VwGH vom 25.10.2006, 2004/08/0001
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des Prof. J in W, vertreten durch Dallmann & Partner, Rechtsanwälte in 1040 Wien, Gusshausstraße 2, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom , Zl. 224.894/1-3/03, betreffend Pflichtversicherung nach § 4 Abs. 1 Z. 6 ASVG (mitbeteiligte Parteien: 1. U AG, W,
2. Wiener Gebietskrankenkasse, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30,
3. Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, 4. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1201 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65, 5. Arbeitsmarktservice Wien, Landesgeschäftsstelle, 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 55-57), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 sowie der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schriftsatz vom beantragte der Beschwerdeführer, die Wiener Gebietskrankenkasse möge mit Bescheid "feststellen", dass er seit nicht der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliege, dass seit die Beiträge zur Pensionsversicherung zu Ungebühr entrichtet worden seien, und dass die zu Ungebühr seit entrichteten Beiträge zur Pensionsversicherung zurückzuzahlen seien.
Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse sprach mit Bescheid vom aus, dass der Beschwerdeführer auf Grund seiner Tätigkeit als Vorstandsmitglied der erstmitbeteiligten Partei, einer Aktiengesellschaft, gemäß § 4 Abs. 1 Z. 6 ASVG auch in der Zeit ab der Vollversicherungspflicht (Kranken-, Unfall-, und Pensionsversicherungspflicht) unterliege und lehnte den Antrag auf Rückerstattung der auf Grund dieser Tätigkeit "im gegenständlichen Zeitraum" entrichteten Beiträge in der Pensionsversicherung gemäß § 69 Abs. 1 und 6 ASVG als unbegründet ab.
Begründend führte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei seit Vorstandsmitglied der erstmitbeteiligten Partei. Die Meldungen zur Sozialversicherung seien durch den Dienstgeber ordnungsgemäß erstattet worden und die Versicherung sei weiterhin aufrecht. Mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten vom sei dem Beschwerdeführer der Anspruch auf Alterspension ab zugesprochen worden; die Alterspension sei als Teilpension gewährt worden. In der Folge sei gemäß § 261b ASVG ab der Pensionsanspruch des Beschwerdeführers durch die Pensionsversicherungsanstalt mit Bescheid vom erhöht worden. § 4 Abs. 1 Z. 6 ASVG bestimme seit dem , dass Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften vollversichert seien, wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen sei, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründe.
Der vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobene Einspruch wurde, soweit er sich auf die Versicherungspflicht bezog, vom Landeshauptmann für Wien mit Teilbescheid vom abgewiesen. Der dagegen erhobenen Berufung hat die belangte Behörde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid keine Folge gegeben.
Nach Wiedergabe des Verfahrensganges sowie des § 4 Abs. 1 Z. 6 ASVG führte die belangte Behörde begründend aus, dass der Beschwerdeführer laut Firmenbuch seit ohne Unterbrechung Vorstandsmitglied der erstmitbeteiligten Partei sei; er erhalte von dieser Gesellschaft unbestritten ein monatliches Entgelt in einer die Geringfügigkeitsgrenze übersteigenden Höhe ausbezahlt. Eine sonstige Ausnahme von der Versicherungspflicht gemäß § 6 oder § 7 ASVG liege nicht vor. Da die Tatbestandsmerkmale des § 4 Abs. 1 Z. 6 ASVG erfüllt seien, unterliege daher die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft der Vollversicherungspflicht, unabhängig von der Ausübung einer anderen Beschäftigung oder vom Bezug einer Pension. Von einer Befreiung von der Pensionsversicherungspflicht könne unter Beachtung der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum Grundsatz der Mehrfachversicherung keine Rede sein.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom , B 1322/03, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhalts des angefochtenen Bescheides geltend und stellt den Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte unter Abstandnahme von der Erstattung einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt erklärte, auf die Erstattung einer Gegenschrift zu verzichten. Die übrigen mitbeteiligten Parteien haben sich am Verfahren nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. § 4 Abs 1 Z 6 ASVG in der für den Beschwerdefall maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 138/1998 lautet:
"§ 4. (1) In der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung sind auf Grund dieses Bundesgesetzes versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet:
...
6. Vorstandsmitglieder (Geschäftsleiter) von Aktiengesellschaften, Sparkassen, Landeshypothekenbanken sowie Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit und hauptberufliche Vorstandsmitglieder (Geschäftsleiter) von Kreditgenossenschaften;"
2. Nach Ansicht des Beschwerdeführers habe die belangte Behörde § 4 Abs. 1 Z. 6 ASVG nicht verfassungskonform ausgelegt.
Wörtlich führt er dazu aus:
"Die Versicherungspflicht gem. § 4 Abs 6 (gemeint: Abs. 1) Z 6 ASVG endet - dem Wortlaut nach - gem. § 11 Abs 1 ASVG mit dem Ende des 'Beschäftigungsverhältnisses'. Darunter ist offensichtlich das Vertragsverhältnis gem. § 75 AktG zu verstehen. Dieses Vertragsverhältnis ist bei Vorstandsmitgliedern ein freier Dienstvertrag. Bei der Auslegung des § 11 Abs 1 ASVG muss darauf geachtet werden, dass das Gleichheitsgebot der Verfassung berücksichtigt wird. Eine solche Berücksichtigung muss zu dem Ergebnis führen, dass der § 273 Abs 8 GSVG sinngemäß auch auf Vorstandsmitglieder, die 1940 oder vorher geboren sind und eine Alterspension beziehen, angewandt wird, da bei einem Vergleich der Tätigkeit eines Vorstandsmitglieds in persönlicher Unabhängigkeit und der Tätigkeit eines neuen Selbstständigen in persönlicher Unabhängigkeit im Tatsächlichen kein Unterschied zu erkennen ist."
Im weiteren Beschwerdevorbringen macht der Beschwerdeführer zusammengefasst geltend, dass das Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft persönlich selbständig und "einem neuen Selbständigen, der seine Tätigkeit aufgrund eines freien Dienstvertrages ausübt," vergleichbar sei. Neue Selbständige seien unter bestimmten, im § 273 Abs. 8 GSVG festgelegten Bedingungen, die beim Beschwerdeführer vorlägen, von der Pensionsversicherung ausgenommen, da sie für Beiträge praktisch keine Leistungen (Pension) erhalten könnten. Im Gegensatz dazu sei ein Vorstandsmitglied, dass 1940 oder vorher geboren sei und eine Alterspension beziehe, die durch weitere Beiträge auf Grund einer neben der Pension ausgeübten Vorstandstätigkeit nicht erhöht werden könnten, weiterhin in der Pensionsversicherung pflichtversichert. Den weiter andauernden Beitragsleistungen stünden keinerlei zusätzliche Leistungen (Pensionserhöhung) gegenüber. Diese unterschiedliche Behandlung von neuen Selbständigen und Vorstandsmitgliedern sei sachlich nicht gerechtfertigt. Eine verfassungskonforme Interpretation müsse zu dem Ergebnis führen, dass ein Mann, der als Vorstandsmitglied bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres nach ASVG in der Pensionsversicherung pflichtversichert gewesen sei, eine Alterspension beziehe, 1940 oder vorher geboren sei und nach Vollendung des 65. Lebensjahres weiterhin die Tätigkeit eines Vorstandsmitglieds ausübe, für diese Tätigkeiten in der Pensionsversicherung nicht pflichtversichert sei.
3. Der Beschwerdeführer vermag mit diesem Vorbringen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Zunächst ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer im verfahrensgegenständlichen Zeitraum unstrittig als Vorstandsmitglied der erstmitbeteiligten Aktiengesellschaft tätig war und für diese Tätigkeit ein über der Geringfügigkeitsgrenze liegendes Entgelt bezog. Das Vorliegen sonstiger Ausschlussgründe nach den §§ 5 und 6 ASVG bzw. eines nur die Teilversicherung nach § 7 ASVG begründenden Umstandes hat der Beschwerdeführer nicht behauptet; auch die vorgelegten Verwaltungsakten lassen dafür keinen Anhaltspunkt erkennen.
Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 4 Abs. 1 Z 6 ASVG hat die belangte Behörde daher zutreffend für den streitgegenständlichen Zeitraum die Vollversicherungspflicht des Beschwerdeführers festgestellt. Die vom Beschwerdeführer gewünschte Auslegung dieser Bestimmung, wonach - unter ganz bestimmten Umständen (männlicher Versicherter, der erstens als Vorstandsmitglied bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres nach dem ASVG in der Pensionsversicherung pflichtversichert gewesen sei, zweitens eine Alterspension beziehe, drittens 1940 oder vorher geboren sei und viertens nach Vollendung des 65. Lebensjahres weiterhin die Tätigkeit eines Vorstandsmitglieds ausübe) - keine Vollversicherungspflicht bestehe, findet auch im äußersten möglichen Wortsinn dieser Bestimmung keine Deckung, was im Ergebnis auch der Beschwerdeführer selbst einräumt, indem er begehrt, "§ 273 Abs 8 GSVG sinngemäß" anzuwenden.
4. Soweit der Beschwerdeführer in dem Umstand, dass er als Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft - anders als auf Grund der Übergangsvorschrift des § 273 Abs. 8 GSVG bestimmte "neue Selbständige" nach § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG - der Vollversicherung nach dem ASVG unterliegt, eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung zu erkennen vermeint, ist er zunächst auf den in dieser Angelegenheit ergangenen Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes und die darin zitierte verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zu verweisen.
Zudem verkennt der Beschwerdeführer, dass die Übergangsbestimmung des § 273 Abs. 8 GSVG mit der Einbeziehung von - bis zur Schaffung des § 2 Abs 1 Z. 4 GSVG nicht der Sozialversicherung unterliegenden - sogenannten "neuen Selbständigen" in die (subsidiäre) Sozialversicherung nach dem GSVG in Zusammenhang steht und daraus ihre sachliche Rechtfertigung zieht, während die Versicherungspflicht für Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften nach dem ASVG bereits lange vor diesem Zeitpunkt - bis zum als den Dienstnehmern gleichgestellte Personen nach § 4 Abs. 3 Z. 10 ASVG -
bestand; auch bei der Einführung dieser Versicherungspflicht kamen im Übrigen entsprechende Übergangsbestimmungen für ältere Versicherte zum Tragen (vgl. Art. VI Abs. 2 der 37. ASVG-Novelle, BGBl Nr. 588/1981).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am