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VwGH vom 10.04.2003, 99/18/0395

VwGH vom 10.04.2003, 99/18/0395

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde der A in R, geboren 1958, vertreten durch Dr. Rudolf Franzmayr, Rechtsanwalt in 4840 Vöcklabruck, Stadtplatz 32, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom , Zl. St - 16/99, betreffend Zurückweisung einer Berufung i.A. eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck (der Erstbehörde) vom wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine kroatische Staatsangehörige, gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1 iVm § 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Laut dem in den vorgelegten Verwaltungsakten enthaltenen Rückschein wurde der Bescheid nach zwei Zustellversuchen am und an der Zustelladresse R. beim Zustellpostamt R. hinterlegt, wobei als Beginn der Abholfrist der angeführt wurde.

2. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom wurde die von der Beschwerdeführerin gegen den vorgenannten Bescheid erhobene Berufung vom (nach Ausweis der Verwaltungsakten am selben Tag zur Post gegeben) gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 63 Abs. 5 leg. cit. als verspätet zurückgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der erstinstanzliche Bescheid der Beschwerdeführerin zu eigenen Handen zugestellt und am gemäß § 17 Abs. 1 Zustellgesetz (im Folgenden: ZustellG) hinterlegt worden sei, sodass die erst am zur Post gegebene Berufung verspätet sei. Dies sei der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom zur Kenntnis gebracht worden. Diese habe mit Schriftsatz vom vorgebracht, dass die Voraussetzungen des § 17 leg. cit. für eine Hinterlegung bisher nicht geklärt worden seien, und auf die (mit ihr aufgenommene) Niederschrift vom verwiesen. Diesbezüglich sei auszuführen, dass die Beschwerdeführerin gar nicht bestreite, dass der Zusteller Grund zur Annahme gehabt habe, dass sie sich regelmäßig an der Abgabestelle aufhielte. Wie sich aus dem Akteninhalt ergebe, habe ihr bereits am ein behördliches Schriftstück (dort) zugestellt werden können. Davon, dass ihr der Umstand der Hinterlegung des besagten Schriftstückes (offensichtlich gemeint: des erstinstanzlichen Bescheides) zur Kenntnis gelangt sei, könne auf Grund der eindeutigen Angaben der Beschwerdeführerin bei ihrer Vernehmung am ausgegangen werden.

Die Durchführung der Zustellung bzw. die zu verwendenden Formulare seien in der Zustellformularverordnung 1982 geregelt. Grundsätzlich sei davon auszugehen, dass sich die Post als Zusteller an die einschlägigen Vorschriften halte und auch die vorgeschriebenen Formulare für die Ankündigung eines zweiten Zustellversuches bzw. die Hinterlegung eines Schriftstückes verwende. Gegenteiliges ergebe sich aus dem Verwaltungsakt nicht. Die Beschwerdeführerin habe bei ihrer niederschriftlichen Vernehmung am angegeben, dass sie die Verständigung der Post betreffend die Hinterlegung nicht beachtet hätte. Daraus sei zu schließen, dass es eine solche auch gegeben haben müsse. Von der Vernehmung des zuständigen Zustellers habe daher Abstand genommen werden können.

Entsprechend dem § 17 Abs. 3 ZustellG sei die hinterlegte Sendung mindestens zwei Wochen zur Abholung bereit zu halten. Dies bedeute, dass die hinterlegte Sendung (der erstinstanzliche Bescheid) mindestens bis zur Abholung bereit zu halten gewesen sei. Gehe man nun von der von der Beschwerdeführerin bestätigten Tatsache aus, dass sie am nach Österreich eingereist sei, wäre es ihr noch möglich gewesen, die Sendung innerhalb der Abholfrist zu beheben. So reiche nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes selbst ein Aufenthalt an der Abgabestelle in der Dauer von ca. sieben Stunden aus, um hinterlegte Sendungen zu beheben. Die Beschwerdeführerin habe sich deutlich länger in Österreich aufgehalten.

Demzufolge sei die Berufung, die die Beschwerdeführerin spätestens am zur Post hätte geben oder direkt bei der Erstbehörde hätte einbringen müssen, als verspätet eingebracht zurückzuweisen gewesen.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die mit "Hinterlegung" überschriebene Bestimmung des § 17 ZustellG hat folgenden Wortlaut:

"§ 17. (1) Kann die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Schriftstück im Falle der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholung anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

(3) Die hinterlegte Sendung ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte.

(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 oder die im § 21 Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde."

2. Die Beschwerde bringt vor, dass dem Postzusteller am die Ortsabwesenheit der Beschwerdeführerin hätte auffallen müssen und das Unterbleiben von dessen Vernehmung zur Frage, ob er Grund zur Annahme für einen regelmäßigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin an der Abgabestelle (in R.) gehabt habe, eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens darstelle. Auch fänden sich in der Niederschrift über die Vernehmung am keine Hinweise darüber, zu welchem Zeitpunkt sie sich am , dem letzten Tag der Hinterlegungsfrist, in R. aufgehalten habe. Sollte dies nämlich außerhalb der Öffnungszeiten des Postamtes gewesen sein, hätte sie das Schriftstück innerhalb der Hinterlegungsfrist nicht mehr beheben können. Ferner habe die Erstbehörde ihren Bescheid nochmals durch das GPK R. zustellen lassen und ergebe sich daraus, dass diese Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Hinterlegung gehabt habe.

3. Dem in den vorgelegten Verwaltungsakten enthaltenen Rückschein betreffend die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides zufolge wurde diese Sendung nach zwei erfolglosen Zustellversuchen am und an diesem Tag durch den Postzusteller beim Zustellpostamt R. hinterlegt. Beginn der Abholfrist war der .

Ob der Postzusteller zu diesem Zeitpunkt Grund zur Annahme gehabt habe, dass sich die Beschwerdeführerin oder ein Vertreter im Sinn des § 17 Abs. 1 ZustellG regelmäßig an der Zustelladresse aufhalte, kann - entgegen der Beschwerdeansicht - dahingestellt bleiben. So ist die belangte Behörde bei ihrer Beurteilung ohnedies von der von der Beschwerdeführerin behaupteten Ortsabwesenheit und von ihren Angaben bei ihrer Vernehmung (durch die Erstbehörde) am ausgegangen. Bei dieser Vernehmung hatte die Beschwerdeführerin ausgesagt, dass sie sich nur bis September 1998 regelmäßig in Österreich aufgehalten habe, in den folgenden Monaten nur kurzfristig ins Bundesgebiet gekommen sei, im Monat Dezember 1998 lediglich am 14. Dezember eingereist sei und am nächsten Vormittag (am ) bereits wieder nach Kroatien zurückgekehrt sei. Ferner sagte die Beschwerdeführerin bei dieser Vernehmung aus, dass sie die Hinterlegungsanzeige nicht beachtet habe, auf Grund ihres kurzfristigen Aufenthaltes auf die Abholung der Postsendung einfach vergessen habe und erst wieder am nach Österreich zurückgekehrt sei.

Unter Zugrundelegung dieser Angaben traf die belangte Behörde die Feststellung, dass der Beschwerdeführerin der Umstand der Hinterlegung zur Kenntnis gelangt sei. Weiters folgerte sie, dass in Anbetracht des § 17 Abs. 3 ZustellG, wonach die hinterlegte Sendung mindestens zwei Wochen zur Abholung bereit zu halten sei, die am hinterlegte Sendung mindestens bis zur Abholung bereit zu halten gewesen sei und es der Beschwerdeführerin daher möglich gewesen sei, die Postsendung innerhalb der Abholfrist zu beheben.

Die Beschwerde verweist in Bezug auf die Angaben der Beschwerdeführerin vom zwar auf deren Stellungnahme (vom ), worin jene vorgebracht habe, es wäre aus diesen Angaben "nicht zwingend" abzuleiten, dass ihr die Hinterlegungsanzeige zur Kenntnis gelangt wäre, "zumal die näheren Zusammenhänge, wie es zu dieser Äußerung im Rahmen der Niederschrift überhaupt gekommen sei, nachdem Gegenstand der Einvernahme nicht der Zustellvorgang an sich gewesen sei, sondern Gegenstand der Amtshandlung war 'Aufenthaltsverbot-Berufungergänzendes Parteiengehör'". Die Beschwerde behauptet jedoch nicht, dass die Beschwerdeführerin am nicht an die Zustellanschrift in R. zurückgekehrt sei oder dass etwa vom Postzusteller keine Hinterlegungsanzeige zurückgelassen worden sei. Wenn die belangte Behörde insoweit den Angaben der Beschwerdeführerin vom gefolgt ist und es als erwiesen angenommen hat, dass der Beschwerdeführerin nach ihrer Rückkehr am der Umstand der Hinterlegung des erstinstanzlichen Bescheides zur Kenntnis gelangt ist, so begegnet diese Beweiswürdigung im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. etwa das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken.

Soweit die Beschwerde erkennbar die Auffassung vertritt, dass in Anbetracht der Hinterlegung der Sendung am und im Hinblick auf § 17 ZustellG der letzte Tag der Hinterlegungsfrist (Abholfrist) der gewesen sein müsse, unterliegt sie einem Rechtsirrtum. Gemäß § 17 Abs. 3 erster Satz leg. cit. ist - wie oben ausgeführt - die hinterlegte Sendung mindestens zwei Wochen zur Abholung bereit zu halten. Bei dieser Frist handelt es sich um eine verfahrensrechtliche Frist, für deren Berechnung die Bestimmungen der §§ 32 f AVG heranzuziehen sind (vgl. dazu Walter/Mayer, Zustellrecht (Wien 1983), § 17 Zustellgesetz Anm 29). Gemäß § 32 Abs. 2 erster Satz AVG enden nach Wochen bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche, der durch seine Benennung dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Im vorliegenden Fall begann die Abholfrist am (einem Dienstag) zu laufen. Die (mindestens) zweiwöchige Frist des § 17 Abs. 3 ZustellG endete daher am (einem Dienstag und Werktag).

Der vom Zusteller erstellte Zustellnachweis (Rückschein) ist eine öffentliche Urkunde, die den Beweis dafür erbringt, dass die Zustellung vorschriftsmäßig erfolgt ist, doch ist der Gegenbeweis gemäß § 292 Abs. 2 ZPO zulässig. Behauptet jemand, es lägen Zustellmängel vor, so hat er diese Behauptung auch entsprechend zu begründen und Beweise dafür anzubieten, die geeignet sind, die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen. (Vgl. zum Ganzen etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 91/04/0134, und vom , Zl. 94/18/0209, mwN.)

Dafür, dass im vorliegenden Fall die Abholfrist - in gesetzwidriger Weise - tatsächlich geringer als mit zwei Wochen bemessen worden oder die Sendung am nicht mehr zur Abholung bereit gelegen wäre, ergeben sich weder aus den vorgelegten Verwaltungsakten noch der Beschwerde Anhaltspunkte. Vielmehr weist der handschriftliche Vermerk "21.12." auf dem mit dem weiteren Vermerk "nicht behoben" an die Erstbehörde zurückgestellten Kuvert darauf hin, dass die Sendung bis (einem Montag) beim Zustellpostamt R. aufbewahrt wurde. Dieser Vorgang entspräche der Anordnung des § 186 Postordnung (vgl. dazu etwa Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2, § 17 ZustG Anm 19), wonach Postsendungen regelmäßig bis zum 3. Montag, der dem Tag der Verständigung des Empfängers folgt, zur Abholung bereit zu halten sind und die Sendung innerhalb der Amtsstunden am Postschalter abzuholen ist.

Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen begegnet die im angefochtenen Bescheid getroffene Annahme, dass die Abholfrist bis (einschließlich) gedauert hat und es der Beschwerdeführerin daher möglich gewesen wäre, die Sendung innerhalb der Abholfrist zu beheben, keinem Einwand.

4. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes tritt die Sanierung einer gesetzwidrigen Hinterlegung im Sinn des § 17 Abs. 3 vierter Satz ZustellG auch dann ein, wenn der Empfänger nach seiner Rückkehr an die Abgabestelle an dem Tag, an dem die Abholung im Sinn des § 17 Abs. 3 letzter Halbsatz leg. cit. möglich wäre, oder vorher die Abgabestelle wieder verlässt. Bei der Anwendung dieser Gesetzesbestimmung kommt es nicht darauf an, ob der Empfänger auf Grund privater oder beruflicher Aktivitäten keine Zeit für die Abholung einer Sendung findet. Entscheidend ist, ob er innerhalb der Abholfrist - wenn auch nur zu einem kurzen Aufenthalt - an die Abgabestelle zurückkehrte und die Abholung der Sendung beim Postamt möglich gewesen wäre (vgl. etwa die in Hauer/Leukauf, Verwaltungsverfahren5, zu § 17 Abs. 3 ZustG E 37, 38a zitierte Judikatur).

5. Von daher begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass ein Zustellmangel gemäß § 17 Abs. 3 letzter Satz ZustellG geheilt ist und - weil die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides an die Beschwerdeführerin (jedenfalls) am wirksam geworden war - die Berufung spätestens am als dem letzten Tag der zweiwöchigen Berufungsfrist (§ 63 Abs. 5 AVG) hätte eingebracht werden müssen, keinen Bedenken. Der nochmaligen Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides an die Beschwerdeführerin durch das GPK R. am kommt somit keine rechtliche Bedeutung zu (vgl. § 6 ZustellG).

6. Demzufolge erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am