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VwGH vom 28.06.2016, Ra 2015/17/0114

VwGH vom 28.06.2016, Ra 2015/17/0114

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner, Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und Dr. Leonhartsberger sowie Hofrat Mag. Brandl als Richterinnen bzw Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision der Landespolizeidirektion für Oberösterreich, pA Polizeikommissariat Wels in 4600 Wels, Dragonerstraße 29, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom , LVwG-410826/3/FP, betreffend Aufhebung einer Betriebsschließung (mitbeteiligte Partei: A C G in W, vertreten durch Dr. Fabian Alexander Maschke, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dominikanerbastei 17/11), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Am verfügte die revisionswerbende Partei - nach vorheriger Androhung - mündlich die Schließung eines näher bezeichneten Lokals der mitbeteiligten Partei.

2 Über die mündlich verfügte Betriebsschließung entschied die revisionswerbende Partei mit Bescheid vom , der nach einem erfolglosen Zustellversuch am hinterlegt und ab zur Abholung bereitgehalten wurde.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich der Beschwerde der Mitbeteiligten Folge und behob den bekämpften Bescheid. In der Begründung führte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich aus, der (der Tag der mündlich verfügten Betriebsschließung) sei ein Mittwoch gewesen, der Ablauf der im Gesetz vorgesehenen dreitägigen Frist (für die Erlassung eines Betriebsschließungsbescheides) wäre damit rechnerisch auf den , einen Samstag, gefallen. Gemäß § 33 AVG sei diesfalls der nächste Tag, der kein Samstag, Sonntag, gesetzlicher Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember ist, als letzter Tag der Frist anzusehen, vorliegend daher Montag, der . Die 3- tägige Frist des § 56a Abs 3 GSpG sei bereits am Tag des ersten Zustellversuchs am abgelaufen gewesen. Die behördliche Verfügung sei daher zum Zeitpunkt der Erlassung des behördlichen Bescheides mit seiner Zustellung bereits außer Kraft getreten gewesen, sodass der erlassene Bescheid rechtsgrundlos ergangen sei.

4 Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich sprach gemäß § 25a VwGG aus, dass die Revision unzulässig sei und verwies begründend auf das Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art 133 Abs 4 B-VG.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision der im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde, die inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend macht.

6 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7 Nach Art 133 Abs 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Die vorliegende Revision erweist sich im Hinblick auf die geltend gemachte Frage, ob "der Schließungsbescheid zwingend die aufrechte Existenz einer mündlichen Schließung implementiert", als zulässig.

10 Sie ist aber nicht berechtigt.

11 Die Absätze 1 bis 3 des § 56a Glücksspielgesetz (GSpG)

lauten:

"Betriebsschließung

§ 56a. (1) Besteht der begründete Verdacht, daß im Rahmen einer betrieblichen Tätigkeit Glücksspiele entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes veranstaltet oder durchgeführt werden, und ist mit Grund anzunehmen, daß eine Gefahr der Fortsetzung besteht, so kann die Behörde ohne vorausgegangenes Verfahren, aber nicht ohne vorher zur Einstellung der entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes veranstalteten oder durchgeführten Glücksspiele aufgefordert zu haben, an Ort und Stelle die gänzliche oder teilweise Schließung des Betriebes verfügen. Von einer Betriebsschließung ist Abstand zu nehmen, wenn eine weitere Gefährdung der Interessen des Glücksspielmonopols durch andere geeignete Vorkehrungen, wie die Stillegung von Einrichtungen, Beschlagnahmen oder sonstige Maßnahmen, mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann.

(2) Bei der Erlassung einer Verfügung nach Abs. 1 sind bestehende Rechte soweit zu schonen, als dies ohne Gefährdung der Ziele dieses Bundesgesetzes möglich ist. Eine Verfügung nach Abs. 1 ist unverzüglich aufzuheben, wenn feststeht, daß der Grund für ihre Erlassung nicht mehr besteht.

(3) Über eine Verfügung nach Abs. 1 ist binnen drei Tagen ein schriftlicher Bescheid zu erlassen, widrigenfalls die Verfügung als aufgehoben gilt. Ein Bescheid gilt auch dann als erlassen, wenn eine Zustellung an den Verfügungsberechtigten an dessen Unternehmenssitz oder an der Betriebsstätte nicht möglich ist. Die Zustellung des Bescheides kann in einem solchen Fall durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen."

12 Das Landesverwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass von der "Erlassung" eines Bescheides erst dann ausgegangen werden kann, wenn er der Partei zugestellt bzw ausgefolgt wird (vgl zB , vom , 2012/16/0011, oder vom , 2010/21/0134). Die Tage des Postenlaufs sind der Zustellung vorgelagert, weshalb - anders als die Revision andeutet - eine Bescheiderlassung bereits mit Übergabe des Schriftstücks an den Zustelldienst ausgeschlossen ist. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass der in § 56a Abs 3 GSpG angesprochenen Erlassung ein anderes Verständnis zukommen und der Postenlauf nicht in die 3-Tages-Frist eingerechnet werden sollte. Vielmehr ist der Gesetzgeber offenbar im Bewusstsein praktischer Schwierigkeiten der Fristwahrung bei Zustellung durch einen Zustelldienst davon ausgegangen, dass die Zustellung eines Bescheides über die Schließung des Betriebes regelmäßig (durch behördliche Organe) in den Betriebsräumlichkeiten oder am Unternehmenssitz stattfindet, widrigenfalls die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen kann.

13 Da die Rechtslage diesbezüglich eindeutig ist, konnte mit der in der Revision aufgeworfenen Frage der Einrechnung des Postenlaufes in die dreitägige Frist keine die Zulässigkeit der Revision begründende Rechtsfrage geltend gemacht werden.

14 Zur Zulässigkeit der Revision führt jedoch die weiters in der Revision aufgeworfene Frage, ob eine auf § 56a Abs 3 GSpG gestützte Betriebsschließung eine aufrechte (mündliche) Betriebsschließungsverfügung voraussetzt (insofern unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt von demjenigen, der dem hg Erkenntnis vom , Ro 2016/09/0002, zu Grunde lag).

15 Schon nach dem Wortlaut des § 56a Abs 3 GSpG ("Über eine Verfügung nach Abs. 1") setzt die Erlassung eines Bescheides auf dessen Grundlage eine aufrechte (mündliche) Verfügung (vgl jeweils zur Qualifikation der Betriebsschließung nach § 360 Abs 3 GewO, auf den die Erläuternden Bemerkungen zu § 56a GSpG als "ähnlich" verweisen, als Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Eisenberger in Eisenberger/Ennöckl/Helm , Die Maßnahmenbeschwerde, S 25, Raschauer , Allgemeines Verwaltungsrecht4, Rz 965, sowie ) voraus. Eine "Verfügung nach Abs 1" liegt nämlich nur innerhalb der dreitägigen Frist vor, mit Ablauf der Frist greift die Fiktion der Aufhebung dieser Verfügung, sodass es danach an einem tauglichen Verfahrensgegenstand mangelt.

16 Dafür spricht auch folgende Erläuterung (vgl ErläutRV 368 BlgNR 20. GP, 7, zur GSpG-Novelle BGBl Nr 747/1996):

"Da eine nach Abs. 1 verfügte Maßnahme einen erheblichen Eingriff in wichtige Rechte des Betroffenen bedeutet, soll Abs. 3 einen möglichst raschen Zugang zum Rechtsschutzsystem eröffnen. Tritt eine Verfügung gemäß Abs. 3 außer Kraft, so ist die Behörde nicht daran gehindert - falls die Voraussetzungen vorliegen -, dieselbe Verfügung nochmals zu erlassen."

17 Der Gesetzgeber geht also davon aus, dass bei Außerkrafttreten der Verfügung - bei Vorliegen der Voraussetzungen - neuerlich mit einer mündlichen Betriebsschließung, also mit einer Maßnahme unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, vorzugehen ist, nicht aber mit einem die Betriebsschließung anordnenden Bescheid.

18 Vor diesem Hintergrund bieten weder der Gesetzestext noch die Materialien einen Anhaltspunkt für die Annahme, auch eine bereits außer Kraft getretene Betriebsschließungsverfügung berechtige zu einer - außerhalb der 3-Tages-Frist angeordneten - bescheidmäßigen Betriebsschließung. Eine mit Bescheid angeordnete Betriebsschließung nach § 56a Abs 3 GSpG setzt daher eine aufrechte mündlich verfügte Betriebsschließung nach Abs 1 leg cit voraus.

19 § 56a GSpG sind somit grundsätzlich drei Varianten des rechtlichen Schicksals einer mündlich verfügten Betriebsschließung zu entnehmen:

20 Liegen die Voraussetzungen für die mündlich verfügte Betriebsschließung nicht mehr vor, ist die mündlich verfügte Betriebsschließung auf der Grundlage des § 56a Abs 2 GSpG aufzuheben. Einer Aufhebung gleich kommt die Aufhebungsfiktion für den Fall, dass die 3-Tages-Frist ohne Erlassung eines Bescheides nach Abs 3 leg cit abgelaufen ist. Daraus ergibt sich, dass die zuvor genannte Aufhebung der mündlich verfügten Betriebsschließung nur innerhalb der 3-Tages-Frist erfolgen kann, weil nach Fristablauf keine wirksame Verfügung mehr vorliegt, die aufgehoben werden könnte. Somit bleibt - wie oben dargestellt - als Anwendungsbereich des § 56a Abs 3 GSpG lediglich die bescheidmäßige Anordnung der Betriebsschließung innerhalb von drei Tagen nach der mündlichen Verfügung der Betriebsschließung.

21 Aufgrund der § 56a GSpG entnehmbaren Systematik erübrigt sich zur Klärung der geltend gemachten Frage ein Rückgriff auf die - ohnehin diesbezüglich abweichenden - Bestimmungen des § 360 GewO.

22 Ausgehend davon hat das Landesverwaltungsgericht zu Recht den die Betriebsschließung nach Ablauf der 3-Tages-Frist aussprechenden Bescheid der revisionswerbenden Partei aufgehoben, weshalb die Revision gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

23 Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl II Nr 18/2013 idF BGBl II Nr 8/2014.

Wien, am