VwGH vom 31.01.2013, 2011/23/0557
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des D in W, vertreten durch Dr. Christof Dunst, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Landesgerichtsstraße 18/1/11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/340478/2009, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, reiste Ende Juli 2004 mit einem gültigen Visum nach Österreich ein und verblieb nach Ablauf des Visums im Bundesgebiet. Am heiratete er die österreichische Staatsbürgerin Z. Im Hinblick auf diese Ehe beantragte er am die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung "begünstigter DrittStA. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG". Diese Niederlassungsbewilligung wurde ihm mit erteilt und in der Folge mehrfach, zuletzt als Aufenthaltstitel "Familienangehöriger", gültig bis zum , verlängert. Die Ehe des Beschwerdeführers wurde im Jänner 2009 geschieden.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 60 Abs. 1 und 2 Z 9 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.
Die belangte Behörde hielt zunächst fest, dass sich der Beschwerdeführer und Z nach ihren übereinstimmenden Angaben im August 2002 in Belgrad kennengelernt und sich dann bis zur Einreise des Beschwerdeführers nach Österreich nicht mehr persönlich gesehen, sondern nur miteinander telefoniert hätten. Weiters verwies die belangte Behörde auf die Ergebnisse der von der Bundespolizeidirektion Wien Anfang 2005 an der gemeinsamen Wohnadresse der Ehegatten in 1170 Wien, G-Gasse, durchgeführten Erhebungen. Dabei hätten zwei befragte Hausparteien angegeben, den Beschwerdeführer nicht zu kennen. Der Sohn von Z (K) habe gesagt, den Beschwerdeführer schon einmal mit seiner Mutter in einem Lokal, aber noch nie in deren Wohnung gesehen zu haben. Demgegenüber habe Z bei ihrer Einvernahme am das Vorliegen einer Scheinehe bestritten. Am seien der Beschwerdeführer und Z getrennt voneinander einvernommen worden, wobei sie - neben einigen Ungereimtheiten - großteils übereinstimmende Angaben gemacht hätten. Ungeachtet der deutlichen Hinweise "in Richtung Scheinehe" - so die belangte Behörde - sei dem Beschwerdeführer von der Bundespolizeidirektion Wien die beantragte Niederlassungsbewilligung erteilt worden.
Anfang 2008 seien - so die belangte Behörde weiter - auf Grund eines anonymen Hinweises erneut Erhebungen durchgeführt worden. Dabei hätten zwei Nachbarn im Wohnhaus in 1170 Wien, G-Gasse, angegeben, den Beschwerdeführer und seine (seit Juni 2006 ebenfalls dort behördlich gemeldeten) Söhne noch nie im Haus gesehen zu haben. Weiters verwies die belangte Behörde auf eine an der neuen Meldeadresse des Beschwerdeführers in 1160 Wien durchgeführte Erhebung, im Zuge derer die Hausbesorgerin bzw. Wohnungsnachbarn bestätigt hätten, dass der Beschwerdeführer "schon das 2. Jahr" dort wohnhaft sei. Z habe bei einer Einvernahme am angegeben, dass der Beschwerdeführer im August/September 2007 aus der ehelichen Wohnung ausgezogen sei. Solange er noch bei ihr gewohnt habe, sei er untertags (ausgenommen an Sonntagen vormittags) nicht zu Hause gewesen. Der Beschwerdeführer habe bei einer Einvernahme am ausgesagt, dass ihn die Kinder seiner Ehefrau nicht hätten leiden können. Im August 2007 sei er aus der ehelichen Wohnung ausgezogen.
Die belangte Behörde erachtete es als erwiesen, dass sich der Beschwerdeführer zur Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung auf seine Ehe mit Z berufen habe, obwohl er mit ihr ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK nie geführt habe. Dafür spreche schon der Umstand, dass sich das spätere Ehepaar zunächst nur höchstens drei Wochen und danach zwei Jahre lang nicht mehr gesehen habe und dass sie "schon vier Wochen" nach der Einreise des Beschwerdeführers geheiratet hätten. Weiters verwies die belangte Behörde darauf, dass mehrere befragte Hausparteien den Beschwerdeführer nicht als Hausbewohner erkannt hätten. Der - damals noch in der Wohnung seiner Mutter lebende - K habe angegeben, den Beschwerdeführer noch nie in dieser Wohnung gesehen zu haben. Schließlich erachtete die belangte Behörde ihre Auffassung auch dadurch als untermauert, dass der Beschwerdeführer nach seiner Einreise nicht sofort zu Z gezogen sei.
Das Verhalten des Beschwerdeführers, eine Scheinehe zwecks Erlangung aufenthalts- und beschäftigungsrechtlicher Vorteile einzugehen, stelle - so die belangte Behörde weiter - eine grobe Verletzung der öffentlichen Ordnung, insbesondere auf dem Gebiet eines geordneten Ehe- und Fremdenwesens, dar.
In Ansehung des § 66 FPG verwies die belangte Behörde auf den ca. fünfjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sowie die beruflichen und starken familiären Bindungen. Diesen gewichtigen persönlichen Interessen stehe allerdings gegenüber, dass er durch das rechtsmissbräuchliche Eingehen der Ehe und die Berufung darauf maßgebliche öffentliche Interessen iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK (nämlich die Wahrung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) erheblich beeinträchtigt habe. Darüber hinaus seien die beruflichen Bindungen des Beschwerdeführers und der Aufenthalt seiner Kinder in Österreich zu relativieren, weil sie eine Folge der geschlossenen Scheinehe seien. Im Ergebnis sei das Aufenthaltsverbot somit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei um die im September 2009 geltende Fassung.
Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein (weiterer) Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Gemäß § 60 Abs. 2 Z 9 FPG hat als bestimmte, eine Gefährdungsannahme iSd Abs. 1 rechtfertigende Tatsache zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK nie geführt hat.
Der Beschwerdeführer bestreitet das Vorliegen einer Scheinehe und wendet sich gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung. Insbesondere erachtet er es als nicht plausibel, dass die belangte Behörde ihrer Entscheidung die Erhebungsergebnisse aus dem Jahr 2005 zugrunde legte, obwohl ihm ungeachtet der im Jahr 2005 erfolgten, umfangreichen fremdenpolizeilichen Erhebungen eine Niederlassungsbewilligung erteilt wurde, weil sich der Verdacht einer Scheinehe nicht erhärtet habe. Diese Niederlassungsbewilligung sei auch mehrfach, zuletzt bis zum , verlängert worden.
Soweit der Beschwerdeführer diesbezüglich auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abzielt, wonach die Erteilung eines Aufenthaltstitels der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes entgegensteht, wenn die Erteilung in Kenntnis aller in Frage kommender Versagungsgründe bzw. des Gesamtfehlverhaltens des Fremden erfolgt ist, ist ihm zu erwidern, dass ein solcher Fall hier nicht vorliegt. Der bloße Umstand, dass bereits vor der Erteilung eines Aufenthaltstitels Ermittlungen wegen des Verdachts des Vorliegens einer Aufenthaltsehe durchgeführt worden waren, dieser Verdacht damals jedoch nicht hat erhärtet werden können, steht der mit dem angefochtenen Bescheid (nach ergänzenden Ermittlungen) erfolgten Erlassung eines Aufenthaltsverbotes jedoch nicht entgegen (siehe dazu das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0292).
Die belangte Behörde stützte sich bei ihrer Beweiswürdigung zunächst auf die Ergebnisse der in den Jahren 2005 bzw. 2008 durchgeführten Erhebungen im Wohnhaus der "ehelichen" Wohnung, denen zufolge der Beschwerdeführer den befragten Hausparteien nicht bekannt gewesen sei. Ebenfalls zog sie heran, dass der damals (bei seiner Befragung im Jahr 2005) noch bei seiner Mutter wohnende K angegeben habe, den Beschwerdeführer noch nie in der Wohnung gesehen zu haben. Die darauf gegründete Schlussfolgerung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe mit Z ein gemeinsames Familienleben nie geführt, vermag der Beschwerdeführer - angesichts seiner Behauptung, drei Jahre (nämlich von 2004 bis 2007) in dieser Wohnung gelebt zu haben - auch nicht mit seinem Hinweis darauf in Zweifel zu ziehen, dass er das Haus in der Regel schon sehr früh verlassen habe und erst am späten Abend nach Hause gekommen sei. Anders als der Beschwerdeführer meint, kann der belangten Behörde auch nicht entgegengetreten werden, wenn sie den (von ihr näher dargestellten) zeitlichen Ablauf des Kennenlernens und der Eheschließung als Indiz für das Vorliegen einer Aufenthaltsehe wertete. Vor allem bringt der Beschwerdeführer aber auch keine konkreten Umstände oder Lebenssachverhalte vor, die für die Führung eines gemeinsamen Familienlebens iSd Art. 8 EMRK sprechen würden. Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde auch die Angaben der Z, bis Mitte 2007 mit dem Beschwerdeführer zusammengelebt zu haben, nicht als überzeugend angesehen hat, um daraus auf das Bestehen eines tatsächlichen Familienlebens iSd Art. 8 EMRK zu schließen.
Die Beweiswürdigung der belangten Behörde begegnet somit im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. dazu das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , VwSlg. 11.894 A/1985) keinen Bedenken.
Ausgehend von der Verwirklichung des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG durfte die belangte Behörde auch die Gefährdungsprognose nach § 60 Abs. 1 FPG bejahen. Der Beschwerdeführer wendet in diesem Zusammenhang zwar ein, dass die "fragliche Ehe" vor ca. fünf Jahren geschlossen worden sei und dieser Umstand daher nicht ausreiche, um eine von ihm ausgehende Gefährdung öffentlicher Interessen auch für die Zukunft anzunehmen. Diesem Vorbringen kommt aber schon deshalb keine Berechtigung zu, weil der Beschwerdeführer wiederholt (zuletzt laut Aktenlage noch im Jahr 2008) - unter Berufung auf seine Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin - Verlängerungsanträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln gestellt hat.
Die - ebenfalls nicht zu beanstandende - Interessenabwägung der belangten Behörde nach § 66 FPG wird vom Beschwerdeführer nicht konkret bekämpft. Bei seinem Hinweis auf die am (nach Erlassung des angefochtenen Bescheides) erfolgte Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin handelt es sich um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung (§ 41 Abs. 1 VwGG).
Entgegen der Beschwerdeansicht erweist sich der angefochtene Bescheid auch als ausreichend begründet. Die in der Beschwerde geltend gemachten Umstände hätten die belangte Behörde schließlich auch nicht dazu veranlassen müssen, das ihr eingeräumte Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers auszuüben.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
JAAAE-67437