VwGH vom 18.10.2012, 2011/23/0535
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. Thaddäus Kleisinger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Fleischmarkt 28/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/203.041/2009, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Paraguay, reiste am sichtvermerksfrei nach Österreich ein und heiratete am die österreichische Staatsbürgerin A.
Sein am gestellter Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom gemäß § 11 Abs. 1 Z 5 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) rechtskräftig abgewiesen.
Mit dem nunmehr angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus. Der Beschwerdeführer halte sich - so die belangte Behörde - "seit Ablauf seines sichtvermerkfreien Aufenthaltsrechtes, seit unrechtmäßig in Österreich" auf. Somit könne gemäß § 53 Abs. 1 FPG eine Ausweisung erlassen werden, wenn dem nicht § 66 FPG entgegenstehe.
Im Rahmen der Interessenabwägung verwies die belangte Behörde auf den zweijährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und auf seine Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin. Im Hinblick darauf sei von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen. Dieser Eingriff sei allerdings zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (hier zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten. Der unrechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers verstoße gravierend gegen das hohe öffentliche Interesse an der Befolgung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften. Das Gewicht der aus seinem Aufenthalt resultierenden persönlichen und familiären Interessen (an einem Verbleib im Bundesgebiet) werde hingegen dadurch relativiert, dass der Beschwerdeführer die Ehe zu einem Zeitpunkt eingegangen sei, zu dem sein dauerndes Aufenthaltsrecht in Österreich noch nicht gesichert gewesen sei. Eine Integration des Beschwerdeführers in den österreichischen Arbeitsmarkt liege nicht vor. Das Vorbringen, über keine Bindungen mehr in seinem Heimatstaat zu verfügen, erachtete die belangte Behörde angesichts des erst zweijährigen Aufenthalts in Österreich als nicht nachvollziehbar, zumal der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom noch angegeben habe, von seinem Vater aus Paraguay finanziell unterstützt zu werden. Im Ergebnis seien die gegenläufigen privaten Interessen des Beschwerdeführers nicht höher zu bewerten als das Interesse der Allgemeinheit an seiner Ausreise. Da außer der strafgerichtlichen Unbescholtenheit keine sonstigen besonderen Umstände zugunsten des Beschwerdeführers sprechen würden, sah die belangte Behörde auch keinen Grund, von der Erlassung der Ausweisung im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei um die im Juli 2009 geltende Fassung.
Gemäß § 53 Abs. 1 FPG können Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Nach der Aktenlage bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass eine der Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 31 Abs. 1 FPG beim Beschwerdeführer vorläge.
Der Beschwerdeführer macht allerdings geltend, dass seine Ehefrau ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen habe und (weiterhin) in Anspruch nehme und dass er somit als begünstigter Drittstaatsangehöriger gemäß § 86 Abs. 2 FPG nicht ausgewiesen werden dürfe. Dabei wird allerdings betont, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers ihren Lebensmittelpunkt in Österreich "hatte und hat", bzw. dass sie hier arbeite und versichert sei. Dieses Vorbringen enthält somit keine Behauptung, der die tatsächliche Ausübung des unionsrechtlichen Freizügigkeitsrechts durch seine Ehefrau entnommen werden könnte (vgl. dazu das die Beschwerde des Beschwerdeführers im Aufenthaltstitelverfahren abweisende Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0829). Daran vermag auch der bereits im Verwaltungsverfahren erstattete, aber nicht näher konkretisierte Hinweis auf einen langen Aufenthalt "im Ausland" nichts zu ändern. Bei der erstmals in der Beschwerde vorgebrachten Behauptung, die Ehefrau des Beschwerdeführers habe sich (auch) in der Bundesrepublik Deutschland und in der Schweiz aufgehalten, handelt es sich um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung (§ 41 Abs. 1 VwGG). Zudem wird auch mit diesem Vorbringen nicht dargelegt, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers im Zuge dieser Aufenthalte ihr unionsrechtliches Freizügigkeitsrecht ausgeübt habe. Nur darauf käme es im vorliegenden Zusammenhang an. Wenn der Beschwerdeführer dagegen meint, seine Ehefrau habe "bei ihrer Rückkehr" ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen, verkennt er die Rechtslage (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0427).
Soweit mit diesem Beschwerdevorbringen gleichheitsrechtliche Bedenken betreffend die aufenthaltsrechtliche Stellung von drittstaatszugehörigen Familienangehörigen von Österreichern geltend gemacht werden, ist auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , VfSlg. 18.968, zu verweisen.
Die behördliche Auffassung, dass der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, ist somit nicht zu beanstanden.
Wird durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei dieser Beurteilung ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 66 Abs. 2 FPG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 66 Abs. 3 FPG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Bei der Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt (vgl. zum Ganzen etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0156).
Der Beschwerdeführer verweist diesbezüglich auf seine Ehefrau, seinen "5-jährigen" Aufenthalt sowie darauf, dass er "zur Gänze integriert" und unbescholten sei und beinahe perfekt Deutsch spreche.
Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Die belangte Behörde ist zutreffend von einem zweijährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ausgegangen. Sie hat ihrer Interessenabwägung weiters seine Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin und seine strafrechtliche Unbescholtenheit zugrunde gelegt. Sie hat den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers aber zu Recht das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften entgegengehalten. Dabei durfte die belangte Behörde auch in Anschlag bringen, dass das Familienleben des Beschwerdeführers zu einem Zeitpunkt begründet wurde, zu dem er nicht mit einem dauernden Aufenthalt in Österreich habe rechnen dürfen. Der erlaubte sichtvermerksfreie Aufenthalt des Beschwerdeführers endete am . Der daran anschließende, knapp zwei Jahre andauernde Aufenthalt im Bundesgebiet war zu keinem Zeitpunkt rechtmäßig. Der Beschwerdeführer konnte unter den gegebenen Umständen auch nicht davon ausgehen, dass er durch seine Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin einen Anspruch auf Ausstellung einer Niederlassungsbewilligung erworben habe und den diesbezüglichen Antrag im Inland stellen dürfe. Damit liegt aber im Ergebnis eine von Anfang an beabsichtigte Umgehung der Regelungen über eine geordnete Zuwanderung und den "Familiennachzug" auf der Hand. Schließlich setzte der Beschwerdeführer seinen unrechtmäßigen Aufenthalt auch noch nach der rechtskräftigen Abweisung seines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels (im Juli 2008) fort.
In einer solchen Konstellation führt aber auch die aufrechte Ehe des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsbürgerin nicht dazu, dass unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK von einer Ausweisung hätte Abstand genommen und akzeptiert werden müssen, dass der Beschwerdeführer mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen. Vielmehr war es dem Beschwerdeführer in diesem Fall zumutbar, für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Niederlassungsverfahrens auszureisen. Auch die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Deutschkenntnisse vermögen im vorliegenden Fall nicht zu einer entscheidungserheblichen Verstärkung seiner persönlichen Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet führen. Gleiches gilt für sein nicht näher konkretisiertes Vorbringen, "zur Gänze integriert" zu sein.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
UAAAE-67361