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VwGH vom 31.01.2006, 2004/05/0216

VwGH vom 31.01.2006, 2004/05/0216

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde der Gemeinde Gießhübl, vertreten durch Dr. Reinhard Armster, Rechtsanwalt in 2344 Maria Enzersdorf, Franz Josef-Straße 42/Hauptstraße 35, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. RU1- V-02123/00, betreffend Nichtigerklärung eines Baubewilligungsbescheides (mitbeteiligte Parteien: 1. Liese, 2. Gerhard und 3. Ing. Werner Deringer, alle in Gießhübl, vertreten durch Beck, Krist & Bubits, Rechtsanwälte-Partnerschaft in 2340 Mödling, Elisabethstraße 2, 4. BAI Wohnungseigentumsgesellschaft m.b.H. in Wien, vertreten durch Haslinger/Nagele & Partner, Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Am Hof 13), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bürgermeisterin der beschwerdeführenden Gemeinde vom wurde über Antrag der erst-, zweit- und drittmitbeteiligten Parteien (in der Folge kurz: erstmitbeteiligte Parteien) als damalige Eigentümer des Grundstückes Nr. 10 der Liegenschaft EZ 156, Grundbuch 16108 Gießhübl, vom nach dem Teilungsplan des Zivilingenieurs für Vermessungswesen Dipl. Ing. Helmut M. vom (Änderung vom ), G. Zl. 2907/94, gemäß § 10 NÖ Bauordnung 1976 die Teilung dieses Grundstückes in die Grundstücke Nr. 10/1, 10/2, 10/3 und 10/4 bewilligt. Gleichzeitig wurde gemäß § 13 NÖ BauO 1976 angeordnet, das Grundstück Nr. 10/3 an die beschwerdeführende Gemeinde ohne Kostenersatz und frei von in Geld ablösbaren Lasten abzutreten, das Grundstück ins Niveau zu bringen und geräumt zu übergeben. Dieser Bescheid enthält eine Rechtskraftbestätigung der Baubehörde vom . Die Verbücherung des genannten Teilungsplanes erfolgte mit Beschluss des Bezirksgerichtes Mödling vom , TZ 7669/01.

Die so neu geschaffenen Grundstücke sind derart angeordnet, dass der Bauplatz 1, das ist das neu geschaffene Grundstück Nr. 10/2, unmittelbar an die öffentliche Verkehrsfläche Hauptstraße, Grundstück Nr. 421/1, grenzt. Im Norden schließt an Bauplatz 1 das als Verkehrsfläche bezeichnete Grundstück Nr. 10/3. Daran grenzt an der Nordseite das Grundstück Nr. 10/4, bezeichnet als Bauplatz 2. Die beiden Bauplätze liegen im Bauland Wohngebiet; der nördliche Teil des Bauplatzes 2 liegt jedoch im Grünland. Die öffentliche Verkehrsfläche Grundstück Nr. 10/3 ist nach einer im Verwaltungsakt erliegenden Plankopie des Bebauungsplanes zwar als Teil der "Anton Jahn Gasse" mit einem West-Ost-Verlauf gekennzeichnet, jedoch in der Natur noch nicht errichtet. (Das Grundstück Nr. 10/1 bildet eine Restfläche).

Mit Bescheid der Bürgermeisterin der beschwerdeführenden Gemeinde vom selben Tag () wurde den damaligen Eigentümern der betroffenen Grundstücke auf Grund ihres Antrages vom gemäß § 92 Abs. 1 Z 1 iVm § 100 Abs. 1 NÖ BauO 1976 die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung von 24 Wohneinheiten in fünf Baukörpern und einer Tiefgarage mit 60 Stellplätzen, davon 58 in Parkliften, auf den Grundstücken Nr. 10/2 und 10/4, inneliegend der Liegenschaft EZ 156, Grundbuch 16108 Gießhübl, erteilt. Dieser Baubewilligungsbescheid enthält die Rechtskraftbestätigung der Baubehörde mit dem Hinweis, dass er mit in Rechtskraft erwachsen ist. Nach dem in den Verwaltungakten erliegenden Lageplan sollen vier Baukörper auf dem Grundstück Nr. 10/2 und ein Baukörper auf dem Grundstück Nr. 10/4 errichtet werden.

Der Baubewilligungsbescheid enthält den Hinweis:

"Die Verhandlungsschrift über die durchgeführte Bauverhandlung liegt in Kopie bei und bildet einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides. Die in der Niederschrift angeführten Auflagen und die einschlägigen Bestimmungen der NÖ BauO 1976 sind genauestens einzuhalten."

Tatsächlich enthält der Einleitungssatz des Baubewilligungsbescheides den Hinweis auf durchgeführte Verhandlungen vom , sowie . In der Niederschrift über die Bauverhandlung vom ist das Bauvorhaben u.a. wie folgt beschrieben:

"...

Es ist geplant auf dem vormals mit der Parzellennummer 10 ausgewiesenen Grundstück eine Grundstücksteilung in der Form durchzuführen Teilungsplan von Dipl.-ing. Helmuth M., 2340 Mödling, GZ 2907/94 vom ), dass der südliche der Hauptstraße zugewandte Teil in Zukunft die Parzellennummer 10/2 trägt, der dahinter befindliche nördliche Teil die Parzellennummer 10/4. Zwischen diesen vorher genannten Grundstücken wird eine Teilfläche (Grundstücksnummer 10/3) an die Gemeinde Gießhübl abgetreten. Ein entsprechendes Grundabteilungsverfahren ist anhängig.

Auf Grund der zukünftigen Parzelle 10/2 ist nunmehr geplant eine Wohnhausanlage bestehend aus vier Einzelwohnhäuser mit insgesamt 21 Wohneinheiten zu errichten. Auf dem zukünftigen Grundstück Nr. 10/4 wird eine Einzelwohnhausanlage aufgestellt, welche drei Wohneinheiten beinhaltet. Zusätzlich wird eine unterirdische Garage, welche die Häuser 1 bis 4 auf Kellerniveau verbindet, auf dem zukünftigen Grundstück 10/2 gebaut.

...

Der Zugang bzw. die Zufahrt zur Wohnungsanlage erfolgt von der südlichen Hauptstraße aus. An der rechten Seite des Hauses 1 erfolgt die Einfahrt in das Garagengeschoß, wobei jedenfalls unterhalb den einzelnen Wohnhäusern die Stellplätze angeordnet werden. Die einzelnen Garagenbereiche sind durch tunnelartige Erschließungen miteinander verknüpft. In Richtung Norden erfolgt die spätere zweite Garagenein- und Ausfahrt, welche zur Zeit lediglich auf den abzutretenden Teil des Areals führt. ... Im Bereich des Hauses 4 wird in Abänderung des eingereichten Projektes der Gehweg bis zu dem Stellplatzbereich geführt und über die vorhandene Schleuse zum Stiegenhaus weitergeleitet. Der im Bereich des Hauses 4 dargestellte zusätzliche Verkehrsweg über die schräg verlaufende Erschließungsstraße bis ins Freie wird nicht hergestellt.

...

Haus 5

Das Haus 5 besteht aus Kellergeschoß, Erdgeschoß, Obergeschoß und vollkommenen ausgebautem Dachgeschoß. Das Haus Nr. 5 beinhaltet 3 Wohneinheiten. Im Kellergeschoß werden keine Stellplätze untergebracht, da diese im Kellergeschoß des Hauses 4 vorgesehen sind. Die erforderlichen Hauskeller sind ebenfalls im Kellergeschoß eingebaut. Die für das Haus 5 vorgesehene Mülllagerung wird im Freien und in einer Müllnische auf Gartenniveau bewerkstelligt.

...

Die Beheizung der gesamten Wohnhausanlage erfolgt über die zentrale Gasheizungsanlage, welche im Erdgeschoß des Hauses 1 in einem eigenen Heizraum aufgestellt und betrieben wird.

... ."

Auf Grund des Beschlusses des Bezirksgerichtes Mödling vom , Tz 2472/02, wurde für die Grundstücke Nr. 10/2, 10/3 und 10/4 das Eigentum der Rechtsvorgängerin der viertmitbeteiligten Partei vorgemerkt, auf Grund des Beschlusses des Bezirksgerichtes Mödling vom , TZ 1942/03, wurde diese im Grundbuch als Eigentümerin dieser Grundstücke eingetragen.

Seit dem Jahre 2003 ist die Beschwerdeführerin als Verwalterin des öffentlichen Gutes Eigentümerin des Grundstückes Nr. 10/3, derzeit inneliegend der Liegenschaft 1000, Grundbuch 16108 Gießhübl.

Mit Bescheid des Gemeinderates der beschwerdeführenden Partei als sachlich in Betracht kommender Oberbehörde vom wurde in Ausübung des Aufsichtsrechtes "gemäß § 68 Abs. 4 Z 4 AVG" der Bescheid der Bürgermeisterin vom , mit welchem die erwähnte baubehördliche Bewilligung erteilt worden ist, "gemäß § 118 Abs. 4 NÖ Bauordnung 1976 iVm § 20 Abs. 1 NÖ Bauordnung 1976 iVm § 77 NÖ Bauordnung 1996 iVm § 68 Abs. 4 Z 4 AVG für nichtig erklärt und aufgehoben". Zur Begründung wurde ausgeführt, dass auf Grund des Grundabteilungs- und Abtretungsbescheides der Bürgermeisterin der beschwerdeführenden Partei vom , in dem die Abtretung des Grundstückes Nr. 10/3 an die beschwerdeführende Gemeinde angeordnet worden sei, für das Grundstück Nr. 10/4 gemäß § 20 Abs. 1 NÖ BauO 1976 so lange ein Bauverbot bestehe, als die der Aufschließung dienende Verkehrsfläche (Grundstück Nr. 10/3) den Verkehrserfordernissen nicht entspreche oder mit dem Straßennetz nicht in Verbindung stehe. Das Grundstück Nr. 10/3 stehe mit dem Straßennetz nicht in Verbindung. Bescheide, die u.a. dem § 20 Abs. 1 NÖ BauO 1976 nicht entsprechen, würden gemäß § 118 Abs. 4 NÖ BauO 1976 unter einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leiden. Gemäß § 77 NÖ BauO 1996 seien die am Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängigen Verfahren nach der bisherigen Rechtslage zu Ende zu führen. Ein Servitutsrecht zur Benützung stehe nicht zur Verfügung.

Gegen diesen Bescheid erhoben die erstmitbeteiligten Parteien sowie die Rechtsvorgängerin der viertmitbeteiligten Partei Vorstellung. Mit Bescheid der NÖ Landesregierung vom wurde die Vorstellung der viertmitbeteiligten Partei mangels Parteistellung zurückgewiesen. Der Vorstellung der erstmitbeteiligten Parteien wurde jedoch Folge gegeben, der bekämpfte Gemeinderatsbescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die beschwerdeführende Partei verwiesen.

Auf Grund der dagegen erhobenen Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde der auch hier beschwerdeführenden Gemeinde wurde dieser Bescheid mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/05/0013, aufgehoben.

Der Verwaltungsgerichtshof führte als Begründung der Aufhebung aus:

"Sowohl § 20 Abs. 1 NÖ Bauordnung 1976 als auch § 11 Abs. 5 NÖ Bauordnung 1996 sehen für Bauplätze ein Bauverbot vor, solange die ihrer Aufschließung dienende Verkehrsfläche den Verkehrserfordernissen nicht entspricht bzw. sie mit dem Straßennetz - etwa durch ein Fahr- und Leitungsrecht - nicht in Verbindung stehen.

Es entspricht daher nicht der von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid vertretenen Rechtsauffassung, es gebe in der NÖ Bauordnung 1996 'keine mit § 20 der NÖ Bauordnung 1976 vergleichbare Bestimmung.'"

Zur Beachtung für das weitere Verfahren, also nicht als tragenden Aufhebungsgrund, führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass mit Erlassung des Baubewilligungsbescheides durch die Baubehörde erster Instanz am das Baubewilligungsverfahren beendet war und das vom Gemeinderat der beschwerdeführenden Gemeinde durchgeführte Nichtigerklärungsverfahren schon im Geltungsbereich der NÖ BauO 1996 eingeleitet worden war und mangels Übergangsregelung daher dieses Gesetz für die Beurteilung des Vorliegens von Nichtigkeitsgründen anzuwenden sei. Bezüglich des - unstrittig - nach Inkrafttreten der NÖ BauO 1996 eingeleiteten Verfahrens des Gemeinderates der Beschwerdeführerin auf Nichtigerklärung des Baubewilligungsbescheides der Baubehörde I. Instanz vom im Grunde des § 68 Abs. 4 Z 4 AVG ist jedoch zu berücksichtigen, dass ein Bescheid dann für nichtig erklärt werden darf, wenn sich die Unterbehörde bei Anwendung jener Gesetzesbestimmungen, deren Nichtbeachtung mit Nichtigkeitssanktion bedroht ist, über die gesetzlichen Voraussetzungen hinweggesetzt hat. Die Frage, ob ein Bescheid an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler gemäß § 68 Abs. 4 Z 4 AVG leidet, ist daher nach jener Rechtslage zu prüfen, die zum Zeitpunkt der Erlassung des für nichtig zu erklärenden Bescheides gegolten hat, es sei denn, dass sich aus der in der Folge geänderten Rechtslage ergibt, dass der Gesetzgeber die in Rede stehende Rechtswidrigkeit nun nicht mehr mit Nichtigkeitssanktion bedroht wissen will.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde - soweit dies für das Beschwerdeverfahren von Bedeutung ist - der Vorstellung der mitbeteiligten Parteien Folge gegeben, den angefochtenen Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde Gießhübl verwiesen. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird ausgeführt, aus § 23 Abs. 8 NÖ BauO 1996 gehe hervor, dass ein Bescheid dann an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leide, wenn er schon im Zeitpunkt seiner Erlassung gegen die in § 20 Abs. 1 NÖ BauO 1996 taxativ aufgezählten Bestimmungen verstoßen habe, nicht jedoch, wenn sich erst nach der Erlassung des Bescheides durch die Änderung der Sachlage ein Verstoß ergebe. Der Begriff Grundstück werde in der NÖ BauO 1996 nicht näher definiert. Es sei daher vom grundbuchsrechtlichen Begriff des Grundstückes auszugehen. Gemäß § 5 Abs. 1 Allgemeines Grundbuchsanlegungsgesetz seien Grundstücke im Sinne dieses Gesetzes jene Teile einer Katastralgemeinde, die in einem bestimmten Zeitpunkt als solche im Grundsteuerkataster mit einer eigenen Nummer bezeichnet oder durch Grundbuchsbeschluss neu gebildet worden seien. Es seien daher die hier interessierenden Grundstücke Nr. 10/1 bis 10/4 erst durch den Grundbuchsbeschluss vom - und somit erst nach der rechtskräftig erteilten Baubewilligung - neu gebildet worden und es habe daher auch im Zeitpunkt der Erteilung der Baubewilligung nur das Grundstück Nr. 10 existiert. Da dieses Grundstück an die den Verkehrserfordernissen entsprechende Hauptstraße angrenze, sei bei der Erteilung der beantragten Baubewilligung kein Bauverbot und somit auch kein mit Nichtigkeit bedrohter Fehler vorgelegen. Abgesehen davon hätte höchstens die Möglichkeit bestanden, die Baubewilligung hinsichtlich des auf dem Grundstück Nr. 10/4 gelegenen und von dem übrigen Bauvorhaben trennbaren Haus 5 für nichtig zu erklären. Das nunmehrige Grundstück Nr. 10/2 grenze ja nach wie vor an die Hauptstraße; lediglich das Grundstück Nr. 10/4 grenze an die nur im Flächenwidmungsplan vorgesehene und den Verkehrserfordernissen nicht entsprechende Anton Jahn Gasse an.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die beschwerdeführende Gemeinde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Die von der belangten Behörde vertretene Auffassung, ein Grundstück entstehe erst mit dem vom Antrag abhängigen zufälligen Zeitpunkt des rechtskräftigen Grundbuchsbeschlusses, sei sachlich nicht gerechtfertigt und wäre verfassungswidrig. Das gegenständliche Bauvorhaben bilde im Übrigen eine Einheit. Die Vorstellung der erstmitbeteiligten Parteien wäre mangels Parteistellung zurückzuweisen gewesen, weil sie nicht mehr Eigentümer der Grundstücke seien sondern nur mehr die viertmitbeteiligte Partei.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Die viertmitbeteiligte Partei erstattete ebenfalls eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wie der Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Vorerkenntnis vom , Zl. 2003/05/0013, festgehalten hat, hatte die belangte Behörde bei Überprüfung des durch die Vorstellung der mitbeteiligten Parteien bekämpften Bescheides des Gemeinderates der beschwerdeführenden Gemeinde vom davon auszugehen, dass dieser Gemeinderat im Beschwerdefall § 68 Abs. 4 Z 4 AVG zulässigerweise anwenden durfte und die Frage, ob der in Überprüfung gezogene Baubewilligungsbescheid an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leidet, nach jener Rechtslage zu prüfen ist, die zum Zeitpunkt der Erlassung des für nichtig zu erklärenden Bescheides (Baubewilligungsbescheid vom ) gegolten hat, es sei denn, dass sich aus der in der Folge geänderten Rechtslage ergibt, dass der Gesetzgeber die in Rede stehende Rechtswidrigkeit nun nicht mehr mit Nichtigkeitssanktion bedroht wissen will.

Bei Überprüfung dieser Rechtsfrage hatte die belangte Behörde daher von folgenden Bestimmungen der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 (NÖ BauO 1996) sowie den Bestimmungen der Niederösterreichischen Bauordnung 1976 (NÖ BauO 1976) auszugehen:

I. NÖ BauO 1996

"§ 11

Bauplatz, Bauverbot

(1) Bauplatz ist ein Grundstück im Bauland, das

1. hiezu erklärt wurde oder

...

3. durch eine nach dem baubehördlich bewilligte oder angezeigte Änderung von Grundstücksgrenzen ganz oder zum Teil aus einem Bauplatz entstanden ist und nach den damals geltenden Vorschriften Bauplatzeigenschaft besaß oder

4. am bereits als Bauland gewidmet und mit einem baubehördlich bewilligten Gebäude oder Gebäudeteil, ausgenommen solche nach § 15 Abs. 1 Z. 1 und § 23 Abs. 3 letzter Satz, bebaut war.

...

(5) Auf einem Bauplatz nach Abs. 1, der an eine im Flächenwidmungsplan vorgesehene öffentliche Verkehrsfläche angrenzt, gilt ein Bauverbot, solange diese Verkehrsfläche den Verkehrserfordernissen nicht entspricht. Kein Bauverbot besteht, wenn der Bauplatz mit einem Fahr- und Leitungsrecht nach Abs. 2 Z. 1 lit.c oder durch eine im Eigentum des Bauplatzeigentümers stehende private Verkehrsfläche mit einer anderen öffentlichen Verkehrsfläche, die den Verkehrserfordernissen entspricht, verbunden ist.

..."

II. NÖ BauO 1976:

§ 2

Begriffe

Im Sinne dieses Gesetzes gelten als:

...

7. Bauplatz: ein Grundstück im Bauland, das


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a)
nach § 12 hiezu erklärt wurde oder
b)
durch eine vor dem bewilligte Grundabteilung geschaffen wurde und nach den damals geltenden Vorschriften Bauplatzeigenschaft besaß oder

c) am mit einem baubehördlich bewilligten Gebäude bebaut ist;


Tabelle in neuem Fenster öffnen
...
§ 20
Bauverbote

(1) Im Bauland besteht ein Bauverbot, solange die der Aufschließung eines Bauplatzes dienende Verkehrsfläche den Verkehrserfordernissen nicht entspricht oder mit dem Straßennetz nicht in Verbindung steht.

..."

Die belangte Behörde vertritt im angefochtenen Bescheid als tragenden Aufhebungsgrund die Rechtsauffassung, dass die Nichtigerklärung des Baubescheides der Bürgermeisterin der beschwerdeführenden Gemeinde vom gestützt auf das Bauverbot nach § 20 NÖ BauO 1976 deshalb nicht hätte erfolgen dürfen, weil die mit Bescheid der Bürgermeisterin der beschwerdeführenden Gemeinde vom selben Tag bewilligte Grundabteilung zu diesem Zeitpunkt grundbücherlich noch nicht durchgeführt und damit das Grundstück Nr. 10/4, KG Gießhübl, noch nicht existent gewesen sei. Es sei daher davon auszugehen, dass sich die erteilte Baubewilligung auf ein Grundstück (nämlich Grundstück Nr. 10 KG Gießhübl) erstreckt habe, für welches eine Aufschließung im Sinne des § 20 NÖ BauO 1976 (und zwar von der öffentlichen Verkehrsfläche Hauptstraße Grundstück Nr. 421/1) vorliege.

Dieser von der belangten Behörde vertretenen Rechtsauffassung vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen.

§ 20 Abs. 1 NÖ BauO 1976 sieht ein Bauverbot vor, solange die der Aufschließung eines Bauplatzes dienende Verkehrsfläche den Verkehrserfordernissen nicht entspricht oder mit dem Straßennetz nicht in Verbindung steht. Das im § 20 Abs. 1 NÖ BauO 1976 normierte Bauverbot stellt somit - wie auch das im geltenden

§ 11 Abs. 5 NÖ BauO 1996 angeordnete Bauverbot - auf das Vorhandensein einer der Aufschließung eines Bauplatzes dienenden Verkehrsfläche, die den Verkehrserfordernissen zu entsprechen hat, ab. Ein Bauplatz kann sich nach der hier geltenden Rechtslage zwar grundsätzlich nur auf ein Grundstück beziehen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/05/0044). Befindet sich jedoch ein Grundstück zum Teil im Bauland, zum anderen Teil im Grünland, darf nur der im Bauland liegende Teil als Bauplatz erklärt werden (siehe § 12 Abs. 2 NÖ BauO 1976 bzw. § 11 Abs. 4 NÖ BauO 1996). Die Identität des Bauplatzes mit einem Grundstück (zum Begriff des Grundstückes vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/05/0175) ist daher nicht unbedingt gegeben.

Ob das für den Bauplatz gebildete Grundstück bereits grundbücherlich eingetragen ist, ist für die Beurteilung, ob für diesen Bauplatz ein Bauverbot besteht, nach dem Gesetzeswortlaut nicht entscheidungswesentlich. § 11 Abs. 1 NÖ BauO 1976 normiert, dass eine Bewilligung der Grundabteilung (siehe § 10 leg. cit.) erlischt, wenn sie nicht binnen zwei Jahren ab Rechtskraft des Bescheides bei Gericht beantragt worden ist; wenn aufgrund einer solchen Bewilligung aber eine Baubewilligung erteilt wurde, dann erlischt die Bewilligung der Grundabteilung erst zugleich mit der Baubewilligung. Daraus folgt, dass eine Baubewilligung auch ohne Durchführung der Grundabteilung im Grundbuch erwirkt werden kann. Die Bauplatzerklärung kann sogar in einem einheitlichen Bescheid mit der Baubewilligung erfolgen (vgl. § 12 Abs. 3 und § 100 Abs. 3 NÖ BauO 1976. Eine ähnliche Regelung enthält § 10 Abs. 6 und § 23 Abs. 3 NÖ BauO 1996). Eine Baubewilligung kann sich demnach auf grundbücherlich noch nicht geschaffene Grundstücke beziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/05/0097, zur insoweit vergleichbaren Rechtslage der Bauordnung für Wien).

Die vom Gemeinderat der beschwerdeführenden Gemeinde mit Bescheid vom für nichtig erklärte Baubewilligung der Bürgermeisterin dieser Gemeinde vom hat sich - wie der einen integrierenden Bestandteil dieser Bewilligung bildenden Niederschrift zur Bauverhandlung vom zweifelsfrei entnommen werden kann - auf ein Bauvorhaben bezogen, das auf Grundflächen errichtet werden soll, die mit dem durch den Grundabteilungsbescheid der Bürgermeisterin der beschwerdeführenden Gemeinde vom genehmigten Teilungsplan als neue Grundstücke gebildet wurden. Dieser von der Baubehörde genehmigte Teilungsplan bezeichnet die hiefür vorgesehenen Grundstücke auch als "Bauplätze". Aus dem Spruch des Grundabteilungsbescheides der Bürgermeisterin der beschwerdeführenden Gemeinde vom ergibt sich auch, dass diese Behörde nunmehr von zwei Bauplätzen wie im Teilungsplan vorgesehen ausgeht.

Die von der belangten Behörde vertretene Rechtsauffassung, auch bei Vorliegen der im § 20 Abs. 1 NÖ BauO 1976 normierten Voraussetzungen habe im Beschwerdefall ein Bauverbot für die im Zeitpunkt der Baubewilligung vom noch nicht im Grundbuch eingetragenen Grundstücke Nr. 10/2 und 10/4, Grundbuch Gießhübl, nicht bestanden, ist demnach mit der hier anzuwendenden Rechtslage nicht vereinbar. Die belangte Behörde belastete daher aus diesem Grund den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt derzeit (d. h. auf der Grundlage der ihm vorliegenden Aktenlage) auch nicht die Ansicht der belangten Behörde, der Gemeinderat der beschwerdeführenden Gemeinde hätte die Möglichkeit gehabt, die Baubewilligung nur hinsichtlich des auf dem Grundstück Nr. 10/4 vorgesehenen Gebäudes für nichtig zu erklären.

Eine Baubewilligung ist ein antragsbedürftiger Verwaltungsakt, weshalb nur das beantragte Bauvorhaben bewilligt oder nicht bewilligt werden kann; dies gilt auch bei nachträglichen Baubewilligungen. Ein Bauvorhaben ist grundsätzlich auch ein unteilbares Ganzes, das nur als solches von der Behörde bewilligt oder abgelehnt werden kann. Aus der Antragsbedürftigkeit der Baubewilligung folgt nämlich, dass die Baubehörde über das Parteibegehren, wie es sich aus dem Ansuchen, den Plänen und der Baubeschreibung ergibt, abzusprechen hat. Liegen allerdings die Bewilligungsvoraussetzungen nur für einen Teil des Bauvorhabens vor und ist dieser Teil von dem übrigen Vorhaben trennbar, dann hat die Behörde im Zweifel davon auszugehen, dass eine Teilbewilligung vom Parteibegehren mitumfasst ist. Eine Trennbarkeit in mehrere Teile ist aber jedenfalls dann nicht gegeben, wenn eine Teilbewilligung nur durch eine - der Baubehörde verwehrte - Einflussnahme auf die Gestaltung des Bauwillens möglich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/05/0117, m.w.N.).

Auf Grund der Aktenlage ist im Beschwerdefall davon auszugehen, dass der Wille der Bauwerber auf die Bewilligung des gesamten Bauvorhabens in seiner Gesamtheit gerichtet war. Auch wenn eine technische Trennbarkeit des auf dem Bauplatz Grundstück Nr. 10/4 vorgesehenen Gebäudes von den übrigen bewilligten Bauwerken zu bejahen ist, scheidet ohne baurechtlich relevante Projektsmodifikation auf Erteilung einer Teilbaubewilligung schon deshalb aus, weil nach der Niederschrift zur Bauverhandlung vom für die gesamte Wohnhausanlage eine zentrale Gasheizungsanlage mit einem einzigen Heizraum vorgesehen ist, der Bauwille der Antragsteller also ausschließlich auf Bewilligung des genannten Bauvorhabens wie beantragt gerichtet war.

Der Verwaltungsgerichtshof weist ferner im Hinblick auf die Ausführungen in den Gegenschriften darauf hin, dass einerseits gemäß § 9 Abs. 1 NÖ BauO 1996 allen Bescheiden nach diesem Gesetz (von den hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen) dingliche Wirkung zukommt. Gleiches ordnete § 119 NÖ BauO 1976 an. Andererseits bleiben gemäß § 77 Abs. 1 letzter Satz NÖ BauO 1996 die bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes erlassenen baubehördlichen Bescheide bestehen. Obwohl im Beschwerdefall die (damaligen) Eigentümer der Grundstücke die Baubewilligung beantragt haben, dürfte nunmehr auf Grund des Überganges des Grundeigentums an diesen Grundstücken Rechtsnachfolger der erstmitbeteiligten Parteien (auch im Vorstellungsverfahren) die viertmitbeteiligte Partei gemäß § 9 Abs. 1 NÖ BauO 1996 sein.

Der Gemeinderat der beschwerdeführenden Partei hat seinen Bescheid auf § 68 Abs. 4 Z. 4 AVG gestützt. Im hg. Vorerkenntnis vom hat der Verwaltungsgerichtshof nur festgehalten, dass der von der belangten Behörde in ihrem aufhebenden Bescheid angenommene Aufhebungsgrund rechtwidrig ist und daher der Gemeinderat der beschwerdeführenden Gemeinde ein Verfahren zur Nichtigerklärung eines Baubewilligungsbescheides im Grunde des § 68 Abs. 4 Z. 4 AVG deshalb einleiten durfte, weil er der Auffassung ist, dass bei Erteilung der Baubewilligung ein Bauverbot gemäß § 20 Abs. 1 NÖ BauO 1976 vorlag. Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof zur Rechtmäßigkeit dieses Bescheides des Gemeinderates der beschwerdeführenden Partei keine weiteren Rechtsausführungen gemacht.

Bei einer auf § 68 Abs. 4 Z. 4 AVG gestützten Entscheidung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/05/0047). Bei Ausübung des Ermessens zum Nachteil der Baubewilligungsinhaber hatte der Gemeinderat der beschwerdeführenden Partei zu beurteilen, ob die der Aufschließung des Bauplatzes Grundstück Nr. 10/4 dienende Verkehrsfläche den Verkehrserfordernissen entspricht oder mit dem Straßennetz in Verbindung steht. Dabei war zu berücksichtigen, dass - wie die viertmitbeteiligte Partei in ihrer Gegenschrift zutreffend darlegt - die Eigentümer der angrenzenden Bauplätze (hier: Baubewilligungsinhaber) die Nutzung der gemäß § 13 NÖ BauO 1976 an das Öffentliche Gut abgetretenen Grundfläche Grundstück Nr. 10/3 gemäß § 13 Abs. 9 NÖ BauO 1976 beanspruchen können, solange die abgetretene Grundfläche zum Ausbau oder zur Verbreiterung der Verkehrsflächen noch nicht benötigt wird. Diese Nutzung ist in die Beurteilung, ob eine den Verkehrserfordernissen entsprechende Verkehrsfläche zur Aufschließung eines Bauplatzes vorliegt, mit einzubeziehen, zumal die davon betroffene Grundfläche für derartige Zwecke abgetreten werden musste. § 21 Abs. 12 NÖ BauO 1976 legt zwar für die Zulässigkeit der Bewilligung von Gebäuden fest, dass die der Aufschließung eines Bauplatzes dienende Verkehrsfläche den Verkehrserfordernissen nur entspricht, wenn die Zufahrt im Grundbuch sichergestellt und für Einsatzfahrzeuge geeignet ist. Das Erfordernis der grundbücherlichen Sicherstellung der Zufahrt ist für das zur Nutzung gemäß § 13 Abs. 9 NÖ BauO 1976 beanspruchte Grundstück Nr. 10/3 als erfüllt anzusehen, weil bereits aus dem genehmigten Teilungsplan und der Grundbuchseintragung für jedermann ersichtlich ist, dass dieses Grundstück als Verkehrsfläche vorgesehen ist.

Ob auf dem mit dem Straßennetz in Verbindung stehenden Grundstück Nr. 10/2 für die Aufschließung des Grundstückes Nr. 10/4 eine den Verkehrserfordernissen entsprechende Verkehrsfläche, insbesondere eine für Einsatzfahrzeuge geeignete Zufahrt, vorgesehen ist, kann vom Verwaltungsgerichtshof abschließend nicht beurteilt werden. Jedenfalls hatte der Gemeinderat der beschwerdeführenden Gemeinde im Verfahren über die Nichtigerklärung der Baubewilligung gemäß § 68 Abs. 4 Z. 4 AVG zu berücksichtigen, dass eine grundbücherliche Sicherstellung einer allenfalls vorhandenen geeigneten Verkehrsfläche im Sinne des § 20 Abs. 1 NÖ BauO 1976 iVm § 21 Abs. 12 leg. cit. zum Zeitpunkt der Erteilung der Baubewilligung tatsächlich noch nicht möglich war, weil die Grundabteilung noch nicht grundbücherlich durchgeführt sein konnte, und dass auch im Falle der Grundabteilung die Ausnützung der Baubewilligung Grundstücke mit Eigentümeridentität betrifft. Damit kann ein auf dem Grundstück Nr. 10/2 allenfalls projektsgemäß für das Grundstück Nr. 10/4 vorgesehenes Zufahrtsrecht auf Dauer zivilrechtlich in einer Weise gewährleistet werden, die einer Sicherstellung im Sinne des § 21 Abs. 12 NÖ BauO 1976 gleichzuhalten ist.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 2003/333.

Wien, am