VwGH vom 23.05.2005, 2004/06/0160

VwGH vom 23.05.2005, 2004/06/0160

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde der S GmbH in R, vertreten durch Dr. Michael Battlogg, Rechtsanwalt in 6780 Schruns, Gerichtsweg 2, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom , Zl. BHBL-I-4102.19-2004/0002, betreffend Verweigerung der Akteneinsicht (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde S, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Die Beschwerdeführerin hat nach den Angaben im angefochtenen Bescheid mit Eingabe vom um Erteilung der Baubewilligung und der gewerberechtlichen Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer SB-Autowaschanlage auf dem näher angeführten Grundstück in der KG S. angesucht. Der Antrag auf Erteilung der Baubewilligung wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom abgewiesen.

Mit Eingabe vom beantragte die Beschwerdeführerin bei der Mitbeteiligten die vollumfängliche Akteneinsicht in die Verordnungsakten betreffend die Umwidmung des verfahrensgegenständlichen Grundstückes von Freifläche in Betriebsgebiet I und anschließend in Baumischgebiet und in die Akten des in der Folge erlassenen Bebauungsplanes.

Mit erstinstanzlichem Bescheid vom wurde das Ansuchen gemäß § 17 AVG abgelehnt und die beantragte Akteneinsicht verweigert.

Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit Beschluss der Berufungskommission der Stadt Bludenz vom , ausgefertigt mit Bescheid vom , abgewiesen.

Die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführerin wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen.

Zur Entscheidung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführerin sei Alleineigentümerin der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft. Diese sei Mitte der Neunziger Jahre von Freifläche in Baufläche Betriebsgebiet I umgewidmet worden. Mit Verordnung vom habe die mitbeteiligte Partei über dieses Grundstück bis zur Erlassung eines Bebauungsplanes eine Bausperre verhängt. Im Juni 2003 sei der Bebauungsplan für dieses Grundstück beschlossen worden. Gleichzeitig sei die Umwidmung dieser Grundfläche von Betriebsgebiet I in Mischgebiet erfolgt.

Gemäß § 17 AVG habe die Behörde, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, den Parteien Einsicht in die ihre Sache betreffenden Akten oder Aktenteile zu gestatten. Ein subjektives Recht auf Akteneinsicht stehe danach ausschließlich den Parteien zu. Ein Recht auf Akteneinsicht bestehe nicht schon dann, wenn die die Akteneinsicht begehrende Person in einem anderen Verfahren Partei sei und die Geltendmachung oder Verteidigung ihrer Interessen in diesem anderen Verfahren die Kenntnis der Akten erforderte (Hinweis u. a. auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/04/0118).

Bei den zur Einsicht beantragten Akten handle es sich um solche des Widmungsverfahrens. In einem Verfahren hinsichtlich der Erlassung von Verordnungen lasse sich aus dem Raumplanungsgesetz keine Parteistellung des Grundeigentümers ableiten. Bei dem angesprochenen Nutzungs- und Erschließungskonzept des Büros E. handle es sich um eine im Rahmen des Widmungsverfahrens in Auftrag gegebene Studie. Es bestehe kein Recht auf Einsichtnahme in die genannten Verordnungsakten und somit auch nicht in das Erschließungskonzept zur Schaffung eines Betriebsgürtels und in weiterer Folge eines Baumischgebietsgürtels als Verbindung zum Bauwohngebiet, da der Beschwerdeführerin keine Parteistellung im Widmungsverfahren zukomme.

Gemäß § 21 Abs. 1 Vlbg. RaumplanungsG (RPG) sei der von der Gemeindevertretung beschlossene Entwurf des Flächenwidmungsplanes einen Monat im Gemeindeamt zur allgemeinen Einsicht aufzulegen. Während der Auflagefrist könne jeder Gemeindebürger oder Eigentümer von Grundstücken, auf die sich der Flächenwidmungsplan beziehe, zum Entwurf schriftlich oder mündlich Änderungsvorschläge erstatten (§ 21 Abs. 3 RPG). Aus dem bloßen Recht auf Anhörung folge kein subjektives Recht auf Entscheidung bestimmten Inhaltes in der Sache selbst und es werde der Anzuhörende nicht zur Partei des Verfahrens (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 1169/69). Die Mitbeteiligte sei ihrer Verpflichtung nach § 21 Abs. 3 RPG nachgekommen, indem sie in die im Rahmen des Verordnungserlassungsverfahren öffentlich aufgelegten Unterlagen Einsicht gewährt habe. Es handle sich hierbei um ein bloßes Anhörungsrecht, aus welchem sich keine Parteistellung ergebe.

Gemäß § 59 Abs. 1 Vlbg. GemeindeG habe der Gemeindevorstand seine Beschlüsse unter dem Vorsitz des Bürgermeisters in nichtöffentlichen Sitzungen zu fassen. Die Beratung sei vertraulich.

Die Verweigerung der Einsicht in die Verhandlungsschrift über eine Gemeindevorstandssitzung und die von der Gemeinde eingeholten Studien und Gutachten stellte keine Gesetzesverletzung seitens der mitbeteiligten Gemeinde dar.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 17 Abs. 1 erster Satz AVG i.d.F. BGBl. I Nr. 10/2004 hat die Behörde, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, den Parteien Einsicht in die ihre Sache betreffenden Akten oder Aktenteile zu gestatten; die Parteien können sich davon an Ort und Stelle Abschriften selbst anfertigen oder nach Maßgabe der vorhandenen technischen Möglichkeiten auf ihre Kosten Kopien anfertigen lassen.

Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass gemäß § 21 Abs. 1 letzter Satz Vlbg. Raumplanungsgesetz (RPG) während der Auflagefrist im Gemeindeamt ein verständlicher Erläuterungsbericht über den Entwurf des Flächenwidmungsplanes in der erforderlichen Zahl aufzulegen sei. Bereits aus dieser Bestimmung ergebe sich, dass die Erläuterungsberichte nach dem Vlbg. Raumplanungsgesetz öffentlich zur Einsicht stünden, da nicht einsichtig wäre, dass nach Ablauf dieser Auflagefrist diese ursprünglich öffentlich einsehbaren Dokumente zu Geheimdokumenten mutierten. § 21 Abs. 1 Vlbg. RPG sei daher eine Spezialbestimmung zu § 17 AVG. Aus der Begründung des Berufungsbescheides sei ersichtlich, dass weder hinsichtlich der Änderung des Flächenwidmungsplanes im Jahr 1992 noch hinsichtlich der Flächenwidmungsplanänderung im Jahre 2002 diese Erläuterungsberichte zur Akteneinsicht zur Verfügung gestellt worden seien. In der Praxis würden diese Erläuterungsberichte in Vorarlberg immer von den Sachverständigen erstellt bzw. sie beruhten auf zuvor eingeholten Sachverständigengutachten, mit welchen die Behörde zu dokumentieren versuche, warum eine Flächenwidmungsplanänderung erforderlich wäre.

Welche Änderung des Sachverhaltes eingetreten sei, sollte zumindest diesem Erläuterungsbericht zu entnehmen sein, der zugleich die Planstudie E. darstelle bzw. auf diese Bezug nehme. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin sei die Rückwidmung von Betriebsgebiet der Kategorie 1 in Baumischgebiet ausschließlich deshalb vorgenommen worden, um die Errichtung einer Autowaschanlage der Beschwerdeführerin auf dem betreffenden Grundstück zu verhindern. Die Beschwerdeführerin habe entgegen der Ansicht der Behörden ein Interesse daran, zu prüfen, ob diese Rückwidmung von Betriebsgebiet in Baumischgebiet rechtens sei. Ohne Einsicht in die Verordnungsakten in Bezug auf die Flächenwidmung ihres Grundstückes sei ihr das nicht möglich.

Dieser Ansicht der Beschwerdeführerin kann nicht gefolgt werden.

Gemäß § 21 Abs. 1 Vlbg. Raumplanungsgesetz (RPG), LGBl. Nr. 39/1996, ist der von der Gemeindevertretung beschlossene Entwurf des Flächenwidmungsplanes einen Monat im Gemeindeamt zur allgemeinen Einsicht aufzulegen. Die Auflage ist durch Anschlag an der Amtstafel kundzumachen. Während der Auflagefrist ist im Gemeindeamt ein allgemein verständlicher Erläuterungsbericht über den Entwurf des Flächenwidmungsplanes in der erforderlichen Anzahl aufzulegen.

§ 21 Abs. 3 RPG sieht vor, dass jeder Gemeindebürger oder Eigentümer von Grundstücken, auf die sich der Flächenwidmungsplan bezieht, während der Auflagefrist zum Entwurf eines Flächenwidmungsplanes schriftlich oder mündlich Änderungsvorschläge erstatten können, worauf in der Kundmachung nach Abs. 1 hinzuweisen ist.

§ 21 Abs. 1 leg. cit. regelt die Einsicht in den Entwurf eines Flächenwidmungsplanes und in einen verständlichen Erläuterungsbericht dazu innerhalb der einmonatigen Frist für die Auflage des Entwurfes. Dieser Bestimmung kann weder ein Recht auf Einsicht in den Entwurf des Flächenwidmungsplanes oder des Erläuterungsberichtes nach Ablauf dieser Auflagefrist noch ein allgemeines Recht auf Einsicht in die Verordnungsakten eines erlassenen Flächenwidmungsplanes entnommen werden. § 21 Abs. 1 RPG ermöglicht aber jedem betroffenen Grundeigentümer, sich über die jeweiligen Gründe der jeweils in einem Flächenwidmungsplan vorgesehenen Widmungen zu informieren. Sie stellt keine lex specialis zu § 17 AVG dar.

Das Recht auf Akteneinsicht gemäß § 17 AVG steht dem Wortlaut dieser Bestimmung entsprechend nur den Parteien eines Verwaltungsverfahrens zu. Parteien sind gemäß § 8 AVG Personen, die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen bzw. auf die sich die Tätigkeit der Behörde bezieht, insoweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder rechtlichen Interesses beteiligt sind. § 17 AVG bezieht sich, wie das AVG insgesamt, auf Verwaltungsverfahren, die eine konkrete Angelegenheit einer oder mehrerer Parteien betreffen, die bescheidmäßig zu erledigen ist.

§ 17 AVG bezieht sich daher nicht auf Verfahren von Verwaltungsbehörden, in denen Verordnungen, also generelle Normen, erlassen werden. Nach der hg. Judikatur zu dieser Bestimmung erstreckt sich dieses Recht auf Akteneinsicht in einem Verwaltungsverfahren für die Parteien auch nicht auf die Einsicht in die Akten über die Erlassung der generellen Normen, auf denen die Entscheidung in diesem Verfahren beruht (vgl. im Zusammenhang mit Verwaltungsstrafverfahren und den zu Grunde liegenden generellen Normen die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 87/18/0006, und vom , Zl. 91/03/0263).

Der Beschwerdeführerin als von einem Flächenwidmungsplan betroffener Grundeigentümerin kommt in einem solchen Verordnungserlassungsverfahren aber auch keine Parteistellung zu. In dem angeführten § 21 Abs. 3 Vlbg. RPG ist u.a. den Eigentümern von Grundstücken, auf die sich der Flächenwidmungsplan bezieht, lediglich ein Anhörungsrecht in der Weise eingeräumt, dass zum Entwurf eines Flächenwidmungsplanes während der Auflagefrist schriftlich oder mündlich Änderungsvorschläge erstattet werden können.

Soweit die Beschwerdeführerin ihr besonderes Interesse an den näheren Gründen der sie betreffenden Flächenwidmungen im Hinblick auf die angestrebte Errichtung einer SB-Autowaschanlage auf diesem Grundstück ins Treffen führt, ist sie darauf zu verweisen, dass sie im Rahmen des Verfahrens zur Erlassung des Flächenwidmungsplanes gemäß den wiedergegebenen § 21 Abs. 1 und Abs. 3 RPG die Möglichkeit hatte, sich über die Gründe der jeweiligen Flächenwidmungen zu informieren und auch Änderungsvorschläge (mit entsprechenden Begründungen) dazu abzugeben. Es stünde ihr nach Erschöpfung des Instanzenzuges in einem über ihren Antrag eingeleiteten Vorprüfungsverfahren gemäß § 23 Vlbg. BauG 2001, LGBl. Nr. 52 (das vom Verfassungsgerichtshof in seiner Judikatur zur Frage der Zulässigkeit eines sogenannten Individualantrages gemäß Art. 139 Abs. 1 B-VG als zumutbarer Umweg qualifiziert wird, vgl. dazu den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom , VfSlg. Nr. 16.886) die Möglichkeit offen, in einer gegen den letztinstanzlichen Bescheid erhobenen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ihre Bedenken gegen die Widmung ihres Grundstückes geltend zu machen. Sofern die Beschwerdeführerin bereits ein Baubewilligungsverfahren ausgelöst hätte, hätte sie - wiederum nach Erschöpfung des Instanzenzuges - diese Möglichkeit in gleicher Weise.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am