VwGH vom 14.02.2002, 99/18/0406
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des A, (geb. 1972), vertreten durch Mag. Georg Bürstmayr, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stubenring 2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 39/96, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer weist darauf hin, dass ihm der angefochtene - auf das mit außer Kraft getretene Fremdengesetz aus 1992 gestützte - Bescheid erst am zugestellt worden sei. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.
2.1. Aus den vorgelegten Verwaltungsakten geht Folgendes hervor:
Im Kopf seiner Berufung gegen den Erstbescheid hat der Beschwerdeführer unter seinem Namen als Adresse angegeben:
"Schönbrunnerstraße 234/15, dzt. JA Wien-Josefstadt, Wickenburggasse 18-22, 1082 Wien" (vgl. Blatt 33).
Nachdem die an den Beschwerdeführer unter der Adresse der besagten Justizanstalt gerichtete Briefsendung mit dem angefochtenen Bescheid mit dem Vermerk "retour - unbekannt verzogen" an die Erstbehörde zurückgekommen war (vgl. Blatt 61), versuchte diese nicht, den angefochtenen Bescheid an die in der Berufung genannte andere Adresse des Beschwerdeführers zuzustellen, sondern richtete - offenbar unter der Annahme, dass der Beschwerdeführer eine Mitteilung betreffend die Änderung seiner Abgabestelle im Sinn des § 8 Abs. 1 des Zustellgesetzes unterlassen habe - an das Zentralmeldeamt der Bundespolizeidirektion Wien eine Anfrage um Bekanntgabe der Meldedaten des Beschwerdeführers, die dahingehend beantwortet wurde, dass dieser derzeit in Wien nicht gemeldet, aber zuletzt in der schon genannten Justizanstalt gemeldet gewesen sei (Blatt 62 f).
Daraufhin ordnete die Erstbehörde die Zustellung des genannten Bescheids durch öffentliche Bekanntmachung an. Der entsprechende Anschlag an der Amtstafel der Erstbehörde erfolgte am , die Abnahme am . Das mit "Aktenvermerk" überschriebene angeschlagene Schriftstück vom hat folgenden Inhalt: "Für den jug. Sta., T.A., geboren am , liegt ha. auf Zimmer Nr. 311 ein behördliches Schriftstück zur Abholung bereit. Sollten Sie sich zur Empfangnahme dieses Schriftstückes nicht einfinden, so gilt die Zustellung als bewirkt, wenn seit dem Anschlag an der Amtstafel der Behörde (siehe oben angeführtes Datum) zwei Wochen verstrichen sind (§ 25 Abs. 1 Zustellgesetz)." (vgl. Blatt 64). Auf dem Boden des Inhalts dieses Anschlages sowie der aus Blatt 63 ersichtlichen Zustellverfügung "Hr. Kanzleileiter bitte Aushang" hegt der Verwaltungsgerichtshof keinen Zweifel, dass dieser Bescheid gemäß § 25 des Zustellgesetzes im Weg der öffentlichen Bekanntmachung zugestellt werden sollte.
Selbst wenn man mit der Erstbehörde die Auffassung vertreten wollte, dass der Beschwerdeführer - trotz seiner Angaben in der besagten Berufung - nach dem Verlassen der genannten Justizanstalt eine Mitteilung betreffend die Änderung seiner Abgabenstelle unterlassen habe, und (wiederum unter Außerachtlassung der angesprochenen Adressangabe in der Berufung) seine Abgabestelle nicht ohne weiteres habe festgestellt werden können, wäre die Zustellung dann nicht im Weg des § 25 des Zustellgesetzes durch öffentliche Bekanntmachung, sondern nach § 23 leg. cit. im Weg der Hinterlegung ohne Zustellversuch vorzunehmen gewesen. § 25 des Zustellgesetzes (vgl. Abs. 1 erster Satz) kommt nur dann zur Anwendung, wenn (u.a.) "nicht gemäß § 8 vorzugehen ist". § 8 Abs. 2 des Zustellgesetzes ordnet aber an, dass unter den dort genannten - nach der Erstbehörde im Beschwerdefall offenbar gegebenen - Voraussetzungen die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen ist. Die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung nach § 25 des Zustellgesetzes stellt eine besondere Form der Zustellung dar, die nicht als Teil einer Zustellung nach § 23 leg. cit. angesehen werden oder eine solche ersetzen kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/03/0259). Daher wäre unter der Annahme des Vorliegens der Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 des Zustellgesetzes im Beschwerdefall die Zustellung des angefochtenen Bescheides durch den genannten Anschlag jedenfalls unzulässig gewesen.
2.2. Vor diesem Hintergrund erfolgte die Zustellung des angefochtenen Bescheides erst - zu diesem Ergebnis kommt offenbar auch die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift - am (vgl. Blatt 99 der vorgelegten Verwaltungsakten).
3. Mit ist das Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, in Kraft getreten, mit Ablauf des das Fremdengesetz aus 1992 außer Kraft getreten. Zufolge der Übergangsbestimmung des § 114 Abs. 1 FrG sind Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, die bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes anhängig sind - was im Beschwerdefall zutrifft -, nach dessen Bestimmungen weiterzuführen.
4. Die belangte Behörde hat somit ihre Entscheidung über die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer auf eine nicht (mehr) anzuwendende Vorschrift gestützt. Schon deshalb leidet der angefochtene Bescheid an einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit, die vom Verwaltungsgerichtshof von Amts wegen aufzugreifen war (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/18/0048, mwH).
5. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000, und der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am