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VwGH vom 29.09.2010, 2007/13/0120

VwGH vom 29.09.2010, 2007/13/0120

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Pelant, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Mag. Dr. Walter Mühlbacher, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Lampigasse 33/12, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/1842-W/02, betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum bis , zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt zu Unrecht bezogene Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für den am geborenen Sohn der Beschwerdeführerin für den Zeitraum Oktober 1997 bis September 1998 im Gesamtbetrag von 26.200 S zurück (im Folgenden: Rückforderungsbescheid I). Für volljährige Kinder, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten, bestehe nach § 2 Abs. 1 lit. f FLAG 1967 nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn diese weder den Präsenzdienst noch den Zivildienst leisteten. Da der Sohn das 19. Lebensjahr bereits vollendet habe und vom bis den Zivildienst geleistet habe, sei die Rückforderung auszusprechen gewesen.

Gegen den Rückforderungsbescheid I erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Im Berufungsschriftsatz vom brachte sie u.a. vor, dass der Erledigung des Finanzamtes kein Bescheidcharakter zukomme, weil keine der Vorschrift des § 96 BAO entsprechende Unterschrift des Genehmigenden vorliege. Die Sachverhaltsfeststellung, dass der Sohn das 19. Lebensjahr vollendet habe, könne außerdem die Anwendung des § 2 Abs. 1 lit. f FLAG 1967 nicht begründen. Der Sohn habe nämlich zum "fraglichen Zeitpunkt" schon das 21. Lebensjahr vollendet gehabt.

Mit einem weiteren Bescheid vom forderte das Finanzamt neuerlich zu Unrecht bezogene Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für den am geborenen Sohn der Beschwerdeführerin für den Zeitraum Oktober 1997 bis September 1998 im Gesamtbetrag von 26.200 S zurück (im Folgenden: Rückforderungsbescheid II). Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 bestehe zwar Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten und die für einen Beruf ausgebildet würden. "Zeiten des Bundesheeres" würden allerdings nicht als Berufsausbildungszeiten anerkannt. Wegen der Ableistung des ordentlichen Zivildienstes durch den Sohn vom bis sei die Rückforderung auszusprechen gewesen.

Mit Eingabe vom stellte die Beschwerdeführerin in Bezug auf die Erledigung vom zunächst einen Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz, weil der "neuerliche Bescheid vom " offenbar als Berufungsvorentscheidung betreffend die Berufungsschrift vom gegen den Rückforderungsbescheid I zu werten sei. Sollte die Berufungsbehörde allerdings zur Auffassung gelangen, dass der Rückforderungsbescheid II keine Berufungsvorentscheidung bilde, werde dieser ebenfalls unter einem mit Berufung bekämpft und dessen Aufhebung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit beantragt. Der Erledigung vom stehe nämlich die "Rechtswirksamkeit der Unwiederholbarkeit des Bescheids vom " entgegen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gegen den Rückforderungsbescheid I als unbegründet ab. Der Berufung gegen den Rückforderungsbescheid II gab die belangte Behörde Folge, indem sie diesen Bescheid aufhob.

Es stehe außer Streit - so die Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Bescheid -, dass der Sohn der Beschwerdeführerin vom bis den Zivildienst geleistet und daneben im Rahmen seines Studiums der Rechtswissenschaften und der Studienrichtung Volkswirtschaft verschiedene universitäre Prüfungen abgelegt habe. Nach den für den Rückforderungszeitraum anzuwendenden Studienvorschriften sei der Sohn im Zeitraum Oktober 1997 bis September 1998 in beiden Studienrichtungen im Rahmen der vorgesehenen Studiendauer gewesen.

Zu den Ausführungen in der Berufung vom gegen den Rückforderungsbescheid I zum Fehlen einer der Vorschrift des § 96 BAO entsprechenden Unterschrift sei zu sagen, dass aus der im Akt einliegenden Durchschrift des Bescheides als Approbant der Name "Ratheiser" aus dem Schriftbild herauslesbar sei, wenn man den Namen des Unterzeichnenden kenne. Dass die Unterschrift des den Bescheid Genehmigenden allgemein lesbar sein müsse, werde in § 96 BAO nicht gefordert. Der Rückforderungsbescheid I sei daher wirksam erlassen worden.

Zur bekämpften Rückforderung der Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge im Rückforderungsbescheid I führte die belangte Behörde nach einer Wiedergabe der Bestimmung des § 2 FLAG 1967 (idF BGBl. I Nr. 23/1999) aus, dem Vorbringen der Beschwerdeführerin zur mangelhaften Bescheidbegründung des Finanzamtes sei insofern zuzustimmen, als die Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. f FLAG 1967 den Familienbeihilfenanspruch für noch nicht 21-jährige "arbeitsuchende" Kinder regle und damit für den Berufungsfall nicht einschlägig sei. Die Berufungsbehörde habe jedoch über die Berufung in der Sache selbst zu entscheiden und dabei den Rückforderungsbescheid I auf seine Übereinstimmung mit dem FLAG 1967 zu überprüfen gehabt. Der Beschwerdeführerin sei insoweit zuzustimmen, als die für Studierende zu erfüllenden Voraussetzungen einer Berufsausbildung nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 im strittigen Zeitraum erfüllt gewesen seien. Der Verwaltungsgerichtshof gehe in seiner Rechtsprechung allerdings davon aus, dass der Präsenz- bzw. Zivildienst die Berufsausbildung unterbreche. Bei alleiniger Betrachtung des § 2 Abs. 1 lit. e FLAG 1967 sei es zwar nach Meinung der belangten Behörde nicht ausgeschlossen, dass während der Ableistung des Präsenz- oder Zivildienstes eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 vorliegen könne. Aus dem mit in Kraft getretenen § 2 Abs. 1 lit. g FLAG 1967 (idF BGBl. Nr. 201/1996) könne jedoch auch nach Ansicht der belangten Behörde abgeleitet werden, dass die Leistung des Präsenz- oder Zivildienstes für den Gesetzgeber eine Unterbrechung der Berufsausbildung darstelle. Nach dieser Bestimmung sei nämlich eine Verlängerung der Bezugsdauer für Familienbeihilfe für die Zeit der Ausbildung nach Ableistung des Präsenz- oder Zivildienstes vorgesehen, ohne zu unterscheiden, ob während der Dienstleistung die Ausbildung erfolgreich fortgeführt oder unterbrochen worden bzw. der Ausbildungsbeginn verschoben worden sei. Eine andere Auslegung der lit. g leg. cit. würde jedenfalls zu einer Ungleichbehandlung führen, weil dadurch Präsenz- oder Zivildienstleistende bei Fortsetzung der Ausbildung während der Dienstleistung bevorzugt würden. Dem von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Umstand, dass der Sohn neben der Ableistung des ordentlichen Zivildienstes seine Ausbildung durch Ablegung von Prüfungen erfolgreich weitergeführt habe, komme damit keine Bedeutung zu.

Eine Rückforderung von Familienbeihilfe nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 (der nach § 33 Abs. 4 Z 3 lit. a EStG 1988 auch für Kinderabsetzbeträge anzuwenden sei) sei nur von der objektiven Unrechtmäßigkeit des Bezuges der Familienbeihilfe abhängig. Die Berufung gegen den Rückforderungsbescheid I sei daher als unbegründet abzuweisen gewesen.

Zur Berufung vom gegen den Rückforderungsbescheid II hielt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid fest, dass sich dieser Rückforderungsbescheid nach seinem eindeutigen Inhalt und seiner Form nach nicht als Berufungsvorentscheidung deuten lasse, sondern als Abgabenbescheid erster Instanz zu qualifizieren sei, mit dem neuerlich über denselben Abgabenanspruch abgesprochen worden sei. Dieser neuerlichen Rückforderung sei - wie die Beschwerdeführerin auch in der Berufung vom geltend gemacht habe - die Existenz des Rückforderungsbescheides I entgegengestanden. Der Rückforderungsbescheid II sei daher wegen Verstoßes gegen den "Grundsatz der Unwiederholbarkeit" gemäß § 289 Abs. 2 BAO ersatzlos aufzuheben gewesen.

Der angefochtene Bescheid wird mit der vorliegenden Beschwerde insoweit bekämpft, "als dieser der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Rückforderungsbescheid I nicht stattgibt und diese auch nicht zurückweist. Insoweit der UFS somit der Berufung gegen den Rückforderungsbescheid II stattgibt, erfolgt keine Bescheidanfechtung vor dem VwGH".

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde, auf welche die Beschwerdeführerin repliziert hat, erwogen:

Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend festgestellt hat, hat das Finanzamt mit dem Rückforderungsbescheid II neuerlich über die Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Sohn der Beschwerdeführerin für den Zeitraum bis entschieden. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht ist mit dem Ergehen des Rückforderungsbescheides II der Rückforderungsbescheid I, der über dieselbe Sache (mit identen Rückforderungsbeträgen) absprach, nicht aus dem Rechtsbestand ausgeschieden. Dem Rückforderungsbescheid II stand vielmehr die materielle Rechtskraft des Rückforderungsbescheides I entgegen. Damit hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid zu Recht den Rückforderungsbescheid II wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Unwiederholbarkeit des Bescheides ("ne bis in idem") gemäß § 289 Abs. 2 BAO als inhaltlich rechtswidrig aufgehoben (vgl. in diesem Sinne etwa die hg. Erkenntnisse vom , 2004/17/0028, und vom , 2007/15/0278).

Dem Rückforderungsbescheid I fehlte auch nicht deshalb der Bescheidcharakter, weil er nicht der Vorschrift des § 96 BAO gemäß gefertigt gewesen sei. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird als "Unterschrift" ein Gebilde von Buchstaben einer üblichen Schrift verstanden, aus der ein Dritter, der den Namen des Unterzeichnenden kennt, diesen Namen aus dem Schriftbild herauslesen kann, wobei die Unterschrift nicht allgemein lesbar sein muss (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , 2008/15/0113, mwN). Dass die auf dem Rückforderungsbescheid I aufscheinende Unterschrift des die Erledigung Genehmigenden nicht den soeben genannten Voraussetzungen entsprochen habe, wird in der Beschwerde zwar behauptet, an Hand der in den Verwaltungsakten einliegenden Durchschrift dieses Bescheides ist allerdings den Ausführungen im angefochtenen Bescheid zu folgen, wonach aus dem strittigen Unterschriftsgebilde der Name "Ratheiser" herausgelesen werden kann.

Ein in der Beschwerde gerügter "wesentlicher Begründungsfehler des Rückforderungsbescheids I" dahingehend, dass dieser verfehlt auf die Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit f FLAG 1967 abgestellt habe, der Sohn im fraglichen Zeitraum allerdings bereits das 21. Lebensjahr vollendet gehabt habe, zeigt schon deshalb keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil die Berufungsbehörde gemäß § 289 Abs. 2 BAO berechtigt ist, auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz zu setzen. Dass die belangte Behörde bei ihrer Bestätigung des Rückforderungsbescheids I im Ergebnis die Rechtslage verkannt oder den angefochtenen Bescheid mit wesentlichen Verfahrensmängeln belastet hätte, vermag der Verwaltungsgerichtshof auch an Hand des Beschwerdevorbringens nicht zu erkennen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zuletzt im Erkenntnis vom , 2007/15/0068, seine in ständiger Rechtsprechung vertretene Auffassung bekräftigt, dass 1. die Ableistung des Präsenz(Zivil)dienstes nicht als Ausbildung für einen Beruf im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 anzusehen sei und daher während der Leistung dieses Dienstes kein Anspruch auf Familienbeihilfe nach dieser Gesetzesstelle bestehe, 2. dass die Ableistung dieses Dienstes eine Unterbrechung der Ausbildung eines volljährigen Kindes darstelle und während der Dauer dieses Dienstes kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe, und 3. dass die Leistung des Präsenz(Zivil)dienstes bei gleichzeitiger Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen der Berufsausbildung nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG diesen Anspruch beseitige. Ob der Präsenz(Zivil)diener auf Grund einer besonders gelagerten Situation oder durch besonderen Fleiß während der Ableistung seines Dienstes seine Ausbildung an einer Universität auch durch Ablegung von Prüfungen und nicht nur durch die Meldung zur Fortsetzung weiterführe, sei für den Anspruch auf Familienbeihilfe (und Kinderabsetzbetrag) nicht entscheidend. Im Erkenntnis vom , 2004/15/0103, auf das ebenfalls gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen werden kann, hat der Verwaltungsgerichtshof dazu auch näher ausgeführt, weshalb im Einzelnen aus den Tatbeständen des § 2 Abs. 1 lit. d, e, f und g FLAG 1967 die - typisierende - gesetzliche Regelung zu entnehmen ist, dass einerseits die Ableistung des Präsenz(Zivil)dienstes eine Unterbrechung der Ausbildung eines volljährigen Kindes darstellt und andererseits während der Dauer dieses Dienstes (während der die öffentliche Hand ohnedies Versorgungsleistungen erbringt) kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht (auch wenn in dieser Zeit gleichzeitig die Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 erfüllt sein sollten). Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich nicht veranlasst, von dieser in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung abzugehen oder etwa die in der Beschwerde enthaltene Anregung aufzugreifen, "die entsprechenden präjudiziellen Bestimmungen einem Gesetzprüfungsverfahren in Hinblick auf Art. 7 B-VG beim VfGH zu unterziehen".

Da der Rückforderungstatbestand nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 - der nach § 33 Abs. 4 Z 3 lit. a letzter Satz EStG 1988 auch auf Kinderabsetzbeträge anzuwenden ist - nur auf die objektive Unrechtmäßigkeit des Bezuges der Familienbeihilfe abstellt (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom , 2006/15/0076), verfängt schließlich auch das Beschwerdeargument nicht, das auf den längst bestimmungsgemäß erfolgten Verbrauch der Beihilfen hinweist (vgl. beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , 2006/13/0174).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am