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VwGH vom 13.12.2001, 99/21/0004

VwGH vom 13.12.2001, 99/21/0004

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des O in L, geboren am , vertreten durch Dr. Gottfried Waibel, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Schulgasse 7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom , Zl. Frb-4250a-92/96, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 6 iVm den §§ 37 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf sechs Jahres befristetes Aufenthaltsverbot.

Diese Maßnahme begründete sie im Wesentlichen folgendermaßen:

Der Beschwerdeführer sei im Dezember 1991 "bzw." Jänner 1992 sichtvermerksfrei in das österreichische Bundesgebiet eingereist; seit sei er Gesellschafter einer namentlich genannten Gesellschaft. Vom bis habe er über entsprechende Aufenthaltsbewilligungen für Österreich verfügt. Am sei er vom Arbeitsinspektorat wegen einer Beschäftigung (nach dem Akteninhalt: Aufbringen von Bodenmarkierungen) zur Anzeige gebracht worden, die er nach den Bestimmungen des § 3 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes nicht hätte ausüben dürfen.

Am habe er fristgerecht einen Antrag auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung gestellt. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens habe festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer bereits seit dem Jahr 1993 über kein ausreichendes Einkommen verfüge, um einen gesicherten Unterhalt nachzuweisen. Der Beschwerdeführer sei bis zum Jahr 1997 lediglich Gesellschafter, nicht jedoch Angestellter gewesen. In den Bilanzen der Jahre 1994 bis 1996 würden keine Gewinnausschüttungen und für das Jahr 1997 höchstens ein Betrag von monatlich S 2.129,-- "an Gesellschaftsanteil" aufscheinen. Dass der Beschwerdeführer - wie er behauptet - ab zusätzlich ein monatliches Entgelt von S 8.500,-- als Angestellter der Gesellschaft erhalte, werde in Übereinstimmung mit der erstinstanzlichen Behörde als Schutzbehauptung gewertet. Die Bezahlung eines Angestellten müsste in der Bilanz der Gesellschaft oder zumindest durch entsprechende Auszahlungsbelege oder Lohnabrechnungen nachweisbar sein. Wenn die Auszahlung dieses Betrages aus steuerlichen Überlegungen nicht in nachvollziehbarer Weise erfolgt sei, so müsse er sich dies nunmehr zum Nachteil anrechnen lassen. Weder ein Sachverständiger des Amtes der Vorarlberger Landesregierung noch die Steuerberaterin der genannten Firma seien in der Lage gewesen abzuklären, woraus oder wie die Bezahlung an den Beschwerdeführer erfolgt sein könnte. Von der Vernehmung des Zeugen BG hinsichtlich der Barauszahlung von S 8.500,-- an den Beschwerdeführer werde Abstand genommen, da dessen Angaben bereits schriftlich vorlägen. Der Beschwerdeführer verfüge über keinen gesicherten Lebensunterhalt und habe versucht, sich durch Vortäuschung eines gesicherten Lebensunterhaltes mittels Gefälligkeitsbestätigungen die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 31 Abs. 1 und Abs. 3 FrG zu verschaffen. Dadurch sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG erfüllt. Die Aufenthaltsverfestigung gemäß § 35 Abs. 1 FrG komme nicht zur Anwendung. Das Aufenthaltsverbot stütze sich nämlich nicht auf das mangelnde Einkommen des Fremden, sondern auf seine falschen Angaben gegenüber den österreichischen Behörden. Es sei die Annahme gerechtfertigt, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde sowie anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe. Auch wenn auf den Beschwerdeführer das Assoziationsabkommen EWG-Türkei zur Anwendung kommen sollte, ändere dies nichts an dem Umstand, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes aus dringenden Gründen "möglich" sei.

Der Beschwerdeführer sei ledig, wobei sich eine Vielzahl von Verwandten in Österreich aufhielten. Auf Grund des ca. siebenjährigen rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthaltes in Österreich stelle das Aufenthaltsverbot einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben dar. Für die öffentliche Ruhe und Ordnung sei aber von besonderer Bedeutung, dass falsche Angaben vor Behörden nicht akzeptiert würden. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei somit dringend geboten. Weiters überwiege das öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers. Die dargelegte unerlaubte Beschäftigung zeige, dass der Beschwerdeführer nicht bereit sei, sich an die gesetzlichen Vorgaben zu halten. Die Dauer des Aufenthaltsverbotes von sechs Jahren erscheine erforderlich, um den Beschwerdeführer dazu zu veranlassen, sich künftig gesetzeskonform zu verhalten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Indem sich die Beschwerde auch gegen die Dauer des Aufenthaltsverbotes wendet, zeigt sie eine dem angefochtenen Bescheid anhaftende inhaltliche Rechtswidrigkeit auf. Gemäß § 39 Abs. 1 FrG kann das Aufenthaltsverbot in den Fällen des § 36 Abs. 2 Z. 1 und 5 unbefristet, im Fall des § 36 Abs. 2 Z. 9 leg. cit. für die Dauer von höchstens fünf Jahren, sonst nur für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Die vorliegend festgesetzte Gültigkeitsdauer von sechs Jahren erscheint unangemessen, zieht man in Betracht, dass in den Fällen des § 36 Abs. 2 Z. 9 FrG ("Scheinehefälle") ein Aufenthaltsverbot nur für die Dauer von höchstens fünf Jahren erlassen werden darf (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/21/0303). Die Anzeige vom wegen einer unerlaubten Beschäftigung kann zur Verstärkung des maßgeblichen Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers (und zur Rechtfertigung einer Dauer des Aufenthaltsverbotes von sechs Jahren) nicht herangezogen werden, weil die belangte Behörde die Verantwortung des Beschwerdeführers, es habe sich um eine aushilfsweise einmalige und kurz andauernde Tätigkeit aus Gefälligkeit gehandelt, ungeprüft im Raum stehen gelassen hat.

Abgesehen von dieser inhaltlichen Rechtswidrigkeit zeigt der Beschwerdeführer aber auch einen dem angefochtenen Bescheid anhaftenden Verfahrensmangel auf. Im Verwaltungsverfahren hat er vorgebracht, als Gesellschafter seit vom Geschäftsführer BG monatlich S 8.500,-- bar ausbezahlt zu bekommen. Zum Nachweis dieser Behauptung hat er die Vernehmung des BG beantragt. Diesem Antrag ist die belangte Behörde mit dem Hinweis auf dessen schriftliche Angaben nicht nachgekommen, sondern hat dieses Vorbringen mit der Begründung als Schutzbehauptung gewertet, dass diese Zahlungen in der Bilanz der Gesellschaft oder zumindest durch entsprechende Auszahlungsbelege oder Lohnabrechnungen nachweisbar sein müssten. Die weitere Begründung, der Beschwerdeführer müsse sich zum Nachteil anrechnen lassen, wenn die Auszahlung dieses Betrages aus steuerlichen Überlegungen nicht in nachvollziehbarer Weise erfolgt sei, rechtfertigt nicht die Abstandnahme von der beantragten Beweisaufnahme. Es kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass die Vernehmung des beantragten Zeugen - mag von ihm auch eine schriftliche Stellungnahme vorliegen - den Beweis hätte erbringen können, dass dieser - aus welchen Mitteln immer - monatlich einen fixen Betrag an den Beschwerdeführer ausgezahlt habe.

Soweit die Beschwerde auf eine Aufenthaltsverfestigung gemäß § 35 Abs. 1 FrG verweist, ist ihr insoweit zuzustimmen, dass diese Aufenthaltsverfestigung auch im Bereich des § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG eine Rolle spielen kann. Gemäß § 35 Abs. 1 FrG dürfen Fremde, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet auf Dauer niedergelassen waren, u. a. mangels eigener Mittel zu ihrem Unterhalt nicht ausgewiesen werden, wenn und so lange erkennbar ist, dass der Fremde bestrebt ist, die Mittel zu seinem Unterhalt durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern, und dies nicht aussichtslos scheint. Gemäß § 12 Abs. 3 FrG darf Fremden wegen eines Sachverhaltes, der keine Ausweisung oder kein Aufenthaltsverbot zulässt, ein weiterer Aufenthaltstitel für denselben Aufenthaltszweck nicht versagt werden. Das Fehlen der Mittel zum Unterhalt kann somit dann nicht als Versagungsgrund nach § 10 Abs. 2 Z. 1 FrG herangezogen werden, wenn der Aufenthalt des Fremden nach § 35 Abs. 1 FrG bereits verfestigt ist. Diese Verfestigung bewirkt dann aber auch, dass einer unrichtigen Angabe im Sinn des § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG über das Vorhandensein von Mitteln zum Unterhalt keine Bedeutung für die Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung zukommt. Selbst wenn daher unter der Annahme einer entsprechenden Erklärungsabsicht der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG verwirklicht ist, wird es weiterer Gründe bedürfen, um die für die Zukunft zu stellende Gefährlichkeitsprognose iSd § 36 Abs. 1 leg. cit. bejahen zu können.

Ob der Beschwerdeführer - wie in der Beschwerde behauptet - in den begünstigten Personenkreis des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei fällt, wird im fortzusetzenden Verfahren unter Berücksichtigung der Behauptung, er sei ab auch in der genannten Firma beschäftigt, zu prüfen sein.

Wegen der eingangs genannten inhaltlichen Rechtswidrigkeit war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die beantragte Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG unterbleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am