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VwGH vom 09.07.1992, 91/19/0284

VwGH vom 09.07.1992, 91/19/0284

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA 63-L 32/90/Str, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Arbeitsinspektionsgesetzes 1974, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Das magistratische Bezirksamt für den 13. und 14. Bezirk erließ unter dem Datum gegenüber dem Beschwerdeführer ein Straferkenntnis, dessen Spruch wie folgt lautet:

"Sie haben Arbeitsinspektoren in der Ausübung ihres Dienstes insoferne behindert, als Sie als Arbeitgeber im Sinne des Arbeitsinspektionsgesetzes einem Organ des Arbeitsinspektorates am trotz Verlangen diesem nicht die Namen und Geburtsdaten der


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1)
in Ihrem Handelsbetrieb in W, A-Straße und
2)
in Ihrem Handeslbetrieb in W, B-Straße
beschäftigten Arbeitnehmer bekanntgegeben haben.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 18 Abs. 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 2 des Arbeitsinspektionsgesetzes, BGBl. Nr. 143/1974.

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen werden über Sie folgende Strafen verhängt:

Gemäß § 18 Abs. 1 ArbIG 1974, Geldstrafe von je S 15.000,--, zusammen S 30.000,--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von je 5 Tage, zusammen 10 Tage.

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

S 3.000,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 vH der Strafe. Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher S 33.000,--. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen."

2. Aufgrund der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers bestätigte der Landeshauptmann von Wien (die belangte Behörde) mit Bescheid vom das Straferkenntnis gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 mit der Maßgabe, daß das angelastete Verhalten nur eine Verwaltungsübertretung bilde. Gleichzeitig werde in Anwendung des § 51 Abs. 4 VStG 1950 die Geldstrafe mit S 5.000,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe mit 60 Stunden neu bemessen und der erstinstanzliche Kostenbeitrag gemäß § 64 VStG 1950 mit

S 500,-- festgesetzt.

In der Begründung ihres Bescheides führte die belangte Behörde nach teilweiser Zitierung der §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 und 2 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1974 - ArbIG 1974 - soweit hier von Belang - folgendes aus: Dem Abs. 1 des § 5 leg. cit. sei unmißverständlich zu entnehmen, daß die Arbeitsinspektoren vom Arbeitgeber schriftliche Auskünfte verlangen könnten und die Arbeitgeber verpflichtet seien, den Arbeitsinspektoren die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Am seien die Arbeitsinspektoren damit beauftragt gewesen, die Einhaltung der Arbeitszeit- und Wochenendruhevorschriften zu überprüfen, weshalb es notwendig gewesen sei, vom Arbeitgeber die Namen und Geburtsdaten der in den Betrieben beschäftigten Arbeitnehmer zu verlangen. Dem Verlangen nach Auskunftserteilung hinsichtlich der in den Betrieben beschäftigten Arbeitnehmer - nur auf diese, nicht auf die am im Betrieb aushelfenden Verwandten und Bekannten habe sich das Verlangen bezogen - sei der Beschwerdeführer jedoch unbestrittenermaßen nicht nachgekommen, hätte er sich doch sonst nicht dazu bereitfinden müssen, eine Liste der Arbeitnehmer am darauffolgenden Montag in seinem Betrieb zur Abholung durch das Arbeitsinspektorat anzubieten. Danach sei erwiesen, daß der Beschwerdeführer am nachmittags in seinen Betrieben vorsprechenden Arbeitsinspektionsorganen die im § 5 Abs. 1 ArbIG 1974 vorgesehenen Auskünfte über die in seinen Betriebsstätten beschäftigten Arbeitnehmer nicht gegeben habe. Durch die Nichterteilung der im Gesetz vorgesehenen Auskünfte habe der Beschwerdeführer die Organe der Arbeitsinspektion in der Ausübung ihres Dienstes behindert. Das Straferkenntnis bestehe daher hinsichtlich des gegen den Beschwerdeführer erhobenen Vorwurfes zu Recht.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht und das Begehren gestellt wird, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen kostenpflichtig aufzuheben.

4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und beantragt in der von ihr erstatteten Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde als unbegründet.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Abs. 1 und 2 des § 5 ArbIG 1974 lauten:

"§ 5 (1) Die Arbeitsinspektoren sind befugt, den Arbeitgeber oder dessen Bevollmächtigten und die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer über alle Umstände zu vernehmen, die ihren Aufgabenbereich berühren. Die Vernehmung hat tunlichst ohne Störung des Betriebes zu erfolgen; nach Erfordernis oder über Verlangen der Person, die vernommen werden soll, ist die Vernehmung durchzuführen. Die Arbeitsinspektorate können vom Arbeitgeber oder dessen Bevollmächtigten oder von den Arbeitnehmern schriftliche Auskünfte verlangen und, wenn erforderlich, diese Personen zur Vernehmung vorladen. Der Arbeitgeber, dessen Bevollmächtigter und die Arbeitnehmer sind verpflichtet, den Arbeitsinspektoren die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Auskünfte zu erteilen.

(2) Der Arbeitgeber und dessen Bevollmächtigter sind verpflichtet, den Arbeitsinspektoren auf Verlangen alle Unterlagen zur Einsicht vorzulegen, die mit dem Schutz der Arbeitnehmer des Betriebes im Zusammenhang stehen, wie insbesondere solche über die Betriebsräumlichkeiten, Betriebseinrichtungen, sonstigen mechanischen Einrichtungen, Betriebsmittel, Arbeitsvorgänge, Arbeitsverfahren und Arbeitsstoffe, samt den dazugehörigen Plänen, Zeichnungen, Beschreibungen und Betriebsvorschriften. Dies gilt auch für Kollektivverträge, Betriebsvereinbarungen (Arbeitsordnungen), Einzelverträge, Lehrverträge, Ausbildungsordnungen, Lohn-, Gehalts- und Urlaubslisten sowie für alle Verzeichnisse, Vormerke oder Aufstellungen, die auf Grund von Arbeitnehmerschutzvorschriften oder von Regelungen für die Heimarbeit zu führen sind. Die Arbeitsinspektoren sind befugt, Abschriften dieser Unterlagen oder Auszüge aus denselben anzufertigen oder solche bzw. Ablichtungen anzufordern."

2. Die belangte Behörde sah den von ihr spruchmäßig als erwiesen angenommenen Sachverhalt (die als erwiesen angenommene Tat i.S. des § 44a lit. a VStG 1950) darin gelegen, daß der Beschwerdeführer den Arbeitsinspektoren auf deren Verlangen nicht die Namen und die Geburtsdaten der in den im Spruch angeführten Standorten seines Unternehmens beschäftigten Arbeitnehmer bekanntgegeben habe. Damit stimmt die Begründung des angefochtenen Bescheides insofern überein, als dort das dem Beschwerdeführer zur Last fallende Verhalten dahin umschrieben wurde, daß dieser die im Gesetz vorgesehenen Auskünfte über die in seinen Betriebsstätten beschäftigten Arbeitnehmer nicht erteilt habe. Dieses Verhalten unterstellte die belangte Behörde spruchmäßig dem § 5 Abs. 2 ArbIG 1974, womit sie diese Norm als die durch die Tat verletzte Verwaltungsvorschrift i.S. des § 44a lit. b VStG 1950 bezeichnete. Diese Subsumtion war indes verfehlt. Sowohl dem Wortlaut des § 5 Abs. 2 ArbIG 1974 als auch der Gegenüberstellung der Abs. 1 und 2 des § 5 leg. cit. ist unschwer zu entnehmen, daß vom Tatbestand des Abs. 2 (ausgenommen den letzten Satz) ausschließlich die Verpflichtung zur Vorlage aller dort beispielsweise näher bezeichneten - bereits vorhandenen - "Unterlagen" (wie etwa Vereinbarungen, Listen, Verzeichnissen, Vormerken, Aufstellungen) zwecks Einsichtnahme erfaßt ist, nicht aber die Erteilung von "Auskünften" der im Beschwerdefall von den Arbeitsinspektoren geforderten Art, nämlich Auskünften, die als solche in der Regel nicht Inhalt von beim Arbeitgeber schon aufliegenden Unterlagen sind, vielmehr, sollten sie schriftlich verlangt worden sein (was im vorliegenden Fall offen blieb), erst in diese Form gebracht werden müßten.

Indem die belangte Behörde entgegen dieser Rechtslage die Tatbestandsmäßigkeit des dem Beschwerdeführer spruchmäßig vorgeworfenen Verhaltens in Ansehung des § 5 Abs. 2 ArbIG 1974 bejahte, belastete sie den bekämpften Bescheid schon deshalb mit inhaltlicher Rechtwidrigkeit. Daran vermag der Umstand nichts zu ändern, daß in der Begründung des Bescheides die belangte Behörde durch die von ihr als erwiesen angenommene Tat § 5 Abs. 1 leg. cit. als verwirklicht ansah. Denn der im Grunde des § 44a VStG 1950 insofern maßgebliche Spruch ist im Beschwerdefall eindeutig und deshalb einer in eine andere Richtung gehenden Auslegung nicht zugänglich. Vielmehr führt die solcherart gegebene Widersprüchlichkeit zwischen Spruch und Begründung dazu, daß der angefochtene Bescheid an einer weiteren inhaltlichen Rechtswidrigkeit leidet (so die ständige hg. Rechtsprechung; vgl. die bei DOLP, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Wien 1987, S. 575 angeführte Judikatur).

3. Im Blick auf das fortzusetzende Verfahren sieht sich der Verwaltungsgerichtshof unter Bedachtnahme auf das Beschwerdevorbringen zu der Bemerkung veranlaßt, daß im Beschwerdefall nichts gegen eine Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter § 5 Abs. 1 ArbIG 1974 spricht.

Der Beschwerdehinweis darauf, daß an dem besagten Samstagnachmittag nur Verwandte und Bekannte, nicht aber Dienstnehmer in den beiden Betriebsstätten tätig gewesen seien, weshalb die gewünschte Auskunftserteilung gar nicht möglich gewesen sei, übersieht, daß Zweck der begehrten Auskunft gerade auch der war, diese Behauptung des Beschwerdeführers als zutreffend oder unzutreffend zu erweisen. Nicht hingegen diente das in Rede stehende Verlangen der Arbeitsinspektoren dazu, Daten von behauptetermaßen zu dieser Zeit aushelfenden Nicht-Arbeitnehmern zu erhalten; der in diesem Zusammenhang unter Bezugnahme auf die Anzeige des Arbeitsinspektorates erhobene Vorwurf aktenwidriger Feststellung ist nicht gerechtfertigt. Dem auf den Vorwurf hinauslaufenden Vorbringen in der Beschwerde, das Verlangen der Arbeitsinspektoren am Samstag nachmittag (ca. 15.40 Uhr und ca. 17.20 Uhr) sei zur "Unzeit" gestellt worden, da das Büro zu dieser Zeit nicht mehr besetzt gewesen sei und der Beschwerdeführer die gewünschten Daten nicht "auswendig kannte" ist entgegenzuhalten, daß eine Überprüfung von Betrieben durch die Arbeitsinspektoren, verbunden mit dem Begehren nach Erteilung von für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Auskünften jedenfalls zu einer Zeit zulässig ist, zu der jene - wie an besagtem Samstagnachmittag, die Geschäftslokale des Unternehmens des Beschwerdeführers - offengehalten werden. Was schließlich den zu seiner Entlastung gedachten Hinweis des Beschwerdeführers anlangt, er habe den Arbeitsinspektoren an Ort und Stelle mitgeteilt, daß er für sie "am darauffolgenden Montag eine Liste aller in der Firma beschäftigten Mitarbeiter mit Adresse und Geburtsdatum vorbereiten lassen wird", führt schon deshalb nicht weiter, weil eine solche Zusage keineswegs die tatsächliche Auskunftserteilung zu ersetzen vermag.

4. Unter Zugrundelegung des oben II.2. Gesagten war der in Beschwerde gezogene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben (§ 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG).

5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung Stempelgebühren lediglich in der Höhe von S 450,-- (Eingabengebühr S 360,--, Beilagengebühr S 90,--) zu entrichten waren.