VwGH vom 29.04.2005, 2004/05/0308
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des Klaus Glavanics in Wien, vertreten durch Dr. Günter Wappel, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Landskrongasse 8/1a, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom , Zl. MA 64-BE 130/2003, betreffend Gebrauchserlaubnis, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom beantragte der Beschwerdeführer die "Erteilung einer Gebrauchserlaubnis zur Aufstellung eines Schanigartens" auf öffentlichem Gemeindegrund vor seinem Lokal "Vulcania" in 1010 Wien, Judengasse 11. Der Beschwerdeführer besitzt für diesen Standort die Gewerbeberechtigung zum Betrieb eines Gastgewerbes in der Betriebsart einer Bar. Dem vorgelegten Einreichplan ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer ohne Vornahme von baulichen Veränderungen beabsichtigt, vor dem Lokaleingang über eine Fläche von 9,80 m Länge und 2 m Breite vier runde Tische mit einem Durchmesser von 90 cm und insgesamt zwölf Stühle (je vier Stühle pro Tisch) als sogenannten "Schanigarten" aufzustellen.
Die Bundespolizeidirektion Wien, Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, sprach sich in ihrer vom Magistrat der Stadt Wien eingeholten Stellungnahme vom gegen die Bewilligung "aus Sicherheitsgründen" aus. Sie verwies auf die von ihr zu einem gleichartigen Antrag des Beschwerdeführers im Schreiben vom geäußerten Bedenken, in welchem auf eine Stellungnahme der Israelitischen Kultusgemeinde Wien vom Bezug genommen wird. Darin sprach sich die Israelitische Kultusgemeinde Wien "aus Sicherheitsgründen" gegen die Bewilligung der beantragten Gebrauchserlaubnis aus. Durch die Inanspruchnahme des öffentlichen Grundes im begehrten Umfang würden die notwendigen sicherheitspolizeilichen Maßnahmen im Alarmfall erheblich behindert und es käme zu einer nicht vertretbaren Gefährdung sowohl der bundespolizeilichen als auch der eigenen Sicherheitsorgane. Der nach dem Terroranschlag im Jahre 1980 mit hohem Personalaufwand erfolgreich aufgebaute Sicherheitsapparat würde zudem einen Großteil der Präventivwirkung gegen Terroranschläge einbüßen.
Der Beschwerdeführer beantragte daraufhin die Durchführung einer Verhandlung an Ort und Stelle mit dem Hinweis, dass "alle anderen Lokale in der näheren Umgebung mit Sicht auf die Kultusgemeinde auch Schanigärten betreiben".
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom wurde der Antrag des Beschwerdeführers abgewiesen, weil durch die Aufstellung von Tischen und Stühlen die ausreichende Sicherheit bei einem Polizeieinsatz nicht gewährleistet sei.
In seiner dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer aus, dass sich täglich hunderte Personen in der "Sicherheitszone Judengasse-Seitenstettengasse)" als Fußgänger - entweder als Touristen oder als Besucher der in der Seitenstettengasse, am Rabensteig sowie in der Judengasse befindlichen Lokale - aufhielten. Die Eingänge und Fenster der Lokale, die sich in der "Sicherheitszone" teilweise sogar direkt gegenüber dem Eingang des Hauses der Kultusgemeinde Wien befänden, dürften im Sommer bis 23.00 Uhr geöffnet sein.
Lieferantenfahrzeuge könnten erlaubter Weise bis 10.30 Uhr in die "Sicherheitszone", in welcher sich auch eine Parkbank befinde, einfahren. Die Bewachung des Gebäudes der Kultusgemeinde Wien durch Polizeibeamte werde um 19.00 Uhr beendet, sofern dort keine Festveranstaltungen stattfänden. Vor einem weiteren Eingang des Gebäudes der Kultusgemeinde Wien (Rabensteig 3) befände sich bereits ein Schanigarten. Die bereits bewilligten Schanigärten anderer (näher angeführter) Lokale befänden sich in einem Abstand von rd. 30 m zum Eingang des Hauses der Kultusgemeinde Wien. An Festtagen der Kultusgemeinde Wien erfolge eine Absperrung nur bis zur Seitenstettengasse-Ecke Judengasse. Die Bedenken der Bundespolizeidirektion Wien stünden in Widerspruch zu den tatsächlichen Verhältnissen und seien daher nicht gerechtfertigt. Der beantragte Schanigarten befände sich in einem Abstand von rd. 70 m vom Eingang der Kultusgemeinde Wien in der Seitenstettengasse. Die Judengasse sei im hier relevanten Bereich 20 m breit, weshalb keine Behinderung des Zustellverkehrs und von Einsatzfahrzeugen bestehe. Durch den Aufenthalt von rd. 16 Personen im gegenständlichen Schanigarten könne die Sicherheit nicht mehr als bisher gefährdet sein.
Über Aufforderung der belangten Behörde präzisierte die Bundespolizeidirektion Wien mit ihrer schriftlichen Stellungnahme vom die sicherheitspolizeilichen Bedenken. Demnach würde der Schanigarten eine direkte und völlig unauffällige Beobachtung der Geschehnisse und der Personen vor der Synagoge in der Seitenstettengasse ermöglichen. Genau von diesem Punkt aus sei einer der Attentäter beim Anschlag auf die Synagoge im Jahre 1981 aktiv geworden.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen. Dem Interesse eines Gastgewerbeunternehmers, seinen Gästen in der warmen Jahreszeit einen Schanigarten anzubieten, stehe im gegenständlichen Fall das öffentliche Interesse an der Sicherheit von Personen gegenüber. Auf Grund der vorliegenden Stellungnahmen könne als erwiesen angesehen werden, dass es sich bei dem beabsichtigten Standort um einen sicherheitspolitisch besonders sensiblen Bereich der Stadt Wien handle. Als Folge eines Attentats würden die benachbarten Straßenzüge von Sicherheitskräften der Kultusgemeinde und der Bundespolizei besonders überwacht. Eine effektive Überwachung und mögliche Einsätze erforderten jedoch, dass der Bereich von jeder "Möblierung" freigehalten werde. Gerade im Einsatzfall wären im Besonderen Besucher des Schanigartens extrem gefährdet. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der sensible Bereich nur an Feiertagen der Kultusgemeinde besonders schützenswert sei. Passanten und Touristen würden den gefährdeten Bereich rascher verlassen als Gäste eines Schanigartens. Die Frage, welchen Lokalen im Umkreis der Synagoge bereits die Bewilligung für die Errichtung von Schanigärten erteilt worden sei, könne im gegenständlichen Fall auf sich beruhen, weil jeder Antrag auf Grund seiner spezifischen Voraussetzungen zu prüfen sei und für den Beschwerdeführer aus Bewilligungen, die den Besitzern benachbarter Lokale erteilt wurden, kein Recht abgeleitet werden könne.
Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluss vom , B 41/04-6, die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde abgelehnt, und mit Beschluss vom , B 41/04-8, die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten.
Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer im Recht auf Einräumung der beantragten Gebrauchserlaubnis verletzt. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Dem Beschwerdefall liegt ein Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Gebrauchserlaubnis nach dem Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966 (in der Folge: GAG) zu Grunde. Die maßgeblichen Bestimmungen dieses Gesetzes in der hier anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 42/2003 haben folgenden Wortlaut:
"§ 1
Gebrauchserlaubnis
(1) Für den Gebrauch von öffentlichem Grund in der Gemeinde, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dient, samt den dazugehörigen Anlagen und Grünstreifen einschließlich seines Untergrundes und des darüber befindlichen Luftraumes ist vorher eine Gebrauchserlaubnis zu erwirken, wenn die Art des Gebrauches im angeschlossenen Tarif (Sondernutzung) angegeben ist.
Dies gilt nicht, soweit es sich um Bundesstraßengrund handelt.
(2) Jeder in der Sondernutzung (Abs. 1 ) nicht angegebene Gebrauch, der über die bestimmungsgemäße Benützung der Verkehrsfläche nach den straßenpolizeilichen und kraftfahrrechtlichen Bestimmungen hinausgeht, bedarf der privatrechtlichen Zustimmung der Stadt Wien als Grundeigentümerin.
§ 2
Erteilung der Gebrauchserlaubnis
(1) Die Erteilung einer Gebrauchserlaubnis ist nur auf Antrag zulässig. ...
(2) Die Gebrauchserlaubnis ist zu versagen, wenn dem Gebrauch öffentliche Rücksichten, wie insbesondere Umstände sanitärer oder hygienischer Art, Gründe der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs, der Parkraumbedarf, städtebauliche Interessen, Gesichtspunkte des Stadt- und Grünlandbildes oder Umstände des Natur-, Denkmal- oder Bodenschutzes, entgegenstehen; bei Erteilung der Gebrauchserlaubnis sind Bedingungen, Befristungen oder Auflagen vorzuschreiben, soweit dies zur Wahrung dieser Rücksichten erforderlich ist.
...
(5) Parteistellung haben im Verfahren zur Erteilung der Gebrauchserlaubnis neben dem Antragsteller nur der Eigentümer der Liegenschaft, bei Bauwerken auf fremden Grund und Boden überdies der Eigentümer der Baulichkeit, von der aus der Gebrauch erfolgt oder erfolgen soll, sofern sie spätestens bei der mündlichen Verhandlung Einwendungen wegen einer Beeinträchtigung der Ausübung der in § 10 Abs. 2 der Bauordnung für Wien, LGBl. für Wien Nr. 11/1930, in der jeweils geltenden Fassung, angeführten Rechte vorbringen. ...
(6) Dem Antrag auf Erteilung der Gebrauchserlaubnis sind alle für die Beurteilung des Vorhabens und die zur Wahrung der Parteistellung notwendigen Unterlagen (Pläne, Grundbuchsabschrift, Namen und Anschrift der Liegenschaftseigentümer u. dgl.) beizuschließen."
Sowohl der Beschwerdeführer als auch die belangte Behörde gehen davon aus, dass für die beantragte Nutzung der beschwerdegegenständlichen öffentlichen Verkehrsfläche eine Gebrauchserlaubnis nach § 1 Abs. 1 GAG erforderlich ist. Diese Bewilligungspflicht ergibt sich aus den im angeschlossenen Tarif zu diesem Gesetz aufgezählten Arten des Gebrauches von öffentlichem Gemeindegrund (siehe TP B Z 7 des Tarifes zum GAG).
Die im § 2 Abs. 2 GAG enthaltene Aufzählung der öffentlichen Rücksichten, ist nicht abschließend (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/05/0234, sowie das zur insoweit vergleichbaren Rechtslage des Niederösterreichischen Gebrauchsabgabegesetzes 1973 ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/05/0043). Die Gebrauchserlaubnis ist daher auch dann zu versagen, wenn dem beantragten Sondergebrauch von öffentlichem Gemeindegrund, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dient, andere als die im § 2 Abs. 2 GAG demonstrativ aufgezählten öffentlichen Interessen, denen ein gleiches Gewicht zukommt, entgegenstehen. Da die Voraussetzungen für die Erteilung der Gebrauchserlaubnis für den jeweils im Antrag genannten Standort zu prüfen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/05/0234) und der beschwerdegegenständliche "Schanigarten" in einem Stadtteil aufgestellt werden soll, der selbst vom Beschwerdeführer als "Sicherheitszone" bezeichnet wird, haben daher die Behörden (§ 17 GAG) im Beschwerdefall zutreffend Ermittlungen unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit durchgeführt.
Es fehlen jedoch im angefochtenen Bescheid begründete Feststellungen, warum sicherheitspolizeiliche Interessen (nur solche werden im angefochtenen Bescheid als Versagungsgrund angeführt) zur Versagung der beantragten Gebrauchserlaubnis führen müssen. Denn für die vom Beschwerdeführer als unrichtig bekämpfte Feststellung im angefochtenen Bescheid, für eine effektive Überwachung und auch für den Einsatzfall sei der betroffene Bereich von jeder "Möblierung" freizuhalten, fehlen im Verwaltungsakt entsprechende Ermittlungsergebnisse. Die Bundespolizeidirektion, Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, hat nämlich in ihrer Stellungnahme vom als Bedenken gegen die Erteilung der beantragten Gebrauchserlaubnis unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit nur darauf hingewiesen, der "Schanigarten würde eine direkte und völlig unauffällige Beobachtung der Geschehnisse und der Personen vor der Synagoge ermöglichen", aber nicht dargelegt, warum eine derartige Möglichkeit gerade von dem in Rede stehenden Punkt aus eine sicherheitspolizeilich relevante Gefahr darstelle, die die Versagung der beantragten Gebrauchserlaubnis für zwingend geboten erscheinen lässt. Auch die Behauptung, der in einer Breite von 2 m in die öffentliche Verkehrsfläche ragende mit 12 Sitzplätzen geplante Schanigarten behindere die notwendigen sicherheitspolizeilichen Maßnahmen im Alarmfall erheblich und erhöhe die Gefährdung der Sicherheitsorgane überproportional, sodass damit der aufgebaute Sicherheitsapparat einen Großteil der Präventivwirkung gegen Terroranschläge einbüßen würde, ist ohne Begründung nicht von vornherein nachvollziehbar. Dies insbesondere auch deshalb, weil - wie vom Beschwerdeführer schon in seiner Berufung aufgezeigt - nicht näher ausgeführt wird, warum die sicherheitspolizeilichen Interessen im Beschwerdefall von ausschlaggebender Bedeutung sind, obwohl andere Lokale im Nahebereich Schanigärten haben.
Es bedarf daher zur Klärung der Frage, ob durch die beantragte Gebrauchserlaubnis die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit beeinträchtigt wird, ergänzender Feststellungen. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Der Kostenzuspruch erfolgte im begehrten Umfang.
Wien, am