Suchen Hilfe
VwGH 29.07.2015, Ra 2015/17/0039

VwGH 29.07.2015, Ra 2015/17/0039

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
RS 1
Anbringen gelten, sofern die Behörde auch außerhalb ihrer Amtsstunden Empfangsgeräte empfangsbereit hält, als noch am selben Tag eingebracht. Ausgenommen sind jene Fälle, in denen die Behörde ihre mangelnde Bereitschaft zur Entgegennahme elektronischer Anbringen außerhalb der Amtsstunden durch entsprechende Erklärungen mit der Wirkung zum Ausdruck bringt, dass elektronische Anbringen auch dann, wenn sie bereits in ihren elektronischen Verfügungsbereich gelangt sind, erst zu einem späteren Zeitpunkt (mit Wiederbeginn der Amtsstunden) als eingebracht (und eingelangt) gelten (vgl bspw , sowie Hengstschläger/Leeb, AVG I2 (2014) Rz 36/1).
Normen
RS 2
Es reicht nicht, dass das VwG die Zurückweisung einer Beschwerde als verspätet unter Verweis auf § 13 Abs 2 und 5 AVG lediglich damit begründet, dass die Beschwerde zwar am letzten Tag der Frist, aber erst nach Ende der Amtsstunden eingebracht worden sei und somit erst mit Wiederbeginn der Amtsstunden am nächsten Tag als eingebracht und daher als verspätet gelte Entscheidend ist vielmehr, ob im konkreten Fall für den Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung Beschränkungen für außerhalb der Amtsstunden einlangende elektronische Anbringen auf der homepage der belangten Behörde kundgemacht waren, wonach solche Anbringen erst mit Wiederbeginn der Amtsstunden als eingebracht und eingelangt gelten.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag 1. des E und

2. der Y Ges.m.b.H, beide vertreten durch Mag. Nuray Tutus-Kirdere, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Herrengasse 6-8/4/1, der gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Wien vom , 1) VGW-001/076/653/2015-2 und 2) VGW- 001/V/076/719/2015, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde in Angelegenheit einer Übertretung des Glücksspielgesetzes erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

Mit der vorliegenden Revision bekämpfen die revisionswerbenden Parteien die Zurückweisung ihrer Beschwerde gegen die mit Bescheid der Landespolizeidirektion Wien vom erfolgte Bestrafung wegen einer Übertretung des Glücksspielgesetzes (hinsichtlich des Erstrevisionswerbers) bzw Heranziehung zur Haftung gemäß § 9 Abs 7 VStG (hinsichtlich der zweitrevisionswerbenden Partei).

Die gegen diesen Beschluss gerichtete Revision haben die Revisionswerber mit dem Antrag verbunden, dieser die aufschiebende Wirkung gemäß § 30 Abs 2 VwGG zuzuerkennen. Zum Antrag wird vorgebracht, die sofortige Vollstreckung des angefochtenen Beschlusses würde den Revisionswerbern einen nicht nur unverhältnismäßigen, sondern auch nichtwiedergutzumachenden Nachteil bereiten. Demgegenüber stünden weder zwingende öffentliche Interessen einer Bewilligung der aufschiebenden Wirkung entgegen noch könnten dritten Personen aus der Bewilligung der aufschiebenden Wirkung Nachteile erwachsen. Der Erstrevisionswerber habe lediglich ein geringes Einkommen aus seiner Mindestpension und wäre durch die Bezahlung der Geldstrafe in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet. Hinsichtlich der Vermögensverhältnisse der Zweitrevisionswerberin enthält der Antrag keine Angaben.

Gemäß § 30 Abs 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug des angefochtenen Bescheides ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Die Revisionswerber haben in ihrem Antrag zu konkretisieren, worin für sie der unverhältnismäßige Nachteil gelegen wäre (vgl VwGH (verstärkter Senat) vom , 2680/80). Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem eben zitierten Beschluss zur Einbringung von Geldleistungen ausgesprochen hat, wird er nur durch die glaubhafte Dartuung konkreter - tunlichst ziffernmäßiger - Angaben über die finanziellen Verhältnisse der Antragsteller überhaupt in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob der Vollzug des angefochtenen Beschlusses für die Antragsteller einen angesichts des glaubhaft gemachten Sachverhalts unverhältnismäßigen Nachteil mit sich brächte (vgl ).

Derartige Angaben enthält der vorliegende Antrag nicht. Es wird im Antrag insbesondere auch nicht ausgeführt, inwieweit den Revisionswerbern nicht auf Antrag die Zahlung in Raten oder Stundung der Geldstrafe (§ 54b Abs 3 VStG) bewilligt werden könnte. Hinsichtlich der Ersatzfreiheitsstrafe wird auf § 53b Abs 2 VStG verwiesen, wonach mit dem Vollzug einer solchen bis zur Erledigung der beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerde (nunmehr: Revision) zuzuwarten ist (vgl den schon zitierten Beschluss vom ).

Dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung war daher nicht stattzugeben.

Wien, am

Entscheidungstext

Entscheidungsart: Erkenntnis

Entscheidungsdatum:

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner und Dr. Leonhartsberger als Richterinnen bzw Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Schubert-Zsilavecz, über die Revision des 1) E A, und der 2) Y G Ges.m.b.H, beide in Wien, beide vertreten durch Mag. Nuray Tutus-Kirdere, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Herrengasse 6-8/4/1, gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Wien vom , 1) VGW- 001/076/653/2015-2 und 2) VGW-001/V/076/719/2015, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde in Angelegenheit einer Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den revisionswerbenden ParteienAufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien vom erfolgte eine Bestrafung des Erstrevisionswerbers wegen einer Übertretung des Glücksspielgesetzes (GSpG) und die Heranziehung zur Haftung gemäß § 9 Abs 7 VStG hinsichtlich der zweitrevisionswerbenden Partei.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom wies das Verwaltungsgericht Wien die dagegen erhobene Beschwerde als verspätet zurück und erklärte die ordentliche Revision für unzulässig. Begründend führte das Verwaltungsgericht Wien aus, das verwaltungsbehördliche Straferkenntnis sei den Revisionswerbern am zugestellt worden. Die dagegen erhobene Beschwerde sei am um 17:15 Uhr, und damit außerhalb der Amtsstunden, welche am um 15:30 Uhr geendet hätten, via E-Mail eingelangt. Daher gelte die Beschwerde gemäß § 13 Abs 2 und 5 AVG erst mit als eingebracht, die vierwöchige Beschwerdefrist habe jedoch bereits mit geendet. Die Beschwerde erweise sich sohin als verspätet.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis (gemeint wohl: den angefochtenen Beschluss) wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben, in eventu mit dem Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge das Strafverfahren einstellen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß Art 133 Abs 4 erster Satz B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Das Verwaltungsgericht hat gemäß § 25a Abs 1 VwGG im Spruch seines Erkenntnisses mit kurzer Begründung auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. An diesen Ausspruch ist der Verwaltungsgerichtshof jedoch gemäß § 34 Abs 1a VwGG bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs 3 VwGG) zu überprüfen.

Die Revision erweist sich im Hinblick auf das Vorbringen der revisionswerbenden Parteien, die belangte Behörde habe § 13 Abs 5 AVG verkannt und weiche hinsichtlich der Beurteilung der Rechtzeitigkeit von per E-Mail eingebrachten Eingaben von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, als zulässig und begründet.

§ 13 Abs 2 und 5 AVG, BGBl I Nr 51/1991 idF BGBl I Nr 100/2011, lautet:

"3. Abschnitt: Verkehr zwischen Behörden und BeteiligtenAnbringen

§ 13. ...

(2) Schriftliche Anbringen können der Behörde in jeder technisch möglichen Form übermittelt werden, mit E-Mail jedoch nur insoweit, als für den elektronischen Verkehr zwischen der Behörde und den Beteiligten nicht besondere Übermittlungsformen vorgesehen sind. Etwaige technische Voraussetzungen oder organisatorische Beschränkungen des elektronischen Verkehrs zwischen der Behörde und den Beteiligten sind im Internet bekanntzumachen.

...

(5) Die Behörde ist nur während der Amtsstunden verpflichtet, schriftliche Anbringen entgegenzunehmen oder Empfangsgeräte empfangsbereit zu halten, und, außer bei Gefahr im Verzug, nur während der für den Parteienverkehr bestimmten Zeit verpflichtet, mündliche oder telefonische Anbringen entgegenzunehmen. Die Amtsstunden und die für den Parteienverkehr bestimmte Zeit sind im Internet und an der Amtstafel bekanntzumachen.

..."

Das Verwaltungsgericht begründet die Zurückweisung wegen Verspätung in seinem Beschluss unter Verweis auf § 13 Abs 2 und 5 AVG lediglich damit, dass die Beschwerde zwar am letzten Tag der Frist, aber erst nach Ende der Amtsstunden eingebracht worden sei. Sohin gelte die Beschwerde erst mit Wiederbeginn der Amtsstunden am nächsten Tag als eingebracht und sei daher verspätet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass Anbringen, sofern die Behörde auch außerhalb ihrer Amtsstunden Empfangsgeräte empfangsbereit hält, als noch am selben Tag eingebracht gelten. Ausgenommen sind jene Fälle, in denen die Behörde ihre mangelnde Bereitschaft zur Entgegennahme elektronischer Anbringen außerhalb der Amtsstunden durch entsprechende Erklärungen mit der Wirkung zum Ausdruck bringt, dass elektronische Anbringen auch dann, wenn sie bereits in ihren elektronischen Verfügungsbereich gelangt sind, erst zu einem späteren Zeitpunkt (mit Wiederbeginn der Amtsstunden) als eingebracht (und eingelangt) gelten (vgl bspw , sowie Hengstschläger/Leeb, AVG I2 (2014) Rz 36/1).

Die Ausführungen des Verwaltungsgerichtes, die Beschwerde sei allein aufgrund der Tatsache, dass sie nach Ende der Amtsstunden eingebracht worden sei, verspätet, vermögen die Zurückweisung wegen Verspätung aber nicht zu begründen. Entscheidend ist vielmehr, ob - wie von der belangten Behörde in der Revisionsbeantwortung behauptet - im konkreten Fall für den hier relevanten Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung Beschränkungen für außerhalb der Amtsstunden einlangende elektronische Anbringen auf der Homepage der belangten Behörde kundgemacht waren, wonach solche Anbringen erst mit Wiederbeginn der Amtsstunden als eingebracht und eingelangt gelten. Diesbezügliche Feststellungen enthält der angefochtene Beschluss jedoch nicht.

Die Ansicht des Verwaltungsgerichtes, die per E-Mail eingebrachte Beschwerde sei schon auf der Grundlage von § 13 Abs 2 und 5 AVG wegen ihres Einlangens außerhalb der Amtsstunden verspätet, beruht daher auf einer Verkennung der Rechtslage.

Der angefochtene Beschluss ist daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Vorbringen einzugehen war.

Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl II 518/2013 idF BGBl II 8/2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
VStG §53b Abs2;
VStG §54b Abs3;
VStG §9 Abs7;
VwGG §30 Abs2;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2015:RA2015170039.L00.1
Datenquelle

Fundstelle(n):
QAAAE-67400