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VwGH vom 06.10.1994, 94/18/0216

VwGH vom 06.10.1994, 94/18/0216

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 17/94, betreffend Aufhebung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I

1. Mit dem - in Rechtskraft erwachsenen - Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom war gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm § 4 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954 in der Fassung BGBl. Nr. 575/1987, (FrPolG) ein bis befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden.

Begründet war dieser Bescheid damit worden, daß der Beschwerdeführer in den Jahren 1983 bis 1988 von einem inländischen Gericht siebenmal rechtskräftig verurteilt worden wäre, darunter viermal wegen § 83 Abs. 1 bzw. Abs. 2 StGB. Der Beschwerdeführer hätte sich zum Zeitpunkt der Verhängung des Aufenthaltsverbotes seit dreizehn Jahren in Österreich aufgehalten; seine Ehegattin, eine jugoslawische Staatsangehörige, sowie die beiden gemeinsamen Kinder hätten gleichfalls in Österreich gelebt.

2. Nachdem dem Beschwerdeführer in der Folge mehrere Vollstreckungsaufschübe (gemäß § 6 Abs. 2 FrPolG), zuletzt einer mit Gültigkeitsdauer bis , erteilt worden waren, stellte er mit Eingabe vom einen Antrag auf Aufhebung des gegen ihn erlassenen Aufenthaltsverbotes. Dazu führte er aus, daß er über eine Beschäftigungsbewilligung (gültig bis ) verfüge, einer Beschäftigung nachgehe, in Wien seinen ordentlichen Wohnsitz habe und hier gemeldet sei. Seine Familie lebe ebenfalls in Österreich. Es bestehe seitens des Beschwerdeführers, der sich seit rund zwanzig Jahren hier aufhalte, die "stärkste Bindung zu Österreich". Er habe sich seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes keine weiteren Verfehlungen zuschulden kommen lassen und somit seinen Besserungswillen "kommentiert". Da mit Inkrafttreten des Fremdengesetzes die Rechtswohltat des Vollstreckungsaufschubes weggefallen sei, ersuche er, um seinen weiteren Aufenthalt in Österreich zu sichern, um die vorzeitige Aufhebung des Aufenthaltsverbotes.

3. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde dieser Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes gemäß § 26 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, abgewiesen.

Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im wesentlichen wie folgt: Bei Prüfung der Frage einer Änderung der Interessenlage seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes ergebe sich, daß in den persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers keine relevante Änderung eingetreten sei. Insbesondere könne daraus, daß sich der Beschwerdeführer seit Verhängung dieser Maßnahme infolge von Vollstreckungsaufschüben nunmehr um fünf Jahre länger in Österreich aufhalte, keine wesentliche Änderung zu seinen Gunsten abgeleitet werden. Aber auch hinsichtlich der für die Beurteilung der öffentlichen Interessen maßgebenden Umstände sei keine Änderung zugunsten des Beschwerdeführers eingetreten. Vielmehr sei er neuerlich zweimal wegen Verletzung der Unterhaltspflicht, also wegen einer auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlung, wie sie u.a. schon der Verhängung des Aufenthaltsverbotes zugrunde gelegen sei, rechtskräftig verurteilt worden. Außerdem habe der Beschwerdeführer zweimal nach einem Verkehrsunfall Fahrerflucht begangen und viermal die Auskunft darüber verweigert, wem er sein Fahrzeug zum Lenken überlassen habe. Damit habe er deutlich gezeigt, daß er auch durch sein Verhalten im Straßenverkehr die öffentliche Ordnung gefährde und sein Verhalten damit auch aus diesem Grund öffentlichen Interessen zuwiderlaufe. Keinesfalls seien seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes Umstände eingetreten, welche die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von dem Aufenthaltsverbot nunmehr gegenüber damals geringer erscheinen ließen. Die Gründe, die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgebend gewesen seien, seien daher nicht weggefallen.

Den Umstand, daß das Fremdengesetz das Rechtsinstitut des Vollstreckungsaufschubes nicht kenne, könne der Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren nicht zu seinen Gunsten verbuchen.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

5. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Gemäß § 26 FrG ist das Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind.

1.2. Nach dieser Bestimmung, die ihren Inhalt nur aus dem Zusammenhalt mit den §§ 18 bis 20 FrG gewinnt, hat sich die Behörde mit der Frage auseinanderzusetzen, ob ein relevanter Eingriff im Sinne des § 19 FrG vorliegt und - gegebenenfalls - die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten ist und - bejahendenfalls - ferner, ob sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes jene Umstände, die zur Beurteilung der öffentlichen Interessen einerseits und der privaten und familiären Interessen andererseits maßgebend sind, zugunsten des Fremden geändert haben, und daran anschließend diese Interessen gegeneinander abzuwägen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/18/0622, mwN).

2.1. Die belangte Behörde vertrat im angefochtenen Bescheid die Auffassung, daß sich an den für die Beurteilung der öffentlichen Interessen maßgebenden Umständen seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes nichts Wesentliches zugunsten des Beschwerdeführers geändert habe.

2.2. Diese Ansicht vermag der Gerichtshof nicht als rechtsirrig zu erkennen. Die belangte Behörde maß den nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umständen zutreffend rechtserhebliche Bedeutung bei (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/18/0537). Selbst wenn also - so die Beschwerde - ein Teil der zur Begründung des Aufenthaltsverbotes herangezogenen gerichtlichen Verurteilungen bereits getilgt sein sollte, so wäre - abgesehen davon, daß eine allfällige Tilgung, weil objektiv vorhersehbar, bei der Entscheidung über einen Antrag auf Aufhebung eines befristeten Aufenthaltsverbotes nicht zu berücksichtigen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/18/0100) - unter Bedachtnahme auf die unbestritten gebliebene zweimalige rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers wegen § 198 Abs. 1 StGB (Verletzung der Unterhaltspflicht) und die gleichfalls unbestrittene zweimalige rechtskräftige Bestrafung wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 lit. a StVO am Gewicht der nach § 18 Abs. 1 FrG für die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes sprechenden öffentlichen Interessen keine relevante Änderung zugunsten des Beschwerdeführers eingetreten. Dies umso weniger, als bei der Gewichtung der gegen den Beschwerdeführer sprechenden öffentlichen Interessen auch sein nicht durch die Vollstreckungsaufschübe gedeckter, unrechtmäßiger Aufenthalt in Österreich seit zu seinen Lasten zu Buche schlägt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/18/0276). Dem Beschwerdeeinwand, die belangte Behörde hätte berücksichtigen müssen, daß sich der Beschwerdeführer nunmehr seit drei Jahren wohlverhalten habe, kommt schon deshalb keine Berechtigung zu, weil er im Widerspruch zur Aktenlage steht. Abgesehen davon ist im Fall eines befristeten Aufenthaltsverbotes davon auszugehen, daß die Behörde das Wohlverhalten des Fremden während der Gültigkeitsdauer dieser Maßnahme vorausgesetzt hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/18/0503).

3. Hielt somit die belangte Behörde in unbedenklicher Weise die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme weiterhin für gerechtfertigt, so ist die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes trotz des damit verbundenen Eingriffes in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auch zulässig im Grunde des § 19 FrG, weil angesichts des ihm zur Last fallenden, durch eine Vielzahl von Gesetzesverstößen gekennzeichneten Gesamt(fehl)verhaltens zum Schutz der öffentlichen Ordnung und zur Verhinderung strafbarer Handlungen (Art. 8 Abs. 2 MRK) dringend geboten.

4. Wenn in der Beschwerde vorgebracht wird, daß durch die bekämpfte Entscheidung die in Österreich völlig integrierte Familie des Beschwerdeführers getroffen werde, "da durch die beabsichtigte Außerlandesschaffung des Beschwerdeführers die zentrale Einnahmsquelle für den Unterhalt der Familie in Wegfall gerät", so wird damit die gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorgenommene Interessenabwägung angesprochen.

Dazu ist zunächst festzuhalten, daß der langjährige Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich sowie die Tatsache, daß auch seine Ehegattin und die beiden gemeinsamen Kinder hier leben, bereits bei der Verhängung des Aufenthaltsverbotes zugunsten des Beschwerdeführers berücksichtigt worden waren. Daß insoweit seit diesem Zeitpunkt eine rechtserhebliche Änderung der privaten und familiären Situation eingetreten wäre, wird in der Beschwerde nicht behauptet. Im übrigen zeigt die Beschwerde nicht auf, daß der Beschwerdeführer gehindert wäre, seiner Unterhaltsverpflichtung vom Ausland her nachzukommen. Von daher gesehen vertrat die belangte Behörde nicht zu Unrecht die Auffassung, daß sich (auch) die Interessenlage im privaten und familiären Bereich des Beschwerdeführers nicht wesentlich geändert habe. Die Zulässigkeit der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes ist demnach auch im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG zu bejahen.

5. Der Beschwerdemeinung, die belangte Behörde habe die "Norm des § 88 Abs. 5 FrG unrichtig angewandt, da hier eine Analogie zulässig wäre", kann nicht beigepflichtet werden, steht ihr doch der eindeutige Wortlaut der genannten Bestimmung entgegen, die sich ausschließlich auf unbefristete Aufenthaltsverbote (gemäß § 88 Abs. 3 FrG) bezieht. Für eine Analogie i.S. einer Anwendung des § 88 Abs. 5 FrG auf befristete Aufenthaltsverbote ist kein Raum, da hier keine "echte Lücke" vorliegt (vgl. dazu die bei WALTER-MAYER, Bundesverfassungsrecht7, 1992, Rz 136, für das Verfassungsrecht angestellten Überlegungen, die in gleicher Weise für das Verwaltungsrecht gelten).

6. Der Umstand, daß nach der Beschwerdedarstellung die Behörde erster Instanz für den Fall, daß der Beschwerdeführer sämtliche noch offenen Verwaltungsstrafen bezahle, die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes in Aussicht gestellt habe, ist - sollte diese Behauptung zutreffen - für die Beurteilung der Frage nach der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ohne Relevanz.

7. Schließlich versagt auch die Verfahrensrüge, verabsäumt es doch die Beschwerde darzulegen, inwieweit die belangte Behörde bei Gewährung des Parteiengehörs zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Bescheid hätten kommen können.

8. Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde als zur Gänze unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

9. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Antrages (§ 59 Abs. 1 VwGG) - auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.