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VwGH vom 21.12.2005, 2004/08/0244

VwGH vom 21.12.2005, 2004/08/0244

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der A in M, vertreten durch Mag. Kathrin Lichtenegger, Rechtsanwältin in 8680 Mürzzuschlag, Wiener Straße 50, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom , Zl. LGS600/SfA/1218/2004-WW/Kö, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe gemäß § 10 AlVG in Verbindung mit § 38 AlVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom abgewiesen und dieser Bescheid bestätigt, wonach der Notstandshilfebezug der Beschwerdeführerin für den Zeitraum vom bis gemäß § 10 Abs. 1 in Verbindung mit § 38 AlVG eingestellt wurde.

Nach der Begründung dieses Bescheides stehe die Beschwerdeführerin seit einigen Jahren im Bezug von Notstandshilfe und es sei bisher nicht möglich gewesen, sie nachhaltig in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Es sei mit ihr am vereinbart worden, dass sie an der Wiedereingliederungsmaßnahme "Projekt Orange" in Kapfenberg teilnimmt. Kursbeginn sei der gewesen. Laut Niederschrift vom habe die Beschwerdeführerin die Maßnahme vorzeitig beendet, da sie am wegen Bluthochdruck bei ihrem Hausarzt gewesen sei und dieser sie für den neuerlich in die Ordination bestellt habe. Weiters sei ein Termin für die Gesundenuntersuchung am vereinbart worden. Für den bzw. den sei vereinbart gewesen, dass die Beschwerdeführerin diese Tage frei bekomme. Am habe die Beschwerdeführerin einen Termin gehabt (Bezahlung der Stromrechnung) welchen sie vergessen habe, der Kursleitung mitzuteilen. Ab sei die Beschwerdeführerin im Krankenstand gewesen. Da die Beschwerdeführerin den Erfolg der Wiedereingliederungsmaßnahme vereitelt habe, sei ihr Notstandshilfebezug für sechs Wochen eingestellt worden.

Die belangte Behörde stellte dazu fest, dass die Beschwerdeführerin "laut Ergebnisbericht vom Projekt Orange" rückwirkend mit von der Maßnahme abgemeldet worden sei. Sie sei insgesamt vier Tage vom bis unentschuldigt vom Kurs ferngeblieben. Am habe sie sich wieder beim Projekt gemeldet und angegeben, ab im Krankenstand zu sein und danach wieder in den Kurs einsteigen zu wollen. Außerdem habe die Beschwerdeführerin Gründe für ihr Fernbleiben (erhöhter Blutdruck, Gesundenuntersuchung, Arzttermin mit Sohn) bekannt gegeben. Durch die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin bereits das zweite Mal in das Projekt eingestiegen und "offensichtlich wenig motiviert für eine Teilnahme erschienen", sowie mehrere Tage unentschuldigt dem Kurs ferngeblieben sei, erscheine eine weitere Teilnahme an der Wiedereingliederungsmaßnahme nicht zielführend. Die Kurszeiten hätten sich nur teilweise mit den Arztbesuchen überschnitten (am 4. Juni und am 11. Juni seien keine Kurstage gewesen). Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin wegen Bluthochdrucks mehrmals beim Arzt gewesen sei, stelle "keinen berücksichtigungswürdigen Grund dar, der den Maßnahmenabbruch entschuldigt hätte". Es wäre der Beschwerdeführerin, die im Besitz eines Mobiltelefons sei, zumindest zumutbar gewesen, sich im Falle unerwarteter Arztbesuche beim Kursträger zu melden und das Fernbleiben zu entschuldigen. Der Berufung sei daher keine Folge zu geben gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer u.a. bereit ist, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- bzw. umschulen zu lassen.

§ 10 Abs. 1 AlVG bestimmt (u.a.), dass der Arbeitslose für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld verliert, wenn er sich ohne wichtigen Grund weigert, einem Auftrag zur Nach(Um)schulung zu entsprechen oder durch sein Verschulden den Erfolg der Nach(Um)schulung vereitelt.

Diese Bestimmungen sind nach § 38 AlVG auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Voraussetzung für die Vereitelung des Erfolges einer Maßnahme Vorsatz, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung dieses Tatbestandes hingegen nicht hin (vgl. ua. die Erkenntnisse vom , Slg Nr. 13722/A, und vom , Zl. 94/08/0050). Um in Bezug auf eine bestimmte Maßnahme von Vereitelung ihres Erfolges sprechen zu können, ist daher erforderlich, dass der Arbeitslose weiß, an welchen Defiziten er leidet, und die Ziele kennt, die mit der Maßnahme erreicht werden sollen. Wurden dem Arbeitslosen weder seine Ausbildungsdefizite dargelegt noch ihm erklärt, welcher Erfolg demnach mit der Maßnahme erreicht werden soll, kann ihm nicht unterstellt werden, er habe deren Erfolg vorsätzlich vereitelt (§ 10 Abs. 1 zweiter Teilstrich AlVG - vgl. aus jüngerer Zeit das Erkenntnis vom , Zl. 2004/08/0210).

Die belangte Behörde hat die Annahme der Vereitelung einerseits auf das Fernbleiben der Beschwerdeführerin durch insgesamt vier Tage vom Kurs gestützt, andererseits darauf, dass dieses Fernbleiben nicht (ergänze: im Vorhinein) entschuldigt worden sei.

Abgesehen davon, dass in der Beschwerde darauf hingewiesen wird, dass einer dieser Tage (nämlich der ) ein kursfreier Feiertag gewesen sei, lässt die belangte Behörde jede Begründung dafür vermissen, wie sie dazu gelangte, der Beschwerdeführerin Vorsatz vorzuwerfen. Es ist jedenfalls ohne nähere Begründung weder erkennbar, dass das Ziel der Maßnahme schon durch den Umstand, dass die Entschuldigung für die Abwesenheiten zum Teil erst im Nachhinein erfolgte, vereitelt werden konnte, noch dass das Fernbleiben der Beschwerdeführerin selbst vom Vereitelungsvorsatz getragen gewesen wäre, führt doch die belangte Behörde selbst keinen Umstand ins Treffen, der zu dem Schluss berechtigen könnte, die Abwesenheiten wegen erforderlicher Arztbesuche bzw. wegen der Wahrnehmung eines Termins mit den Stadtwerken seien nicht als sachlich begründet zu beurteilen oder es seien die behaupteten Gründe bloß vorgeschützt gewesen.

Selbst wenn es daher zutreffen sollte, dass durch das Gesamtausmaß der Absenzen der Beschwerdeführerin der Erfolg der Maßnahme vereitelt wurde (eine nachvollziehbare Begründung für diesen Kausalzusammenhang wird von der belangten Behörde allerdings nicht gegeben), so ist aus dem angefochtenen Bescheid jedenfalls kein Grund dafür ersichtlich, aus welchem der Beschwerdeführerin angelastet werden könnte, ihr Verhalten sei von einem Vereitelungsvorsatz getragen gewesen.

Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen zu werden brauchte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am