berufung gegen diese Bescheide stattgegeben würde, hätte er nicht davon ausgehen dürfen, dass die Abgaben nicht (oder nicht zur Gänze) hätten entrichtet werden müssen, weil nach der WAO der Berufung gegen die Abgabenbescheide keine aufschiebende Wirkung zukommt. Dass er angenommen habe, der zweite Geschäftsführer hätte nach Erlassen des Bescheides vom die damit festgesetzte und danach jeweils fällig gewordenen Abgaben entrichtet, behauptet der Beschwerdeführer nicht.

Wenn der Beschwerdeführer die unterlassene Einvernahme der von ihm beantragten Zeugin rügt, so unterlässt er es aufzuzeigen, warum sich aus deren Aussage ergeben hätte, dass der Beschwerdeführer trotz der oben angeführten Umstände keine Kenntnis von einer nicht ordnungsgemäßen Geschäftsführung durch den zweiten Geschäftsführer gehabt haben sollte.

Anders als der Beschwerdeführer vermeint, ist aus dem Umstand, dass gegen ihn kein Strafverfahren wegen Begünstigung eines Gläubigers nach § 158 StGB eingeleitet wurde, noch nicht abzuleiten, dass eine Gleichbehandlung der Abgabengläubigerin mit den anderen Gläubigern stattgefunden habe. Dass er auf andere Weise versucht hätte, den Nachweis der anteiligen Mittelverwendung zu erbringen, behauptet der Beschwerdeführer nicht.

Der Beschwerdeführer vermisst auch eine "zahlenmäßige Aufgliederung, wann welche Teilbeträge für welche Filme aufgelaufen sein sollen", weil dem Haftungspflichtigen das Recht einzuräumen sei, "im Haftungsverfahren (erstmals) zielführende Einwendungen gegen das Bestehen der Beitragsschuld zu erheben". Damit verkennt er aber, dass solche Einwendungen nach § 193 WAO in einer Berufung gegen die Abgabenbescheide, die dem Beschwerdeführer - unstrittig - mit dem erstinstanzlichen Haftungsbescheid zugestellt wurden, zu erheben gewesen wären, und daher nicht Gegenstand des Haftungsverfahrens sind.

Es kann somit nicht als unschlüssig erachtet werden, wenn die belangte Behörde davon ausgehend, dass dem Beschwerdeführer zumindest Zweifel an der ordnungsgemäßen Abfuhr der Vergnügungssteuer durch den anderen Geschäftsführer hätten kommen müssen, eine Verletzung der Überwachungspflicht und damit auch eine schuldhafte Verletzung der abgabenrechtlichen Pflichten des Beschwerdeführers angenommen hat.

Zur Ermessensübung durch die belangte Behörde enthält die Beschwerde kein Vorbringen.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am