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VwGH vom 17.05.2006, 2004/08/0271

VwGH vom 17.05.2006, 2004/08/0271

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. LGSW/Abt.3-AlV/1218/56/2004-5847, betreffend Anspruch auf Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom auf Gewährung von Arbeitslosengeld gemäß § 7 Abs. 3 Z. 2 AlVG mangels Verfügbarkeit am Arbeitsmarkt abgewiesen.

In der Begründung gab die belangte Behörde die einschlägige Rechtslage wieder und führte aus, der Beschwerdeführer - nach der Aktenlage ein türkischer Staatsangehöriger - habe keinen Aufenthaltstitel, der seine Verfügbarkeit am Arbeitsmarkt gewährleiste. Er sei Asylwerber, verfüge aber über kein vorläufiges Aufenthaltsrecht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde verneint im angefochtenen Bescheid das Vorliegen der Verfügbarkeit des Beschwerdeführers gemäß § 7 Abs. 3 Z. 2 AlVG, ohne zur Frage des Vorliegens der übrigen Voraussetzungen für die Zuerkennung von Arbeitslosengeld Stellung zu nehmen.

Gemäß § 7 Abs. 3 Z. 2 AlVG in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 71/2003 kann und darf eine Person eine Beschäftigung aufnehmen, die aufenthaltsrechtlich berechtigt ist, eine unselbständige Beschäftigung aufzunehmen und auszuüben.

In der Beschwerde behauptet der Beschwerdeführer, er stehe auf Grund seines Status als Asylwerber dem Arbeitsmarkt - gemeint offenbar im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 2 AlVG - "zur Verfügung".

Soweit sich der Beschwerdeführer darauf beruft, Abschiebungsschutz zu genießen, ist er auf die mit Art. 83 des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl. I Nr. 71/2003, herbeigeführte Änderung der Rechtslage zu verweisen, nach der es nunmehr ausdrücklich darauf ankommt, ob die arbeitslose Person aufenthaltsrechtlich zur Aufnahme oder Ausübung einer Beschäftigung berechtigt ist (vgl. die eben dargestellte Rechtslage). Dass eine solche Berechtigung vorläge, hat der Beschwerdeführer nicht vorgebracht; er hat im Verwaltungsverfahren - über ausdrücklichen Vorhalt - unbestritten gelassen, dass ihm kein vorläufiges Aufenthaltsrecht gemäß § 19 AsylG zukommt.

Allerdings hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Zl. 2004/08/0103, ausgesprochen, dass bei türkischen Staatsangehörigen bei der Beurteilung der Verfügbarkeit nach § 7 Abs. 3 Z. 2 AlVG zunächst zu fragen ist, ob Artikel 6 Absatz 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des durch das Assoziierungsabkommen zwischen der Europaeischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten Assoziationsrates vom über die Entwicklung der Assoziation (ARB), anzuwenden ist. Dieser sieht einen Anspruch des türkischen Arbeitnehmers auf die Erteilung einer Bewilligung zur Ausübung einer Beschäftigung vor, wenn er dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört und in diesem Mitgliedstaat zumindest ein Jahr ordnungsgemäß beschäftigt gewesen ist.

Nach einer im Akt einliegenden Bestätigung der Justizanstalt Stein befand sich der Beschwerdeführer vom bis zum dort in Strafhaft und hat vom bis zum "Versicherungszeiten gemäß § 66a AlVG" erworben.

Gemäß § 66a Abs. 1 AlVG in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. Nr. 314/1994 sind Personen, die sich auf Grund eines gerichtlichen Urteils unter anderem in Strafhaft befinden und ihrer Arbeitspflicht gemäß § 44 des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, in der jeweils geltenden Fassung nachkommen, nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen für den Fall der Arbeitslosigkeit versichert. Darüber hat die Justizanstalt eine Bestätigung auszustellen (vgl. Abs. 4 leg. cit.).

Nach § 44 Abs. 1 Strafvollzugsgesetz ist jeder arbeitsfähige Strafgefangene verpflichtet, Arbeit zu leisten. Gemäß Abs. 2 leg. cit. haben zur Arbeit verpflichtete Strafgefangene die Arbeiten zu verrichten, die ihnen zugewiesen werden.

Eine Beschäftigung als Strafgefangener im Sinne von § 44 Abs. 1 Strafvollzugsgesetz ist nicht als ordnungsgemäße Beschäftigung am regulären Arbeitsmarkt im Sinne des Artikel 6 Absatz 1 ARB anzusehen. Die Ordnungsmäßigkeit der Beschäftigung im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 ARB setzt nämlich eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position des Betroffenen auf dem Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats voraus (vgl. das schon zitierte Erkenntnis vom mit Verweisen auf Rechtsprechung des EuGH). Die Tätigkeit eines Strafgefangenen auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung begründet jedenfalls keine Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt.

Das bedeutet im vorliegenden Fall, dass der Beschwerdeführer auf Grund seiner Tätigkeit als Strafgefangener nicht dem regulären Arbeitsmarkt in Österreich angehört hat und deswegen auch keine Rechte aus Artikel 6 Absatz 1 ARB ableiten kann. Andere arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungszeiten außerhalb der Strafanstalt wurden vom Beschwerdeführer nicht behauptet, solche ergeben sich auch nicht aus dem Akteninhalt (vgl. zur Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt trotz Inhaftierung die Urteile des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom in der Rechtssache "Nazli", C-340/97, und vom in der Rechtssache "Dogan", C-383/03).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am

Fundstelle(n):
WAAAE-65185