VwGH vom 19.10.2005, 2004/08/0140
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der C in Z, vertreten durch Dr. Markus Weinl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntnerring 3, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom , Zl. 121.945/1-3/03, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Herstellung des gesetzlichen Zustandes gemäß § 101 ASVG wegen entschiedener Sache (mitbeteiligte Partei: Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1. Die Beschwerdeführerin verunglückte am auf einem Betriebsausflug anlässlich einer Vergnügungsfahrt mit einem pferdegezogenen landwirtschaftlichen Anhänger und wurde schwer verletzt. Mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom wurde der Arbeitgeber der Beschwerdeführerin wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung rechtskräftig verurteilt. Die mitbeteiligte Partei erkannte mit Schreiben vom den Unfall als Arbeitsunfall an, lehnte jedoch mit dem zunächst in Rechtskraft erwachsenen Bescheid vom die Gewährung einer Rente gemäß § 203 ASVG ab.
2. Mit dem zunächst ebenfalls unangefochten in Rechtskraft erwachsenen Bescheid der mitbeteiligten Partei vom wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom auf Gewährung einer Integritätsabgeltung mit folgender Begründung abgewiesen:
"Gemäß § 213a Abs. 1 ASVG gebührt eine Integritätsabgeltung, wenn der Arbeitsunfall durch die grob fahrlässige Außerachtlassung von Arbeitnehmerschutzvorschriften verursacht worden ist und eine erhebliche und dauernde Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Integrität zur Folge hat. Eine solche Beeinträchtigung liegt vor, wenn der Grad des Integritätsschadens zum mindestens 50 v.H. beträgt (...).
Nach den Ergebnissen unserer Erhebungen sowie der ärztlichen Begutachtung wurde Ihr Arbeitsunfall nicht durch eine grob fahrlässige Außerachtlassung von Arbeitnehmerschutzvorschriften verursacht und hat auch keinen Grad des Integritätsschadens von mindestens 50 v.H. zum zur Folge."
Den Antrag der Beschwerdeführerin vom auf rückwirkende Herstellung des gesetzlichen Zustandes (§ 101 ASVG) hinsichtlich des zuletzt erwähnten Bescheides vom und Zuerkennung einer Integritätsabgeltung wies der im Devolutionsweg zuständig gewordene Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen mit Bescheid vom rechtskräftig ab. Die dagegen erhobene Verwaltungsgerichtshofbeschwerde blieb erfolglos (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/08/0588).
3. Mit Bescheid vom stellte die mitbeteiligte Partei den unter Punkt 1 erwähnten, den Anspruch auf Unfallrente ablehnenden Bescheid vom gemäß § 101 ASVG richtig und sprach der Beschwerdeführerin für die Zeit vom bis über den hinaus eine Unfallrente zu.
Die mitbeteiligte Partei stellte in diesem Bescheid fest, dass die Beschwerdeführerin in ihrer Erwerbsfähigkeit vom bis zum um 60 %, vom bis zum um 50 %, vom bis zum um 60 % und ab bis auf weiteres um 35 % vermindert gewesen sei.
4. Unter Berufung auf diesen Bescheid vom beantragte die Beschwerdeführerin am neuerlich die Gewährung einer Integritätsabgeltung gemäß § 213a ASVG.
Die mitbeteiligte Partei wies diesen Antrag mit Bescheid vom wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurück.
4.1. Den gegen diesen Bescheid von der Beschwerdeführerin erhobenen Einspruch wies der Landeshauptmann von Vorarlberg mit Bescheid vom ab: Gegenstand des Verwaltungsverfahrens sei die Zulässigkeit der Zurückweisung des Antrages der Beschwerdeführerin auf Gewährung einer Integritätsabgeltung vom . Es handle sich um eine Verwaltungssache im Sinne des § 355 ASVG, woraus sich die sachliche Zuständigkeit des Landeshauptmannes zur Erledigung des Einspruches gemäß § 413 ASVG ableite. Inhaltlich beurteilte die belangte Behörde das Vorliegen des Verfahrenshindernisses der entschiedenen Sache dahin, dass sich der Sachverhalt zwar insofern geändert habe, als am (zum Stichtag ) ein Rentenanspruch der Beschwerdeführerin bejaht worden sei. Diese Sachverhaltsänderung sei jedoch nicht wesentlich. Der Verwaltungsgerichtshof habe mit dem bereits zitierten Erkenntnis vom , Zl. 97/08/0588, ausgesprochen, dass bei dem Unfall im Rahmen eines Betriebsausfluges keine Arbeitnehmerschutzvorschriften verletzt worden seien. Eine Integritätsabgeltung gemäß § 213a ASVG setze jedoch nicht nur das Vorliegen eines Arbeitsunfalls und einen Anspruch auf Versehrtenrente, sondern auch noch voraus, dass der Arbeitsunfall durch die grob fahrlässige Außerachtlassung von Arbeitnehmerschutzvorschriften verursacht worden sei. Lege man die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes auch dem vorliegenden Verfahren zu Grunde, so sei ein Anspruch der Beschwerdeführerin auf Integritätsabgeltung schon aus diesem Grunde ausgeschlossen. Die Zuerkennung der Versehrtenrente mit dem Bescheid der mitbeteiligten Partei vom könne daher keine wesentliche Änderung des Sachverhaltes darstellen. Dem neuen Antrag auf Zuerkennung der Integritätsabgeltung stehe daher die Rechtskraft des Bescheides vom entgegen.
4.2. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Zl. 2001/08/0057, als unbegründet abgewiesen. Der zu beurteilende Sachverhalt habe seit dem Zeitpunkt der rechtskräftigen Abweisung des Antrags der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung einer Integritätsabgeltung vom durch den Bescheid der mitbeteiligten Partei vom keine Änderung erfahren. Auch der Umstand, dass mittlerweile ein Bescheid der mitbeteiligten Partei vom vorliege, mit dem erstmalig eine Dauerrente der Beschwerdeführerin festgestellt worden sei, vermöge "in den maßgebenden Sachverhalt nicht mehr einzugreifen". Der neuerliche Antrag auf Zuerkennung der Integritätsabgeltung sei daher gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen gewesen.
Der Verwaltungsgerichtshof ging in diesem Erkenntnis aber auch auf die Möglichkeit ein, den Antrag der Beschwerdeführerin vom - anders als dies die Behörden des Verwaltungsverfahrens getan hatten - als Antrag auf rückwirkende Herstellung des gesetzlichen Zustandes gemäß § 101 ASVG zu deuten, kam aber auch für den Fall einer solchen Deutung zu keinem anderen Ergebnis: Es wäre - so der Verwaltungsgerichtshof in der Begründung dieses Erkenntnisses - damit nämlich
"für die Beschwerdeführerin nichts gewonnen, weil auch diesem Antrag kein relevanter neuer Sachverhalt zu Grunde läge und ihm die Rechtskraft des die Herstellung des gesetzlichen Zustandes ablehnenden Bescheides des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom entgegen stünde:
Nach dem die Herstellung des gesetzlichen Zustandes abweisenden Bescheid vom steht nämlich rechtskräftig fest, dass ein wesentlicher Rechtsirrtum bei Erlassung des ablehnenden Bescheides der mitbeteiligten Partei vom zu verneinen ist, weil der Versicherungsfall des Integritätsschadens mangels Verletzung von Arbeitnehmerschutzvorschriften nicht vorliegt. Das dem neuen Antrag der Beschwerdeführerin auf Herstellung des gesetzlichen Zustandes zu Grunde liegende Vorbringen der Beschwerdeführerin über den eine Dauerrente zuerkennenden Bescheid der mitbeteiligten Partei vom ist in Anbetracht dessen ungeeignet, zu einer anderen Beurteilung zu führen."
5. Aus der vorliegenden Beschwerde und dem ihr beigeschlossenen angefochtenen Bescheid ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin am neuerlich beantragt hat, hinsichtlich des Bescheides der mitbeteiligten Partei vom , mit dem ein Antrag auf Zuerkennung einer Integritätsabgeltung abgewiesen wurde, gemäß § 101 ASVG den gesetzlichen Zustand (den die Beschwerdeführerin in der Zuerkennung einer solchen Integritätsabgeltung erblickt) herzustellen.
Dieser Antrag wurde von dem im Devolutionsweg angerufenen Landeshauptmann von Vorarlberg mit Bescheid vom wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
Die von der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid abgewiesen.
6. Dagegen richtete sich die zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde gemäß Art. 144 B-VG. Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung dieser Beschwerde mit Beschluss vom , B 235/04, abgelehnt und sie mit Beschluss vom gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
7. Über die von der Beschwerdeführerin vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die vorliegende Beschwerde macht der Sache nach geltend, dass sich auf Grund der "Änderung des Rentenanspruches" der Beschwerdeführerin die Sachlage in einem wesentlichen Punkt geändert habe.
Die Beschwerdeführerin übersieht dabei aber, dass der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde, welche von der Beschwerdeführerin gegen den einen Antrag nach § 101 ASVG abweisenden Bescheid der belangten Behörde erhoben worden war, mit Erkenntnis vom , Zl. 97/08/0588, mit der wesentlichen Begründung abgewiesen hat, dass (unfallkausale) Verstöße des Dienstgebers gegen die Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung 1960 oder des Kraftfahrgesetzes 1967 nicht allein dadurch, dass diese Verstöße im Rahmen eines Betriebsausfluges geschehen sind, die solcherart verletzten Bestimmungen dieser Gesetze in den Rang von Arbeitnehmerschutzbestimmungen erheben.
Es war auf dem Boden dieser rechtlichen Beurteilung des Verwaltungsgerichtshofes daher gegenüber jener Rechtslage, die für die seinerzeitige Verneinung des Anspruchs der Beschwerdeführerin auf Integritätsabgeltung maßgebend gewesen ist und auch von der mitbeteiligten Partei zutreffend beurteilt worden war, keine Änderung eingetreten und der auf § 101 ASVG gestützte Antrag daher zu Recht abgewiesen worden. Auf die nähere Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.
Dieselbe Auffassung hat der Verwaltungsgerichtshof in dem weiteren, eine Beschwerde der Beschwerdeführerin abweisenden Erkenntnis vom , Zl. 2001/08/0057, bekräftigt, wie aus der oben wiedergegebenen Begründung dieses Erkenntnisses hervorgeht.
Die Behörden des Verwaltungsverfahrens sind daher zu Recht davon ausgegangen, dass ein weiterer von der Beschwerdeführerin gestellter und auf § 101 ASVG gestützter Antrag, mit dem sie dasselbe Ziel verfolgte, wie mit ihren bisherigen Anträgen (nämlich die Abänderung des rechtskräftigen Bescheides der mitbeteiligten Partei vom im Sinne der Gewährung einer Integritätsabgeltung an die Beschwerdeführerin), ohne dass sich an der dargestellten, ihrem Anspruch weiterhin entgegenstehenden Rechtslage etwas geändert hätte, wegen res iudicata zurückzuweisen ist.
Da es sich dabei um einen verfahrensrechtlichen Bescheid gehandelt hat, mit dem die Zulässigkeit einer neuerlichen Erörterung der Sachfrage zu Recht verneint wurde, ist auch auf die an diesem Verfahrensthema vorbeigehenden umfangreichen, zum Teil in Wiederholungen bestehenden Beschwerdeausführungen, die lediglich dartun sollen, dass ein Anspruch der Beschwerdeführerin auf Integritätsabgeltung dennoch bestünde, nicht weiter einzugehen.
Da somit bereits die Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war diese ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Wien, am