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VwGH vom 13.09.2012, 2011/23/0536

VwGH vom 13.09.2012, 2011/23/0536

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde der S, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19/1/1/29A, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/186.834/2008, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine serbische Staatsangehörige, reiste am mit einem bis zum gültigen Visum nach Österreich ein und verblieb nach Ablauf der Gültigkeit des Visums unrechtmäßig im Bundesgebiet. Am heiratete sie den österreichischen Staatsbürger R und beantragte am unter Berufung auf diese Ehe die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG".

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug (im zweiten Rechtsgang) ergangenen Bescheid vom erließ die belangte Behörde gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) wegen Eingehens einer sogenannten Aufenthaltsehe ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

In ihrer Beweiswürdigung verwies die belangte Behörde insbesondere auf die Aussage des R vor der Bundespolizeidirektion Wien am , wonach es sich bei der Ehe mit der Beschwerdeführerin um "eine reine Scheinehe" handle. R habe angegeben, im August 2004 in einem Cafe in 1050 Wien - in Anwesenheit der Beschwerdeführerin - von Z gefragt worden zu sein, ob er die Beschwerdeführerin heiraten wolle. Er habe aus Geldnöten eingewilligt. In der Folge habe er von der Beschwerdeführerin insgesamt EUR 1.830,-- erhalten, sonst habe er mit ihr jedoch keinen näheren Kontakt gehabt. Darüber hinaus habe er - so die belangte Behörde weiter - im Zuge von zwei weiteren Einvernahmen am und am das Vorliegen einer Scheinehe neuerlich bestätigt und angegeben, dass er niemals mit der Beschwerdeführerin zusammengewohnt habe und dass die Ehe auch nicht vollzogen worden sei.

Des Weiteren stützte sich die belangte Behörde auf die Aussage der Zeugin K, die am (befragt zu ihrer eigenen Ehe) angegeben habe, dass es sich bei ihrer Ehe um eine Scheinehe handle und dass sie mit ihrem Lebensgefährten R zusammenwohne. Bei einer weiteren Einvernahme am habe K angegeben, dass sie von August 2001 bis Februar 2009 die Lebensgefährtin des R gewesen sei und seit Beginn 2003 mit ihm zusammengewohnt habe; sie hätten ein gemeinsames Familienleben geführt und sich täglich gesehen, darüber hinaus hätten sie drei gemeinsame Kinder. K habe - so die belangte Behörde - auch angegeben, dass ihr die "Scheinehe" von R mit der Beschwerdeführerin bekannt sei und dass R diese Ehe aus rein finanziellen Gründen eingegangen sei; mit der Beschwerdeführerin habe R nie ein gemeinsames Familienleben geführt.

Die Beschwerdeführerin - so die belangte Behörde - habe demgegenüber in ihrer Stellungnahme vom bestritten, dass eine Scheinehe vorliege und dass sie für die Eheschließung eine Zahlung geleistet habe; weshalb ihr Ehegatte "Angaben hinsichtlich des Vorliegens einer Scheinehe" gemacht habe, sei für sie nicht nachvollziehbar. Sie lebe mit ihrem Ehemann und mit ihrer Tochter im gemeinsamen Haushalt. In weiteren Stellungnahmen vom bzw. vom habe die Beschwerdeführerin das Vorliegen einer Scheinehe erneut bestritten; allerdings habe sie sich mit ihrem Ehegatten (mittlerweile) zerstritten und keinen Kontakt mehr zu ihm. In ihrer Stellungnahme vom habe die Beschwerdeführerin angegeben, dass ihr Ehemann "ihr etwas vorgespielt habe" und ihr gegenüber aggressiv gewesen sei.

Schließlich erwähnte die belangte Behörde auch noch die Aussage der Zeugin Z vom , die bestritten habe, jemals eine Scheinehe vermittelt zu haben.

Die belangte Behörde erachtete die Aussagen insbesondere des Ehegatten der Beschwerdeführerin als nachvollziehbar und glaubwürdig, zumal er ausführlich und genau dargelegt habe, wie das gesamte "Procedere" bis zur Heirat abgelaufen sei. Demgegenüber habe die Beschwerdeführerin "lediglich lapidar zu behaupten" vermocht, dass keine Scheinehe vorliege. Angesichts dessen ging sie davon aus, dass die Beschwerdeführerin die Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger geschlossen und sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf diese Ehe berufen habe, ohne mit ihrem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK geführt zu haben. Der Missbrauch des Rechtsinstitutes der Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Rechte stelle aber eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, die die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 87 iVm § 86 FPG rechtfertige.

Bei der nach § 66 FPG vorzunehmenden Interessenabwägung ging die belangte Behörde zwar von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin aus, erachtete diesen Eingriff jedoch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens und zur Verhinderung von Aufenthalts- bzw. Scheinehen - als dringend geboten. Die Beschwerdeführerin habe nur auf Grund ihrer bevorzugten Stellung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz durch ihre Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger eine unselbständige Beschäftigung ausüben können. Die durch ihren Aufenthalt im Bundesgebiet erzielte Integration werde durch die Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen auf Grund des Eingehens einer Scheinehe wesentlich gemindert. Die persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem Verbleib im Bundesgebiet würden somit nicht schwerer wiegen als das öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei um die im Juni 2009 geltende Fassung.

Die Beschwerdeführerin ist im Hinblick auf die aufrechte Ehe mit dem österreichischen Staatsbürger R Familienangehörige (§ 2 Abs. 4 Z 12 FPG) eines Österreichers. Für sie gelten somit gemäß § 87 FPG die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach § 86 Abs. 1 FPG. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist demnach nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass diese Voraussetzungen gegeben sind, wenn der Fremde - im Sinn des Tatbestands des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG -

eine sogenannte Aufenthaltsehe geschlossen, also mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK nie geführt und sich trotzdem für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung auf diese Ehe berufen hat (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0257, mwN).

Die Beschwerdeführerin bestreitet das Vorliegen einer Scheinehe und wendet sich insbesondere gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung. Sie vermag mit ihrem Vorbringen allerdings insoweit keine Unschlüssigkeit oder Mangelhaftigkeit aufzuzeigen:

Die Beschwerdeführerin wirft der belangten Behörde zunächst vor, sie habe das Vorliegen einer Scheinehe allein aus dem Umstand abgeleitet, dass R den Ablauf des gesamten "Prozedere" bis zur Heirat ausführlich und genau dargelegt habe, während die Beschwerdeführerin (nach Auffassung der belangten Behörde) lediglich behauptet habe, dass keine Aufenthaltsehe vorliege. Diesem Vorwurf ist entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde ihre Entscheidung auf die Aussage des R zum Vorliegen einer Scheinehe insgesamt (und nicht allein auf den dargestellten Umstand) gestützt hat. Es ist nicht zu beanstanden, wenn die belangte Behörde dabei auch berücksichtigte, dass R den Ablauf von der Anbahnung der Ehe bis zur Heirat ausführlich dargelegt hat, während die Beschwerdeführerin ihrerseits keine konkreten Umstände oder Lebenssachverhalte vorgebracht hat, die für die Führung eines gemeinsamen Familienlebens iSd Art. 8 EMRK sprechen würden. Auch der bloße, nicht näher konkretisierte Verweis darauf, R habe massiv Alkohol getrunken und sei gegenüber der Beschwerdeführerin aggressiv gewesen, ist für sich genommen nicht geeignet, eine Unschlüssigkeit der (maßgeblich) auf die Aussage des R gestützten Beweiswürdigung der belangten Behörde darzutun.

Die Beschwerdeführerin rügt weiters, sie sei vom Ergebnis von zwei Zeugeneinvernahmen nicht informiert worden, weshalb sie in ihrem Recht auf Parteiengehör verletzt worden sei. Dem ist Folgendes entgegenzuhalten:

Eine Relevanz der behaupteten Verletzung des Parteiengehörs hinsichtlich des Ergebnisses der am erfolgten Einvernahme der Zeugin Z (in der die Zeugin die Vermittlung jeglicher Scheinehen bestritten hat) wird schon deshalb nicht aufgezeigt, weil die Beschwerdeführerin nicht konkret darlegt, was sie im Fall der Verständigung vom Ergebnis dieser Beweisaufnahme vorgebracht hätte und wie ein allfälliges Vorbringen zu einem für sie günstigeren Ergebnis hätte führen können.

Soweit sich diese Rüge auf die unterlassene Verständigung vom Ergebnis der am erfolgten Einvernahme der Zeugin K bezieht, ist zunächst anzumerken, dass die Beschwerdeführerin ausweislich der vorgelegten Verwaltungsakten durch ihre Rechtsvertreterin wiederholt (nämlich am und am ) von der eingeräumten Möglichkeit zur Akteneinsicht Gebrauch gemacht hat.

Darüber hinaus legt die Beschwerdeführerin aber auch hinsichtlich dieser Beweisaufnahme nicht konkret dar, welches weitere Vorbringen, das zu einer für sie günstigeren Entscheidung hätte führen können, sie im Fall der Gewährung von Parteiengehör zu dieser Zeugeneinvernahme erstattet hätte. Der Hinweis darauf, dass die Zeugin K ihrerseits verheiratet gewesen sei, stellt kein derartiges Vorbringen dar, weil dieser Umstand bereits von der Zeugin selbst eingeräumt und insoweit das Vorliegen einer Scheinehe zugestanden wurde. Der Beschwerde mangelt es somit an der erforderlichen Relevanzdarstellung.

Die Beschwerdeführerin bringt in diesem Zusammenhang noch vor, dass die Zeugin K unglaubwürdig sei, weil sie widersprüchliche Angaben zum Erhalt einer Geldleistung im Zusammenhang mit ihrer eigenen (ebenfalls als Scheinehe qualifizierten) Ehe gemacht habe. Sie vermag aber nicht aufzuzeigen, welche Bedeutung diesen Aussagen für das hier gegenständliche Verfahren zukommen soll. Angesichts dessen, dass die Aussage der K, es handle sich bei der Ehe des R mit der Beschwerdeführerin um eine Scheinehe und sie, K, sei die Lebensgefährtin von R gewesen und habe mit ihm zusammengewohnt, mit der Aussage des R übereinstimmt, ist es im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde diese Aussage als glaubwürdig angesehen und ihrer Beweiswürdigung zugrunde gelegt hat.

Die Beschwerdeführerin rügt weiters das Unterlassen der beantragten Einvernahme von drei namentlich genannten Zeugen zum Beweis dafür, dass zwischen ihr und R eine Liebesheirat erfolgt sei und sie gemeinsam gelebt hätten. Dieses nicht näher substantiierte Vorbringen enthält allerdings keine Darstellung, zu welchen konkreten, auf ein tatsächliches Familienleben hindeutenden Umständen oder Lebenssachverhalten die Zeugen hätten befragt werden sollen (vgl. diesbezüglich etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0661). Die Beschwerdeführerin zeigt somit keinen relevanten Verfahrensmangel auf.

Die beweiswürdigende Annahme der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin habe die Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger geschlossen und sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf diese Ehe berufen, ohne mit ihrem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK geführt zu haben, begegnet somit im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. dazu das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , VwSlg. 11.894 A/1985) keinen Bedenken. Auf Basis der bereits zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war auch die Gefährdungsannahme gemäß § 86 Abs. 1 FPG gerechtfertigt.

Auch die von der belangten Behörde nach § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung ist nicht als rechtswidrig zu erkennen. Zwar hätten die fallbezogenen Erwägungen im angefochtenen Bescheid - insbesondere im Hinblick auf die familiären Bindungen der Beschwerdeführerin zu ihrer Tochter - eingehender zum Ausdruck gebracht werden können. Darin ist jedoch im vorliegenden Fall kein relevanter Begründungsmangel zu sehen. Die belangte Behörde ist nämlich im Ergebnis zutreffend von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin ausgegangen. Sie durfte ihrer Entscheidung aber auch zugrunde legen, dass die aus dem (knapp acht Jahren dauernden) Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet und aus ihrer Erwerbstätigkeit resultierenden Aspekte einer Integration dadurch gemindert werden, dass sie im Wesentlichen auf eine verpönte Aufenthaltsehe zurückzuführen waren. Insofern kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausging, dass die persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem Verbleib im Bundesgebiet nicht schwerer wiegen würden als das öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes. Daran vermag auch das Vorbringen der Beschwerdeführerin hinsichtlich ihrer minderjährigen Tochter nichts zu ändern, zumal sie auch nicht vorbringt, dass ihr eine Rückkehr mit ihrer Tochter in ihren Heimatstaat unzumutbar wäre.

In der Beschwerde werden schließlich auch keine Gründe aufgezeigt, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinn des Gesetzes erfolgt wäre.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich - im Rahmen des ziffernmäßig Begehrten - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
IAAAE-67365