VwGH vom 13.12.2001, 99/21/0197
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
99/21/0198 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des M in Tschechien, geboren am , vertreten durch Dr. Daniel Charim, Mag. Wolfgang Steiner und Mag. Anton Hofstetter, Rechtsanwälte in 1090 Wien, Wasagasse 4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom , Zl. Fr 1074/99, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen tschechischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 8 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein bis befristetes Aufenthaltsverbot.
Begründend führte sie im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei am in P. im Anwesen des H. N. von Beamten des Arbeitsinspektorates Wien bei einer Beschäftigung betreten worden. Er habe angegeben, dass er sich seit in Österreich aufhielte. Er wäre gekommen, um hier als Gast das Orgien-Mysterien-Theater des H. N. in P. anzusehen. Eintrittsgeld oder Mitgliedsbeitrag hätte er nicht zahlen müssen. Seit hätte er seinem Vater, der seit Jahren für H. N. tätig wäre, mehrmals geholfen. Er hätte Weinfässer und schwere Gegenstände getragen. Für Essen, Trinken und Quartier hätte er nichts bezahlen müssen. Von seinem Vater wäre ihm Geld versprochen worden. Es wäre nicht richtig, dass er bei der Betretung durch Beamte des Arbeitsinspektorates Wien Weinfässer getragen hätte. Gestern hätte er Lebensmittel mit einem Auto geführt und vorgestern Weinfässer transportiert. Er hätte keine tägliche geregelte Arbeitszeit gehabt, sondern immer dann geholfen, wenn sein Vater dies gesagt hätte.
In der Berufung - so die weitere Bescheidbegründung - habe der Beschwerdeführer im Wesentlichen geltend gemacht, seine Aussage wäre unrichtig protokolliert worden.
Die belangte Behörde gehe eindeutig vom Vorliegen einer illegalen Beschäftigung entgegen dem Ausländerbeschäftigungsgesetz aus. Zentrales Beurteilungskriterium sei die niederschriftliche Vernehmung des Beschwerdeführers. So habe er angegeben, für die Tätigkeiten Essen und Trinken bzw. das Quartier kostenlos zu erhalten; Entlohnung sei versprochen worden und die Arbeiten seien ihm von seinem Vater aufgetragen worden. Seinen Berufungsangaben, wonach er sich lediglich als Mitglied des Vereines zur Förderung des Orgien-Mysterien-Theaters am Veranstaltungsort befunden hätte, könne kein Glauben geschenkt werden. Die Zuständigkeit des Arbeitsinspektorates Wien sei für die östlichen Bezirke Niederösterreichs gegeben; diese Frage sei im Übrigen unerheblich. Da der Beschwerdeführer in Österreich einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sei, sei er auch sichtvermerkspflichtig gewesen und habe sich somit illegal in Österreich aufgehalten. An der Verhinderung von "Schwarzarbeit" bestehe ein großes öffentliches Interesse und es sei die in § 36 Abs. 1 FrG normierte Annahme gerechtfertigt. Ein geordnetes Fremdenwesen sei für den österreichischen Staat von eminentem Interesse und es komme den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu. Der Beschwerdeführer habe keinen besonderen Österreichbezug und es lägen auch keine längeren rechtmäßigen Aufenthalte vor. Die Behörde sehe sich außer Stande, die Kannbestimmung des § 36 Abs. 1 FrG zu seinen Gunsten anzuwenden. Durch die Verhängung des Aufenthaltsverbotes erfolge zwar unter Berücksichtigung des Aufenthalts seines Vaters in Österreich ein geringfügiger Eingriff in sein Privat- oder Familienleben, doch sei das Aufenthaltsverbot bei Abwägung der dafür und dagegen sprechenden öffentlichen und privaten Interessen dringend geboten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Gemäß § 36 Abs. 2 Z. 8 FrG gilt als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1, wenn ein Fremder von einem Organ der Arbeitsinspektorate, der regionalen Geschäftsstellen oder der Landesgeschäftsstellen des Arbeitsmarktservice bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht hätte ausüben dürfen.
Gemäß § 2 Abs. 2 AuslBG gilt als Beschäftigung u. a. die Verwendung in einem Arbeitsverhältnis (lit. a) oder in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis, sofern die Tätigkeit nicht auf Grund gewerberechtlicher oder sonstiger Vorschriften ausgeübt wird (lit. b). Der Begriff des Arbeitsverhältnisses im Sinn dieser Bestimmung ist mit dem des Arbeitsverhältnisses im Arbeitsvertragsrecht ident und erfordert die Verrichtung von Arbeitsleistungen gegen ein von der Arbeitszeit abhängiges Entgelt in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit des Beschäftigten von einem Arbeitgeber mittels Weisungsgebundenheit (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/18/0427, unter Hinweis auf Schnorr, Ausländerbeschäftigungsgesetz4, 1998, Rz. 2 zu § 2). Bei Gefälligkeitsdiensten ohne jede Rechtspflicht sind die Merkmale eines Arbeitsverhältnisses und damit das Bewilligungserfordernis nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht gegeben (Schnorr, a. a.O.).
Arbeitnehmerähnlich iSd Abs. 2 lit. b AuslBG ist eine Rechtsbeziehung, wenn der Beschäftigte persönlich nicht weisungsgebunden, wirtschaftlich aber abhängig ist. Dabei liegen zwar die dienstvertraglichen Tatbestandsmerkmale nach § 1151 Abs. 1 ABGB vor, es fehlt aber die persönliche Abhängigkeit (Schnorr, a.a.O., Rz. 3). Für die wirtschaftliche Abhängigkeit ist entscheidend, dass der Dienstnehmer Gegenleistungen aus dem Rechtsverhältnis mit dem Empfänger der Arbeitsleistung erhält. Bedeutend ist der "organisatorische" Aspekt, der darin besteht, dass der Arbeitnehmer wegen der Art und Weise der Tätigkeit trotz fehlender persönlicher Abhängigkeit nicht mehr in der Lage ist, seine Arbeitskraft anderweitig für Erwerbszwecke einzusetzen und daher unter ähnlichen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen wie der persönlich abhängige Arbeitnehmer tätig wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/09/0036).
Die aus den Ausführungen zur Beweiswürdigung ableitbaren Feststellungen der belangten Behörde beschränken sich diesbezüglich auf die Aussage, der Beschwerdeführer habe für die Tätigkeiten Essen und Trinken bzw. das Quartier kostenlos erhalten, es sei ihm eine Entlohnung versprochen worden und es sei ihm die Arbeit von seinem Vater aufgetragen worden. Indem die belangte Behörde meint, aus diesen Feststellungen eine Beschäftigung im Sinn des § 2 Abs. 2 AuslBG ableiten zu können, unterliegt sie einem Rechtsirrtum. Zutreffend weist die Beschwerde darauf hin, dass - wie bereits in der Berufung geltend gemacht - Feststellungen über einen Arbeitsvertrag völlig fehlen. Insbesondere wurde nicht festgestellt, mit wem der Beschwerdeführer eine vertragliche Arbeitsbeziehung eingegangen sei. Auch finden sich Feststellungen weder über den Inhalt der Arbeitsvereinbarung - etwa über die Arbeitszeit, Arbeitsdauer, die Art der Beschäftigung oder die Entlohnung - noch über die Art des oben definierten organisatorischen Aspekts bei allenfalls fehlender persönlicher Abhängigkeit. Wenn auch nicht verkannt werden soll, dass sich der Arbeitgeber bei Erteilung der Arbeitsanweisungen eines Bevollmächtigten bedienen dürfte, fehlt es dennoch - wie bereits ausgeführt - an der für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses oder arbeitnehmerähnlichen Verhältnisses erforderlichen Feststellung eines Vertragspartners. Solche Feststellungen sind im Beschwerdefall insbesondere angesichts des Umstandes erforderlich, dass im Hinblick auf die Erteilung der Arbeitsanweisungen durch den Vater des Beschwerdeführers eine Arbeitsleistung bloß aus Gefälligkeit nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann.
Indem die belangte Behörde aus den genannten Feststellungen auf das Vorliegen eines bewilligungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses geschlossen hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Bei diesem Ergebnis kann dahingestellt bleiben, ob der belangten Behörde - wie in der Beschwerde behauptet - Verfahrensfehler vorzuwerfen sind.
Soweit in der Beschwerde die Zuständigkeit der eingeschrittenen Organe des Arbeitsinspektorates "Wien" angesprochen wird, ist zu bemerken, dass diese nach der Verordnung BGBl. Nr. 994/1994 idF II 170/1997 - worauf in den Verwaltungsakten ausdrücklich hingewiesen wurde - gegeben war. Gemäß § 7 der genannten Verordnung gehen nämlich die Wahrnehmung der dem Arbeitsinspektorat in St. Pölten übertragenen Aufgaben und Befugnisse nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz u.a. für den Verwaltungsbezirk Gänserndorf mit Wirkung vom auf das Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten in Wien über. Gemäß § 1 der genannten Verordnung haben aber auch die übrigen Arbeitsinspektorate (so auch das für den 6. Aufsichtsbezirk, der auch den Verwaltungsbezirk Gänserndorf umfasst, mit Sitz in Wien) im Rahmen ihres örtlichen Wirkungsbereiches (dargelegt in der Verordnung BGBl. Nr. 237/1993 idF 693/1995) auf die Einhaltung der Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes zu achten und das Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten in Wien bei der Wahrnehmung der ihm zugeordneten Aufgaben und Befugnisse nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz zu unterstützen. Entgegen der Beschwerdemeinung war vorliegend somit kein Arbeitsinspektorat mit Sitz in Niederösterreich zuständig.
Die beantragte Durchführung der Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG unterbleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am