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VwGH vom 08.06.2000, 99/20/0203

VwGH vom 08.06.2000, 99/20/0203

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des OK in Wien, geboren am , vertreten durch Mag. Otto Unger, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Lerchenfelderstraße 16, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom , Zl. 206.433/0-XI/33/98, betreffend Abweisung eines Asylantrages gemäß § 7 AsylG und Feststellung gemäß § 8 AsylG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in seinem zweiten, die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Sierra Leone feststellenden Spruchteil wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund (Bundeskanzleramt) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein seinen Angaben nach am in das Bundesgebiet eingereister Staatsangehöriger von Sierra Leone, beantragte am Asyl. Bei seiner Einvernahme durch das Bundesasylamt am gab er seine Fluchtgründe im Wesentlichen wie folgt an:

Sein Vater habe der Geheimgesellschaft "UKBONI" angehört. Am habe er am Begräbnis seines Vaters teilgenommen, bei welcher Gelegenheit drei Angehörige der erwähnten Geheimgesellschaft mit der Aufforderung an ihn herangetreten seien, dieser Organisation beizutreten. Er habe an sich keine Kenntnisse über diese Geheimgesellschaft und sich zu Lebzeiten seines Vaters auch nie dafür interessiert. Als Katholik habe er es auch abgelehnt, dieser Gesellschaft beizutreten. Diese Männer hätten ihn daraufhin festgehalten und ihm eine Markierung am linken Oberarm und am Rücken zugefügt. Für diese Zeremonie hätten die Männer weite Überhemden übergezogen und breite Gürtel angelegt. Sie hätten ein Zeichen auf dem Hemd getragen, welches auch sein Vater an der Tür gehabt habe. Dies sei alles, was er über diese Gesellschaft sagen könne. Er sei schließlich aus der Gegenwart dieser Männer geflüchtet. Ein Freund seines Vaters habe ihm erklärt, dass "die UKBONI überall in ganz Afrika vertreten" seien und ihn "sicher umbringen würden, wenn ich nicht beitrete". Außerdem hätten ihn "die Rebellen" aufgegriffen und dazu gezwungen, bei Ihnen Mitglied zu werden. Dazu führte der Beschwerdeführer näher aus:

"Der Krieg ist in meiner Heimat ein Problem. Jede Person, die dich sieht, hält dich fest. Ich sagte Nein, auf Grund meiner Religion bin ich nicht interessiert daran, jemanden zu töten. Sie haben mich geschult und trainiert, weil Krieg ist und sie nach Leuten suchten."

Er habe schließlich eine Gelegenheit zur Flucht genützt.

Das Bundesasylamt wies den Asylantrag des Beschwerdeführers ab und sprach gemäß § 8 AsylG aus, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Sierra Leone sei zulässig.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung verwies der Beschwerdeführer zunächst wieder allgemein auf die schon geschilderte Bedrohung durch die "Rebellen" und die "Ogboni-Mitglieder", welche seiner Auffassung nach als asylrelevant zu qualifizieren sei. Zu dem Ausspruch gemäß § 8 AsylG führte er noch näher aus:

"Die allgemeine Lage in Sierra Leone scheint der Behörde bekannt zu sein. Es gibt keinen Rechtsstaat, rivalisierende Gruppen kämpfen und terrorisieren die Bevölkerung. Es gibt zahllose Beispiele von Zwangsrekrutierungen. Ich habe dargelegt, dass auch ich Opfer einer solchen wurde. Dass ich dennoch fliehen konnte, beweist nicht, dass ich nicht sehr wohl wieder aus diesem Grund verhaftet und misshandelt werden kann. Ich bin genau in dem Alter, in dem man Personen zum Kampf aussucht, und kann auf Grund meines Glaubens, der mir Blutvergießen verbietet, nicht bei einer der kämpfenden Gruppen mitmachen. Die Behörde übersieht nicht nur die asylrechtliche Relevanz der aus einem Bürgerkrieg entstehenden allgemeinen Gefahren - meine konkrete Verfolgung, die von anderen Stellen ausgeht, bei fehlender staatlicher Zentralgewalt - sondern sie vermeint auch mit Sicherheit sagen zu können, dass ich im Falle einer Rückkehr keinen in § 57 FrG umschriebenen Gefahren ausgesetzt bin. ... Ich bin sehr wohl bei meiner Rückkehr nach Sierra Leone der Gefahr unmenschlicher Behandlung ausgesetzt."

In dem die Berufung gemäß §§ 7 und 8 AsylG abweisenden Bescheid der belangten Behörde stellte diese fest, "der Asylwerber ist vor der Ogboni-Geheimgesellschaft geflohen und im Rahmen seiner Flucht von Rebellen zwangsrekrutiert worden. Ende Juli 1998 ist der Asylwerber aus Sierra Leone endgültig geflohen und mittels eines Schleppers auf dem Seeweg bzw. einem LKW nach Österreich gelangt".

Über die Sekten betreffende Situation in Sierra Leone sei festzustellen,

"dass es in den Erkenntnisquellen der Behörde (UNHCR Country Report; amnesty international Jahresbericht 1997, 1998; U.S. Department of State Report 1997; ICG Situation Analysis ) keinerlei diesbezüglichen Anhaltspunkte über Sekten im Heimatland des Asylwerbers gibt. Sekten und die Ogboni Gesellschaft existieren nur in Nigeria, wozu angemerkt wird, dass nach Angaben der Österreichischen Botschaft in Lagos (Schreiben vom , Zahl 4.600/46/97), in Nigeria Hunderte von Sekten und Religionsgemeinschaften bestehen, die für europäische Verhältnisse mehr oder weniger sonderbare Rituale pflegen. ... Von einer Verfolgung durch die Ogboni Gesellschaft in Gesamtafrika lässt sich aus diesen Materialien nichts entnehmen."

In rechtlicher Hinsicht sei auszuführen, dass die Angaben "des Asylwerbers betreffend der Ogboni-Sekte einer Objektivierung nicht zugänglich" seien bzw. stellten diese Angaben "bloße Behauptungen dar, die mangels Untermauerung durch entsprechende Bescheinigungsmittel in keiner Weise geeignet" seien, die angebliche aktuelle Bedrohungssituation glaubhaft zu machen. Die vom Beschwerdeführer dargestellte Bedrohung sei aber

"selbst dann, wenn man sie als glaubhaft gemacht ansehen würde, also im für den Asylwerber bestmöglichen Fall, keine unter die GFK subsumierbare, weil sie nicht dem Staat zuzurechnen wäre, ergibt sich doch aus dem Vorbringen des Asylwerbers nicht der geringste Anhaltspunkt dafür, dass die von ihm beschriebene Gefahr, Bedrohung bzw. Verfolgung - wenn sie gegeben wäre - vom Staat ausginge oder von ihm zumindest gebilligt würde. Eine Gefahr, Bedrohung bzw. Verfolgung aber, die lediglich von Privatpersonen (und sei es auch in Gestalt einer Geheimorganisation) ausgeht, vermag aber unter die Bestimmungen der GFK nicht subsumiert zu werden".

Voraussetzung für eine asylrelevante Verfolgung sei weiters, dass die staatliche Verfolgung auf Grund bestimmter Eigenschaften des Asylwerbers (seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung) erfolge.

"Wird jedoch die Verfolgungshandlung ausschließlich, d.h. ungeachtet der oben genannten Eigenschaften des Asylwerbers, etwa durch die religiöse Überzeugung des Täters geleitet, so vermag eine asylrelevante Verfolgung nicht erkannt zu werden. Vielmehr sind derartige Übergriffe - mögen sie auch religiös motiviert sein - nicht anders zu beurteilen, als solche gewöhnlicher Krimineller bzw. krimineller Organisationen".

An sich sei eine Verfolgung dem Heimatstaat sowohl dann zuzurechnen, wenn sie von seinen Organen direkt gesetzt würden, als auch dann, wenn der Heimatstaat nicht in der Lage und nicht gewillt sei, die von anderen Stellen ausgehenden Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Der Beschwerdeführer habe es unterlassen

"zu versuchen, sich unter den Schutz des Heimatstaates zu stellen und andererseits weder der Berufungsbehörde entsprechende Hinweise für eine Schutzverweigerung vorliegen noch solche vom Asylwerber bescheinigt werden konnten. Kein Staat der Welt ist in der Lage, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen; dies unabhängig davon, ob man lediglich von einem im Einzelfall nicht jedem Staatsbürger präventiv ermöglichbaren Schutz gegen ein allfälliges Vorgehen einer bewaffneten staatsfeindlichen Gruppierung oder bereits von einer konkreten Bürgerkriegssituation, in welcher der Schutz des Staates naturgemäß nicht jedem Staatsbürger zukommen kann, ausgeht".

Die Gefahr, von den Rebellen zwangsrekrutiert zu werden, sei eine ausschließlich aus der Bürgerkriegssituation und dem Umstand resultierende Gefahr, dass er

"als kampffähiger Mann von einer der rivalisierenden Gruppen zwangsrekrutiert würde. Eine Verfolgung, die ausschließlich aus dem Geschlecht und dem Alter des Asylwerbers resultiert, fällt nicht unter die Gründe der Konvention".

Der Asylantrag sei daher unbegründet (Spruchpunkt I).

Den Spruchpunkt II betreffend die Feststellung gemäß § 8 AsylG begründete die belangte Behörde damit, dass "der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen" habe. Die Gefahr müsse sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und müsse eine drohende Maßnahme von einer bestimmten Intensität sein, d.h. ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu gelangen. Dabei setze "die das Refoulement-Verbot enthaltende Bestimmung voraus, dass die dort umschriebene Gefahr für den Fremden vom Staat" ausgehe. Eine Bedrohung, die "ohne Billigung durch staatliche Stellen nur von Privatpersonen" ausgehe, falle nicht darunter. Wie bereits unter Spruchpunkt 1. dargelegt worden sei, liege im gegenständlichen Verfahren keine staatliche Verfolgung vor, weshalb nach Ansicht der erkennenden Behörde der Schluss zu ziehen gewesen sei, dass die Abschiebung des Asylwerbers gemäß § 8 AsylG i.V.m. § 57 Abs. 1 und Abs. 2 FrG nach Sierra Leone zulässig sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, diesen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in der fristgerecht erstatteten Gegenschrift, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76, in der Fassung BGBl. I Nr. 4/1999, (im Folgenden: AsylG) hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, (im Folgenden: FlKonv) ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. schon Steiner, Österreichisches Asylrecht (1990) 30; aus jüngerer Zeit etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 94/20/0836; vom , Zl. 95/20/0231; vom , Zl. 95/19/0041, u.v.a.) liegt eine dem Staat zuzurechnende Verfolgungshandlung nicht nur dann vor, wenn diese unmittelbar von staatlichen Organen aus Gründen der Konvention gesetzt wird, sondern es kann eine dem Staat zuzurechnende asylrelevante Verfolgungssituation auch dann gegeben sein, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, von "Privatpersonen" ausgehende Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, sofern diesen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - Asylrelevanz zukommen sollte.

Der belangten Behörde kann aber nicht entgegengetreten werden, wenn sie das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend die Verfolgung durch Mitglieder der Geheimgesellschaft "Ukboni" als nicht ausreichend erachtete, eine asylrelevante Verfolgung zu begründen. Seinem Vorbringen kann nicht entnommen werden, dass er auf Grund eines bei ihm vorliegenden asylrelevanten Merkmals, etwa wegen seiner Zugehörigkeit zum Katholizismus bzw. wegen seiner behaupteten religiösen Gesinnung, von den Mitgliedern der behaupteten Geheimgesellschaft bedroht worden wäre. Nach seinen Schilderungen ließe sich lediglich feststellen, dass der Beschwerdeführer dazu genötigt werden sollte, der erwähnten Organisation, bei der es sich nach Inhalt der Beschwerde nicht um die von der belangten Behörde angesprochene "Ogboni-Sekte" handeln solle, beizutreten. Mangels jeglicher Anhaltspunkte für die Ziele dieser Organisation - wozu sich auch in der Beschwerde keinerlei Ausführungen finden - lassen sich im vorliegenden Fall keine konkreten Rückschlüsse auf die Beweggründe der den Beschwerdeführer nach seinen Angaben bedrohenden Mitglieder des Geheimbundes ziehen. Der Beschwerdeführer konnte keinerlei Angaben zur Struktur, Zusammensetzung, Ideologie und Zielsetzung dieser Gruppierung machen. In der Beschwerde wird auch den Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht entgegengetreten, wonach keine Erkenntnisquellen und Berichte über eine derartige Organisation in Sierra Leone bestünden. Der aus den Schilderungen des Beschwerdeführers allein ableitbare Umstand, dass er mangels seiner Bereitschaft, dieser Organisation beizutreten, Nachteile zu befürchten hätte, ist für sich allein nicht ausreichend, eine Verfolgung aus Gründen der Konvention als gegeben anzunehmen.

Auch das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers, er müsse im Falle der Rückkehr in sein Heimatland neuerlich eine Zwangsrekrutierung durch "Rebellen" befürchten, vermag eine Verfolgung aus Gründen der Konvention nicht zu begründen. Zwangsrekrutierungen, die nicht an andere Kriterien als Alter und Geschlecht geknüpft sind, kommt ohne Hinzutreten weiterer konkreter Umstände im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention keine Asylrelevanz zu. Mangels erkennbarer Bedeutung der Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zu einer der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gruppen für die geltend gemachte Gefährdung kann es im Beschwerdefall insoweit auch dahingestellt bleiben, ob die behauptete "Zwangsrekrutierung" durch eine der rivalisierenden Bürgerkriegsparteien dem Heimatstaat des Beschwerdeführers als eine unmittelbare oder mittelbare staatliche Verfolgung zurechenbar wäre (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/20/0332). In dem Umstand, dass im Heimatland des Beschwerdeführers Bürgerkrieg herrscht, liegt für sich allein nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 98/20/0309, 0310). Eine Bürgerkriegssituation in der Heimat des Beschwerdeführers schließt eine aus asylrechtlich relevanten Gründen drohende Verfolgung zwar nicht generell aus. Der Asylwerber müsste in diesem Zusammenhang jedoch behaupten und glaubhaft machen, dass die Ereignisse in seiner Heimat, die zu seiner Flucht geführt haben, als eine individuell gegen seine Person aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität etc. gerichtete Verfolgung zu werten wären und nicht als mehr oder weniger zufällige Folge im Zuge der Bürgerkriegshandlungen. Solches ist aber dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren nicht zu entnehmen. Danach wurde er lediglich von einer "Rebellengruppe" aufgegriffen, dazu genötigt, sich für Kriegshandlungen ausbilden zu lassen, und ist in weiterer Folge geflüchtet.

Demgemäß kann in dem den Asylantrag abweisenden Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides eine Rechtswidrigkeit nicht erblickt werden.

Allerdings erweist sich die Beschwerde gegen den Ausspruch gemäß § 8 AsylG (Spruchpunkt II.) im Ergebnis als berechtigt:

Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde gemäß § 8 AsylG von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (§ 57 FrG).

Eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat ist gemäß § 57 FrG dann unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass


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sie Gefahr liefen, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden bzw.
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ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, i.d.F. des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974).
Art. 3 EMRK lautet:
"Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden."
In seinem Erkenntnis vom , Zl. 98/20/0561, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass gemäß § 8 AsylG i. V.m. § 57 FrG die Behörde im Falle der Abweisung eines Asylantrages bescheidmäßig festzustellen habe, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Staat, hinsichtlich dessen die Flüchtlingseigenschaft auf Grund seines Antrages zu prüfen war, zulässig ist. Dies ergebe sich u. a. aus der "Verknüpfung des Asylverfahrens mit der Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung" (vgl. die RV zum Asylgesetz 1997, 686 BlgNR 20. GP, 20) und der damit verbundenen Beschränkung der Zuständigkeit der Fremdenpolizeibehörde im Rahmen ihrer Entscheidungskompetenz gemäß § 75 Abs. 1 Fremdengesetz 1997. Eine solche besteht nur hinsichtlich solcher vom Antragsteller bezeichneter Staaten, die noch nicht Gegenstand einer Entscheidung der Asylbehörde waren. Demnach ist auch bei einer Entscheidung gemäß § 8 AsylG auf die Erwägungen des Gesetzgebers Bedacht zu nehmen, wonach der Antrag gemäß § 75 FrG für einen von der Abschiebung bedrohten Fremden eine "wirksame Beschwerde" im Sinne des Art. 13 EMRK darstellen solle, "sich gegen eine vermeintliche unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK zur Wehr zu setzen" (vgl. die RV zum Fremdengesetz 1997, 685 BlgNR 20. GP).
Der Verfassungsgerichtshof hat bereits im Zusammenhang mit einer Entscheidung gemäß § 54 Fremdengesetz 1992 (der identen Vorgängerbestimmung zu § 75 FrG) ausgesprochen, dass ein Bescheid, mit dem die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 37 Abs. 1 FrG 1992 (nunmehr § 57 Abs. 1 FrG) in einen bestimmten Staat festgestellt wird, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK betrifft (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 2233/93, Slg. Nr. 13.837).
Der Verfassungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom , Slg. Nr. 13.897, unter Berufung auf Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte "davon aus (vgl. VfSlg. 13.314/1992, , , B 364/93, , B 1774/93, , B 2233/93, Slg. Nr. 13.837), dass die Entscheidung eines Vertragsstaates, einen Fremden auszuliefern - oder in welcher Form immer außer Landes zu schaffen -, unter dem Blickwinkel des Art. 3 EMRK erheblich werden und demnach die Verantwortlichkeit des Staates nach der EMRK begründen kann, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden sind, dass der Fremde konkret Gefahr liefe, in dem Land, in das er ausgewiesen werden soll, Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden (EGMR , Soering, EuGRZ 1989, 314ff. (319); , Cruz Varas u.a., EuGRZ 1991, 203ff. (211); , Vilvarajah u.a., ÖJZ 1992, 309ff. (309);
vgl. auch die Entscheidungen der Europäischen Kommission für Menschenrechte , Memis, EuGRZ 1986, 324ff. (325);
, ÖJZ 1994, 57ff. (58))".
Insbesondere aus der neueren Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (vgl. EGMR , Ahmed gegen Österreich, ÖJZ 1997, E 6 MRK; EGMR , H.L.R. gegen Frankreich, ÖJZ 1998, E 16 MRK; EGMR , D. gegen Vereinigtes Königreich, ÖJZ 1998, E 20 MRK) wird ersichtlich, dass die Entscheidung, einen Fremden aus Österreich zurückzuweisen, zurückzuschieben oder abzuschieben, bereits an sich auf Grund der besonderen Umstände mit Art. 3 EMRK in Widerspruch geraten kann, wenn stichhaltige Gründe vorliegen, der Fremde würde bei Verbringung in einen bestimmten Staat einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt sein. Diesfalls würde der die Außerlandesschaffung veranlassende Vertragsstaat der EMRK widersprechend handeln (vgl. dazu Kälin in Hailbronner und Klein (Hrsg.), Einwanderungskontrolle und Menschenrechte, C.F. Müller Verlag, Heidelberg 1999). In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof bereits zu § 37 Abs. 1 FrG aus dem Jahr 1992 in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass nicht nur die unmittelbare Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden in einen Staat, in welchem die in dieser Bestimmung genannten Gefahren drohen, für unzulässig zu erklären sei, sondern auch die Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung in einen Staat, in welchem die konkrete Gefahr bestehe, dass er von dort in einen derartigen Staat weitergeschoben würde (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 95/21/0151, und vom , Zl. 95/21/0984; vgl. dazu auch Wiederin, Aufenthaltsbeendende Maßnahmen im Fremdenpolizeirecht, S. 26, wonach eine derartige Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 37 Abs. 1 FrG auf Drittstaaten sowohl mit dessen Wortlaut vereinbar als auch in der Sache konsequent sei). Auch den Erläuterungen zu § 57 Abs. 1 FrG 1997 ist zu entnehmen, dass sich die Zurück- bzw. Abschiebungsverbote dieser Norm an Art. 3 EMRK orientieren und ihn um die drohende Todesstrafe erweitern. Es kann dem Gesetzgeber auch nicht unterstellt werden, Maßnahmen der Außerlandesschaffung bei Gefahr erniedrigender Behandlung oder Strafe anordnen zu wollen, auch wenn in diesem Fall der Wortlaut des § 57 Abs. 1 leg. cit. ein Verbot nicht ausdrücklich zu normieren scheint (vgl. dazu das oben zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom ). Die Formulierung "wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass sie Gefahr liefen, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden" (Unterstreichung nicht im Original) in § 57 Abs. 1 FrG ist im Zusammenhang damit zu sehen, dass sich die Beurteilung für das Vorliegen des Tatbestandes des § 57 Abs. 1 FrG immer im Rahmen einer fremdenrechtlichen Maßnahme zur Außerlandesschaffung eines Fremden mit Beziehung auf einen bestimmten Staat stellt. Demnach ist für die Frage der Gewährung eines Zurückweisungs-, Zurückschiebungs- oder Abschiebungsschutzes im Sinne des § 8 AsylG i.V.m. § 57 Abs. 1 FrG u.a. maßgeblich, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, Österreich würde im Falle der Außerlandesschaffung des Beschwerdeführers in den Staat, hinsichtlich dessen seine Flüchtlingseigenschaft zu prüfen war, gegen Art. 3 EMRK verstoßen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 99/20/0465, ausgesprochen hat, kann auch eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in den Staat, in dem diese Gefahrenlage herrscht, abgeschoben wird, auch ohne Zugehörigkeit zu einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei der konkreten Gefahr einer Verletzung im Besonderen der auch durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Landes in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 57 Abs. 1 FrG gewertet werden, stehe im Widerspruch zur Rechtslage. Selbst wenn infolge der Bürgerkriegsverhältnisse letztlich offen bliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, in welchem Fall fraglich wäre, ob von der Existenz eines Staates (noch) gesprochen werden könne (vgl. etwa Seidl-Hohenveldern in: Neuhold/Hummer/Schreuer, Österreichisches Handbuch des Völkerrechts3, 1997, Rz 668 ff), bliebe als maßgeblicher Gegenstand der Entscheidung nach § 8 AsylG i. V.m. § 57 Abs. 1 FrG die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Beschwerdeführers im erwähnten Sinne vorliegen. In diesem Zusammenhang erweisen sich auch das Beschwerdevorbringen zur besonderen Gefahrenlage des Beschwerdeführers in Sierra Leone und die Rüge, die belangte Behörde habe sich unter Absehen von der beantragten mündlichen Verhandlung mit den Bürgerkriegsverhältnissen in diesem Staat nicht auseinander gesetzt, als relevant, weil schon den allgemein zugänglichen Informationsquellen zu entnehmen war, dass der Bürgerkrieg im Heimatland des Beschwerdeführers mit der Einnahme Freetowns durch die "Revolutionäre Vereinigte Front" im Jänner 1999 in eine Phase besonders exzessiver und unkontrollierter Gewaltanwendung, vor allem auch gegenüber der Zivilbevölkerung, eingetreten war. Darauf hatte die belangte Behörde angesichts des Zeitpunktes der Erlassung ihres Bescheides im März 1999, also in einem zu diesen Ereignissen noch unmittelbaren zeitlichen Naheverhältnis, einzugehen.
Für das fortgesetzte Verfahren ist deshalb darauf hinzuweisen, dass die grundsätzliche Pflicht der belangten Behörde zur Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung auch dann zu beachten ist, wenn die Voraussetzungen für ein Absehen von einer Verhandlung nur in Bezug auf die zu treffende Entscheidung über den Abschiebungsschutz nicht gegeben sind.
In seinem zweiten, die Zulässigkeit einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Sierra Leone betreffenden Spruchpunkt II. war der angefochtene Bescheid somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am