VwGH vom 12.09.2012, 2011/23/0532
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde der J in W, vertreten durch Mag. Dr. Otto Ranzenhofer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Salztorgasse 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/103.401/2008, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine chinesische Staatsangehörige, verfügte seit dem über eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 7 Abs. 4 Z 1 des Fremdengesetzes 1997 (FrG) für den Aufenthaltszweck "Ausbildung", die mehrfach - zuletzt bis zum - verlängert wurde. Bereits vor der letzten Verlängerung war die Beschwerdeführerin am darüber belehrt worden, dass sie aus dem Bundesgebiet ausgewiesen werden müsse, wenn sie beim nächsten Verlängerungsantrag (erneut) keinen Nachweis eines entsprechenden Schul- bzw. Studienerfolges beibringen könne.
Am beantragte die Beschwerdeführerin einen Aufenthaltstitel gemäß § 7 Abs. 4 Z 4 FrG (Erwerbstätigkeit ohne Niederlassung); in der Folge wurde dieser Antrag dahingehend modifiziert, dass eine "Niederlassungsbewilligung - Schlüsselkraft" (iSd § 41 Abs. 1 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG) beantragt wurde. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom wurde dieser Antrag rechtskräftig abgewiesen.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom wies die belangte Behörde die Beschwerdeführerin gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus.
Die belangte Behörde stellte einleitend fest, dass die Beschwerdeführerin über keinen Aufenthaltstitel verfüge, und erachtete somit die Voraussetzungen zur Erlassung der Ausweisung gemäß § 53 Abs. 1 FPG - vorbehaltlich des § 66 FPG - als erfüllt.
Hinsichtlich der beruflichen Bindungen verwies die belangte Behörde darauf, dass die Beschwerdeführerin Gesellschafterin der T HandelsGmbH sei und in diesem Unternehmen arbeite. Weiters habe sie (beginnend mit September 2008) ein Semester das kaufmännische Kolleg für Berufstätige am "International Business College Hetzendorf" besucht. Ein (allfälliger) mit der Ausweisung verbundener Eingriff in das "Privat- und Familienleben" der Beschwerdeführerin sei allerdings zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten, zumal der Befolgung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften ein besonders hoher Stellenwert zukomme und die Beschwerdeführerin durch ihren nicht bloß kurzfristigen unrechtmäßigen Weiterverbleib im Bundesgebiet "im Anschluss an die Nichterteilung eines weiteren Aufenthaltstitels" gegen dieses Interesse gravierend verstoßen habe. Darüber hinaus - so die belangte Behörde weiter - habe die Beschwerdeführerin angesichts des ihr erteilten Aufenthaltstitels nicht darauf bauen dürfen, ihren Aufenthalt in Österreich (nach Ablauf des Aufenthaltstitels) fortsetzen zu können.
Da keine besonderen, zugunsten der Beschwerdeführerin sprechenden Umstände gegeben waren, sah die belangte Behörde auch keinen Grund, im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens von der Erlassung der Ausweisung Abstand zu nehmen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei um die im Juli 2009 geltende Fassung.
Gemäß § 53 Abs. 1 FPG können Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Unstrittig wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels rechtskräftig abgewiesen. Die behördliche Annahme, der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG sei erfüllt, erweist sich daher nicht als rechtswidrig.
Wird durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei dieser Beurteilung ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der im § 66 Abs. 2 FPG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 66 Abs. 3 FPG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Bei einer Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0326, mwN).
Die Beschwerdeführerin verweist in diesem Zusammenhang auf ihre Tätigkeit als "Geschäftsführer und Gesellschafter" der T HandelsGmbH sowie auf ihren Besuch des kaufmännischen Kollegs für Berufstätige am "International Business College Hetzendorf". Weiters rügt die Beschwerdeführerin, die belangte Behörde sei unzutreffender Weise davon ausgegangen, dass die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens immer einen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Fremden rechtfertige.
Mit diesen Ausführungen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Auch wenn - wie der Beschwerde einzuräumen ist - die belangte Behörde die Abwägung der persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem Verbleib im Bundesgebiet mit den gegenläufigen öffentlichen Interessen an der Erlassung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingehender hätte zum Ausdruck bringen können, ist darin im vorliegenden Fall kein relevanter Begründungsmangel zu sehen. Die belangte Behörde hat nämlich sowohl die Tätigkeit der Beschwerdeführerin bei der T HandelsGmbH als auch den Besuch des kaufmännischen Kollegs ihrer Entscheidung erkennbar zugrunde gelegt. Sie hätte daraus - entgegen der Beschwerdeansicht - auch nicht ableiten müssen, dass die Ausweisung der Beschwerdeführerin aus Österreich unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK am Maßstab der in § 66 Abs. 2 FPG angeführten Kriterien unzulässig sei. Diese - nur das Privatleben und nicht das Familienleben betreffenden - Umstände stellen sich nämlich auch in Verbindung mit der Aufenthaltsdauer (bis zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung) von knapp sieben Jahren insgesamt nicht als so außergewöhnlich dar, dass unter dem genannten Gesichtspunkt von einer Ausweisung hätte Abstand genommen und der weitere Verbleib der Beschwerdeführerin in Österreich akzeptiert werden müssen. Die beruflichen Bindungen bewirken im vorliegenden Fall keine maßgebliche Verstärkung der persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin, zumal sie auch nicht vorgebracht hat, dass eine Geschäftsführung bzw. eine Ausübung ihrer Gesellschafterrechte vom Ausland aus unmöglich wäre (vgl. in diesem Zusammenhang das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0652). Die belangte Behörde hat schließlich auch zutreffend darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin (angesichts der ihr erteilten, nur zum vorübergehenden Aufenthalt berechtigenden Aufenthaltserlaubnis "Ausbildung") nicht damit habe rechnen dürfen, dauerhaft in Österreich verbleiben zu können.
Soweit die Beschwerdeführerin auf das Fehlen von Feststellungen betreffend die Intensität ihrer familiären Bindungen und betreffend die Auswirkungen der Ausweisung auf ihre Familie verweist, ist ihr entgegenzuhalten, dass sie weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde das Bestehen familiärer Bindungen im Bundesgebiet behauptet (hat). Der Beschwerde fehlt es insoweit an der für die Geltendmachung eines Verfahrensmangels erforderlichen Relevanzdarstellung.
Die belangte Behörde hat zutreffend den hohen Stellenwert der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften betont und ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin dieses öffentliche Interesse durch ihren (nach rechtskräftiger Abweisung ihres Antrags auf Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels) unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gravierend missachtet hat. Der Beschwerde kann somit nicht beigetreten werden, wenn sie vermeint, dem angefochtenen Bescheid lasse sich nicht entnehmen, welche nachteiligen Folgen eine Abstandnahme von der Erlassung der Ausweisung hätte.
In der Beschwerde werden schließlich auch keine Gründe aufgezeigt, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinn des Gesetzes erfolgt wäre.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
EAAAE-67349