VwGH vom 21.06.2001, 99/20/0462
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Strohmayer, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des KB in Wien, geboren am , vertreten durch Mag. Martin Kratky, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Museumstraße 4/4, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom , Zl. 210.009/0-VIII/22/99, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Asylangelegenheit (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Armenien, gemäß § 6 Z 1 und 2 AsylG abgewiesen und seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Armenien gemäß § 8 AsylG für zulässig erklärt. Diese Entscheidung wurde damit begründet, dass einerseits das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend seine Identität, seine Fluchtroute und seine Fluchtgründe unglaubwürdig sei und andererseits seinen Angaben zur behaupteten Verfolgung (der Beschwerdeführer befürchte als Unteroffizier in der armenischen Armee auf Grund des Abhandenkommens von Waffen unter anderem eine Gefängnisstrafe) keine Asylrelevanz zukomme.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom Berufung, beantragte die ersatzlose Behebung dieses Bescheides und führte zur Begründung nur wie folgt aus:
"Mit o.g. Bescheiden wird mein Asylantrag abgewiesen und die Abschiebung in mein Heimatland für zulässig erklärt. Eine ausführliche Begründung meiner Berufung werde ich innerhalb einer Frist von 14 Tagen einbringen.
Die Bescheide werden ihrem gesamten Umfang nach wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten."
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 13 Abs. 3 AVG als unzulässig zurück. Sie führte begründend aus, dass die Berufung gemäß § 63 Abs. 3 AVG nicht nur den Bescheid zu bezeichnen habe, gegen den sie sich richte, sondern auch einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten habe. Mit Schreiben vom habe sie den Beschwerdeführer auf diese Voraussetzungen hingewiesen und unter Hinweis auf § 13 Abs. 3 AVG "eine Frist bis längstens (einlangend beim UBAS)" zur Nachreichung einer Berufungsbegründung eingeräumt. Dieses Aufforderungsschreiben sei dem Zustellungsbevollmächtigten des Beschwerdeführers mittels Telefax noch am nachweislich zugestellt worden, die gesetzte Frist sei aber fruchtlos verstrichen. Der Beschwerdeführer habe zwar mit Eingabe vom , welche beim Bundesasylamt, Außenstelle Salzburg, am eingelangt sei (bei der belangten Behörde am eingelangt), die Berufungsbegründung nachgeholt. Da er jedoch der Aufforderung zur Mängelbehebung nicht fristgerecht entsprochen habe, sei die belangte Behörde berechtigt, das Anbringen - ohne weiteres Verfahren - als unzulässig zurückzuweisen. Die Nachreichung der Berufungsbegründung mit Schreiben vom habe weder den gesetzlichen Erfordernissen noch dem Verbesserungsauftrag der Berufungsbehörde entsprochen, sodass sie keine Rechtswirkungen habe entfalten können.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Nach § 63 Abs. 3 AVG hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten.
Ein begründeter Berufungsantrag erfordert, dass aus einer als Berufung zu wertenden Eingabe nicht nur erkennbar ist, was die Partei anstrebt, sondern dass die Eingabe auch erkennen lässt, womit (das heißt mit welchen - wenn auch vielleicht nicht stichhältigen - Gründen) die Partei ihren Standpunkt vertreten zu können glaubt (vgl. dazu die in Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, unter E 3 zu § 63 Abs. 3 AVG referierte hg. Judikatur). Zutreffend ist die belangte Behörde zunächst davon ausgegangen, dass die vorliegende Berufung vom die Voraussetzungen eines begründeten Berufungsantrages im Sinne des § 63 Abs. 3 AVG nicht erfüllte.
Auf Grund der mit in Kraft getretenen Novellierung des § 13 Abs. 3 AVG durch BGBl. I Nr. 158/1998 stellt das Fehlen eines begründeten Berufungsantrages nicht (mehr) einen nicht behebbaren, zur sofortigen Zurückweisung einer Berufung führenden Mangel dar. Die Neufassung des § 13 Abs. 3 AVG stellt nämlich im Gegensatz zu der bis dahin geltenden Rechtslage nicht mehr auf Formgebrechen ab, sondern ganz allgemein auf "Mängel". Damit sind auch solche Mängel, die bisher zur Zurückweisung zu führen hatten, wie etwa das Fehlen eines begründeten Berufungsantrages, einer Verbesserung zuzuführen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/10/0154, mwN). Fehlt ein begründeter Berufungsantrag, ist die Berufung nach § 13 Abs. 3 AVG zur Verbesserung innerhalb einer gleichzeitig zu bestimmenden - angemessenen - Frist zurückzustellen.
Der Beschwerdeführer brachte mit Schriftsatz vom (eingelangt beim Bundesasylamt Salzburg am ) "wie angekündigt die Begründung für die Berufung nach" und legte im Detail dar, weshalb seinen Angaben entgegen den Ausführungen im Bescheid des Bundesasylamtes die Glaubwürdigkeit und die asylrechtliche Relevanz zukomme. Die in diesem Schriftsatz dargelegten Ausführungen des Beschwerdeführers entsprechen den Anforderungen an einen begründeten Berufungsantrag. Ob die darin vertretene Auffassung des Beschwerdeführers richtig oder unrichtig ist, kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, da das Erfordernis eines begründeten Berufungsantrages nicht gleichzusetzen ist mit einem "richtigen" Berufungsvorbringen.
Die belangte Behörde erachtet die Zurückweisung der Berufung für zulässig, weil die Berufungsbegründung erst nach Ablauf der von ihr gesetzten dreitägigen Verbesserungsfrist, die sie ausdrücklich auf das Einlangen bei der Berufungsbehörde abstellte, bei der Behörde erster Instanz einlangte.
Der Beschwerdeführer lässt unbestritten, dass seine Berufungsbegründung erst nach dem bei der belangten Behörde einlangte. Geht es aber um die aufgetragene Verbesserung eines fristgebundenen Antrages, wie etwa eines Rechtsmittels, so bewirkt nur die rechtzeitige Behebung des Mangels die ursprünglich rechtzeitige Einbringung der Eingabe (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 88/18/0003 und 88/18/0004, sowie vom , Zl. 89/01/0248; implizit gegenteilig und insofern unzutreffend ein obiter dictum im Erkenntnis vom , Zl. 90/01/0043).
Der Beschwerdeführer macht aber geltend, die ihm eingeräumte Dreitagesfrist wäre für die Verbesserung der Berufung keineswegs angemessen. Berücksichtige man, dass für den Fristablauf das Einlangen bei der belangten Behörde für maßgeblich erklärt worden sei, sei ihm für die Verbesserung der Berufung aufgrund des notwendigen Postenlaufes überhaupt nur eine Zeitspanne von ein bis maximal zwei Tagen verblieben.
Einem Verbesserungsauftrag nach § 13 Abs. 3 AVG kann nur dann entsprochen werden, wenn die dazu bestimmte Frist, gemessen an den jeweils gegebenen Verhältnissen, ausreichend ist (vgl. das in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 , E.155 zu § 13 AVG zitierte hg. Erkenntnis vom , Zl. 615/73). Soweit die belangte Behörde dazu in ihrer Gegenschrift insbesondere auf die verzögerungsfreie Zustellung ihrer Aufforderung vom an den Zustellungsbevollmächtigten des Beschwerdeführers mittels Telefax verweist, ist ihr entgegen zu halten, dass daraus noch keineswegs auf eine am gleichen Tag erlangte Kenntnis des Beschwerdeführers über diesen Verbesserungsauftrag und die darin gesetzte Frist geschlossen werden konnte. So führte die belangte Behörde im erwähnten Schreiben vom selbst aus, dass der Beschwerdeführer seinen bisherigen Aufenthaltsort "nach unbekannt" verlassen habe, sodass sie seine sofortige Erreichbarkeit auch für den Zustellungsbevollmächtigten (der als solcher zur Berufungsverbesserung im Namen des Beschwerdeführers nicht berechtigt war) nicht ohne weiteres zugrunde legen durfte. Bei der Festsetzung der Verbesserungsfrist hätte die belangte Behörde aber auch zu berücksichtigen gehabt, dass der Beschwerdeführer nach der Aktenlage der deutschen Sprache nicht mächtig ist und daher zur Übersetzung des Verbesserungsauftrages einen Dolmetscher benötigte. Schon aus diesen Gründen ergibt sich, dass die dem Beschwerdeführer gesetzte dreitägige Frist zur Verbesserung seiner Berufung unangemessen kurz war.
Der Beschwerdeführer weist in diesem Zusammenhang aber auch noch zutreffend darauf hin, dass ihm bei Berücksichtigung des Postenlaufes selbst diese dreitägige Verbesserungsfrist nicht zur Verfügung stand, weil die belangte Behörde hinsichtlich des Fristablaufes auf das Einlangen der Berufungsbegründung bei der Behörde abstellte. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , Zl. 97/05/0213, die in einem Verbesserungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG gesetzte Frist von drei Tagen sogar für die bloß neuerliche Vorlage von Urkunden als äußerst kurz und als absolute Untergrenze einer angemessenen Frist im Sinne des Gesetzes angesehen. Dass demgegenüber die Erfüllung des gegenständlichen Auftrages zur Nachreichung eines begründeten Berufungsantrages unter den aufgezeigten Umständen mit einem höheren Zeitaufwand verbunden war, liegt auf der Hand.
Da die belangte Behörde somit durch die Festsetzung einer nicht angemessenen Verbesserungsfrist Verfahrensvorschriften verletzte, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am