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VwGH vom 14.11.2006, 2004/05/0162

VwGH vom 14.11.2006, 2004/05/0162

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde 1. der Gertrude Falk, 2. des Ing. Norbert Falk und 3. des DDI. Dr. Markus Falk, alle in 2332 Hennersdorf, alle vertreten durch Dr. Peter Gatternig, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Renngasse 9, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. RU1-V-01175/03, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Gemeinde Hennersdorf, vertreten durch Beck Krist Bubits, Rechtsanwälte Partnerschaft in 2340 Mödling, Freiheitsplatz 8, 2. Heinrich Toyfl und 3. Helga Toyfl, beide in 2332 Hennersdorf, beide vertreten durch Onz Onz Kraemmer Hüttler Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in Höhe von EUR 1171, 20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen

Begründung

Der Zweit- und die Drittmitbeteiligte sind Eigentümer des Grundstückes Nr. 85/4, KG Hennersdorf. Unmittelbar östlich an dieses Grundstück grenzte ursprünglich das Grundstück Nr. 85/3 der E. W. an. Auf Grund des Kaufvertrages vom 9./ haben die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer das Grundstück Nr. 85/3 von E. W. erworben und mit ihrem - östlich an dieses Grundstück angrenzenden - Grundstück Nr. 85/5 vereint. Der Drittbeschwerdeführer hat im Jahr 2001 Miteigentum an dem Grundstück Nr. 85/5 erlangt.

Mit dem hier gegenständlichen Ansuchen vom beantragten der Zweit- und die Drittmitbeteiligte (im Folgenden: Bauwerber) die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung einer Spenglerei und Lackiererei auf dem Grundstück Nr. 85/4. Laut den beigelegten Einreichplänen und der Baubeschreibung soll die bereits auf diesem Grundstück bestehende Kfz-Werkstätte samt Verkaufsraum im Norden erweitert werden.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der erstmitbeteiligten Partei vom wurde die begehrte Baubewilligung unter Vorschreibung von Auflagen erteilt. Das projektgegenständliche Grundstück weise die Widmung "Bauland-Kerngebiet" auf. Da sich auf diesem Grundstück bereits eine Werkstätte befinde, sei die Erweiterung um ein weiteres Betriebsgebäude im Kerngebiet zulässig. Die Einwendungen der Erstbeschwerdeführerin, des Zweitbeschwerdeführers sowie der E. W. (im Folgenden: Nachbarn), dass u.a. das gegenständliche Bauvorhaben dem Flächenwidmungsplan widerspreche, sich nicht harmonisch in das Ortsbild füge und zu unzumutbaren Beeinträchtigungen der Nachbarn durch Lärm, Geruch und Staub führe, wurden abgewiesen.

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung der Nachbarn wurde mit Bescheid des Gemeinderates der erstmitbeteiligten Partei vom keine Folge gegeben, es wurden aber andere Auflagen vorgeschrieben.

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung der Nachbarn gab die belangte Behörde mit Bescheid vom Folge, hob den Berufungsbescheid auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der erstmitbeteiligten Partei. Dies begründete die belangte Behörde u.a. damit, dass zur Klärung, ob Immissionen von dem gegenständlichen Betrieb zu erwarten seien, ein Betriebstypengutachten eingeholt werden müsse.

Mit Bescheid des Gemeinderates der erstmitbeteiligten Partei vom wurde der Berufung der Nachbarn neuerlich keine Folge gegeben, aber die Auflagen neu formuliert. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Beurteilung, ob der gegenständliche Betrieb als Betriebstype wegen seiner Immissionswirkungen auf das angrenzende Gebiet als zulässig anzusehen sei, habe aufgrund von bestehenden Vergleichsbetrieben zu erfolgen gehabt. Dabei sei zu überprüfen gewesen, mit welchen Auswirkungen auf die Nachbarschaft bei der Betriebstype "Lackiererei-Spenglerei" im Bauland-Kerngebiet zu rechnen war. Diese Prüfung sei durch das im fortgesetzten Ermittlungsverfahren eingeholte Gutachten des Dipl. Ing. F. vom Amt der NÖ Landesregierung vom erfolgt. Dipl. Ing. F. habe vergleichbare Betriebe untersucht und sei zu dem Schluss gekommen, dass eine typische Kfz-Spenglerei und ein Lackierereibetrieb als Betriebstype in der Nutzung Bauland-Kerngebiet zulässigerweise errichtet werden könne.

Der dagegen erhobenen Vorstellung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom neuerlich Folge, hob den Berufungsbescheid auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der erstmitbeteiligten Partei. Begründend führte sie aus, dass zur Klärung, ob der gegenständliche Betrieb Auswirkungen auf den menschlichen Organismus hervorrufen könne oder nicht, die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens erforderlich sei.

Mit Bescheid des Gemeinderates der erstmitbeteiligten Partei vom wurde der Berufung wiederum keine Folge gegeben. Aus dem Gutachten des Amtsachverständigen Dipl. Ing. F. vom sowie aus seinem Ergänzungsgutachten vom ergebe sich, dass die typische Kfz-Spenglerei und der Lackiererbetrieb wegen der voraussehbaren Immissionswirkungen auf das angrenzende Gebiet als zulässig anzusehen seien. Der medizinische Amtsachverständige, Dr. P., sei in seinem Gutachten zur Ansicht gelangt, dass aus medizinischer Sicht die auftretenden Geräusche, der Staub, der Geruch sowie eine Belastung durch chemische Stoffe im Bereich des Zumutbaren liegen würden und eine Gefährdung der Anrainer nicht vorliege.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung wurde von der belangten Behörde mit Bescheid vom als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Nachbarn Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Aus Anlass dieses Beschwerdeverfahrens leitete der Verfassungsgerichtshof ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Verordnung des Gemeinderates der erstmitbeteiligten Partei vom über das örtliche Raumordnungsprogramm ein. Mit Erkenntnis vom , V 110/90, hob der Verfassungsgerichtshof die Verordnung vom insoweit auf, als dadurch für das projektgegenständliche Grundstück die Widmung "Bauland-Kerngebiet" festgelegt worden war. In der Folge hob der Verfassungsgerichtshof den Bescheid der belangten Behörde vom mit Erkenntnis vom , B 1226/88, wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung auf; die Beschwerde der E. W. wurde, weil sie inzwischen ihr Grundstück verkauft hatte, zurückgewiesen.

Infolgedessen gab die belangte Behörde mit Bescheid vom der Vorstellung der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers Folge, hob den Berufungsbescheid auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der erstmitbeteiligten Partei.

Mit Bescheid vom gab der Gemeinderat der erstmitbeteiligten Partei der Berufung der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers neuerlich keine Folge. In der Begründung wurde ausgeführt, dass zwischenzeitig zwar die NÖ BauO 1976 außer Kraft getreten und durch die NÖ BauO 1996 ersetzt worden sei, gemäß § 77 Abs. 2 NÖ BauO 1996 jedoch die am Tage des Inkrafttretens des Gesetzes anhängigen Verfahren nach der bisherigen Rechtslage zu Ende zu führen seien. Auch sei die Behörde zwar an die Begründung des Vorstellungsbescheides vom gebunden, jedoch sei zwischenzeitig eine Änderung der Rechtslage insofern eingetreten, als mit Verordnung des Gemeinderates der erstmitbeteiligten Partei vom , genehmigt durch Bescheid der NÖ Landesregierung vom , für das "bauvorhabensgegenständliche" Grundstück die Widmung "Bauland-Kerngebiet" festgelegt worden sei. Diese Widmung entspreche den gesetzlichen Intentionen des NÖ ROG 1976, weil, wie dem Erläuterungsbericht zu entnehmen sei, die Widmungsart "Bauland-Kerngebiet" jene Widmung sei, die am besten geeignet sei, eine nachhaltige Nutzbarkeit des gegenständlichen Bereiches zu sichern.

Der dagegen erhobenen Vorstellung der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers gab die belangte Behörde mit Bescheid vom Folge, hob den Berufungsbescheid auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der erstmitbeteiligten Partei. Begründend führte sie im Wesentlichen aus, im vorliegenden Fall sei das derzeitig gültige Niederösterreichische Raumordnungsgesetz 1976 anzuwenden. In deren Novelle 1995 sei die Definition der Nutzungsarten abgeändert worden, sodass bei den Nutzungsarten Wohngebiet, Kerngebiet, Bauland-Betriebsgebiet und Bauland-Agrargebiet nunmehr im jeweiligen Bauverfahren zu prüfen sei, ob sich der geplante Betrieb ins Ortsbild einfüge und ob er Lärm- und Geruchsbelästigungen bzw. sonstige schädliche Einwirkungen auf die Umgebung verursache. Mit dieser Novelle sei nämlich bei den Definitionen das bisher letzte Wort "können" gestrichen worden, sodass jetzt für die Zulässigkeit eines Betriebes nicht mehr seine typenmäßige Eignung als Ursache einer das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigenden Lärm- oder Geruchsbelästigung oder sonstigen schädlichen Einwirkungen auf die Nachbarschaft im Sinne der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes maßgeblich sein solle, sondern die konkrete Erwartung des Ausmaßes der voraussichtlich durch seine Ausstattung mit Maschinen und anderen emittierenden Anlagen oder durch seine Betriebsweise verursachten Immissionen. Auf Grund der Änderung dieser Rechtslage hätte der Gemeinderat das Betriebstypengutachten nicht mehr als Entscheidungsgrundlage heranziehen dürfen.

Mit Schriftsatz vom , welcher wiederum mit Schriftsatz vom infolge eines Schreibfehlers ergänzt wurde, ergänzten die Bauwerber ihr Bauansuchen durch näher bezeichnete Vorkehrungen zur Vermeidung übermäßiger Emissionen und unzumutbarer Immissionen durch den gegenständlichen Betrieb. (Eine "Präzisierung des Antrages" im Schriftsatz der Bauwerber vom , worauf der Schriftsatz vom verweist, wurde nicht vorgelegt).

Der Gemeinderat setzte das Berufungsverfahren durch eine Augenscheinsverhandlung am fort. Dabei wurde die Verhandlung, wie in der Niederschrift betont, auf die Frage der Übereinstimmung des Projekts mit der Flächenwidmung "Bauland-Kerngebiet" eingeschränkt.

Bei dieser Verhandlung erstattete der Sachverständige, DI. Sch., ein raumordnungsfachliches Gutachten über das gegenständliche Projekt sowie über ein Bauansuchen vom betreffend ein weiteres Werkstättengebäude. Darin wird - soweit hier wesentlich - Folgendes ausgeführt:

"Im örtlichen Raumordnungsprogramm der Gemeinde Hennersdorf ist die für gesamte Fläche des betreffenden Grundstückes die Widmungsart "Bauland-Kerngebiet" festgelegt (Diese Flächenwidmung ist seit dem rechtskräftig).

.......

Zu Antrag 1.) Spenglerei u. Lackiererei

Diese Betriebsanlagen sind bautechnisch Teile einer ersten Werkstättenerweiterung. Die Antragspräzisierung vom enthält eine Liste der Maschinen und Geräte sowie Hinweise auf Gutachten und Bescheide des gewerbebehördlichen Bewilligungsverfahrens. Die Antragspräzisierung vom enthält konkrete, zum Teil bautechnische Maßnahmen zum Zwecke der Beschränkung von Lärm-, Geruchs- u. sonstiger störender oder schädlicher Emissionen. Diese Maßnahmen sind fachlich ident mit den Auflagen, die nach Einholung von umwelttechnischen Gutachten - Fachrichtung Lärmschutz und Luftreinhaltung - sowie eines medizinischen Gutachtens im Gewerbeverfahren erteilt wurden, unzumutbare Belästigungen in der Umgebung (nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung) zu vermeiden.

.......

Gutachten:

.....

Nach Ansicht des Gutachters sind die maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen für die Beurteilung der örtlichen Zumutbarkeit allfälliger Emissionen im Gewerbeverfahren (§ 74 Gewerbeordnung 1994) und im Bauverfahren (§ 48 NÖ BO 1996) grundsätzlich gut vergleichbar. Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass im Bauverfahren die im Flächenwidmungsplan festgelegte Widmungsart mit zu berücksichtigen ist. Bauland-Kerngebiet ist definitionsgemäß eine Widmungsart, die auf eine Mischung und Vielfalt von unterschiedlichen Nutzungen ausgerichtet ist. Im Unterschied zu Bauland-Wohngebiet sind im Bauland-Kerngebiet die Bedürfnisse und Ansprüche der Wohnnutzung nicht vorrangig, sondern im Sinne einer örtlichen zumutbaren Verträglichkeit mit anderen Einrichtungen wie öffentliche Gebäude, Versammlungs- und Vergnügungsstätten und Betriebe zu berücksichtigen. Das Niveau des örtlich zumutbaren Ausmaßes von etwaigen Störungen durch Emissionen bzw. Immissionen ist demnach höher anzunehmen als im Wohngebiet; bezüglich Lärm - gem. NÖ Lärmschutzverordnung - beispielsweise um 5 dB(A).

Die Fachgutachten, von denen die Auflagen in den bisherigen Bescheiden abgeleitet wurden, behandeln die konkreten Betriebserweiterungen, Raumnutzungen und Betriebsabläufe und basieren auf einer Untersuchung der örtlichen Gegebenheiten (Abstand zu Wohngebäuden, vorherrschende Windrichtung u.ä.). Da diese Auflagen in Form von Antragspräzisierungen in die Einreichunterlagen für die Baubehörde eingearbeitet wurden, kann nach Ansicht des Gutachters auch davon ausgegangen werden, dass den beiden Bauvorhaben - bei projektgemäßer Ausführung - die Widmungsart "Bauland-Kerngebiet" nicht entgegensteht.

..............."

Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer, die auch in Vertretung des Drittbeschwerdeführers auftraten, wendeten ein, "Bauland-Kerngebiet" sei für einen Betrieb dieser Größenordnung nicht geeignet.

Mit Bescheid des Gemeinderates der erstmitbeteiligten Partei vom wurde die Berufung der Beschwerdeführer wiederum abgewiesen; Spruch samt Auflagen des Bewilligungsbescheids wurden aber neu gefasst. Der Amtsachverständige, DI Sch., habe in seinem Gutachten vom nachvollziehbar dargelegt, dass die für das gegenständliche Grundstück geltende Flächenwidmung "Bauland-Kerngebiet" der Errichtung des gegenständlichen Betriebes in der projektgegenständlichen Form nicht entgegenstehe.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer neuerlich Vorstellung. Sie brachten darin im Wesentlichen vor, der Bescheid vom stütze sich auf ein Gutachten des DI. Sch. vom . Dieses Gutachten sei den Beschwerdeführern aber nicht zur Kenntnis gebracht worden, weshalb es ihnen unmöglich gewesen sei, dazu Stellung zu beziehen bzw. dem Sachverständigengutachten auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten. Zudem würden sich laufend Probleme beim Abladen der gelieferten Neuwagen für den gegenständlichen Betrieb ergeben, da das Abladen teilweise bei laufendem Motor innerhalb eines Zeitraumes von ca. 30 bis 40 Minuten stattfinde. Im Kerngebiet seien Betriebe mit schädlichen Auswirkungen (400 kg Lösungsmittel in der Spritzlackiererei) und Handelsbetriebe mit mehr als 1000 m2 Bruttogeschossfläche nicht zulässig.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom wurde die Vorstellung der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen. Ein Gutachten des Sachverständigen DI. Sch. vom werde im Berufungsbescheid nicht erwähnt. Gegenstand dieses Gutachtens sei vielmehr die Überprüfung der Übereinstimmung eines anderen - ebenfalls in der mündlichen Verhandlung vom erörterten - Bauvorhabens der Bauwerber. Dem Gutachten des Sachverständigen vom seien die Beschwerdeführer nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Das Vorhaben betreffe die Betriebsanlage eines Handwerkes, nicht eines Handelsgewerbes. Im Übrigen besitze der Nachbar nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keinen Rechtsanspruch darauf, dass sich die Verkehrsverhältnisse auf öffentlichen Verkehrsflächen nicht änderten, er müsse es hinnehmen, dass ein Bauwerk einen entsprechenden Verkehr auslöse. Abladevorgänge, die sich auf der öffentlichen Verkehrsfläche abspielen würden, würden deshalb kein subjektiv öffentliches Recht berühren.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführer rügen zunächst die in der Berufungsverhandlung vom vorgenommene Einschränkung des Verfahrensgegenstandes. Sie beanstanden weiters, dass ihnen erstmals in dieser Verhandlung ein schalltechnisches Gutachten vom 12. (richtig: 7.) Oktober 1999 bekannt geworden sei. Auch sei ihnen die als Berichtigung bezeichnete Eingabe der Bauwerber vom nicht vorgehalten worden. Unter Vorlage eines Gutachtens des Institutes für örtliche Raumplanung der TU Wien vom bringen die Beschwerdeführer vor, das gegenständliche Bauvorhaben stehe mit der Widmung "Bauland-Kerngebiet" in Widerspruch. Sie verweisen auf ein von den Bauwerbern eingebrachtes Ansuchen vom , betreffend die Errichtung eines weiteren - an das gegenständliche Projekt nördlich angrenzenden - Zubaus (Werkstättengebäude); und legen den Einreichplan, die Rückziehung des Bauansuchens durch die Bauwerber mit Schreiben vom und die Neueinreichung vom vor. Das gegenständliche Bauvorhaben hätte gemeinsam mit dem Bauansuchen vom abgehandelt werden müssen, weil nur bei Kenntnis des Gesamtprojektes eine Beurteilung, ob es zu unzumutbaren Auswirkungen für die Nachbarn komme, möglich sei. Dies hätte bewirkt, dass die Bestimmungen des NÖ ROG 1976 über Einkaufszentren auf das gegenständliche Bauvorhaben anwendbar geworden wären, weil ab einer gewissen Größe eines Betriebes die mangelnde Verträglichkeit desselben mit der Umwelt einhergehe. Die vom Sachverständigen DI. Sch. geforderte Auflage, dass Fenster und Türen geschlossen gehalten werden müssten, sei nicht vorgeschrieben worden. Die Beschwerdeführer beantragen die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Gleichzeitig legten die Beschwerdeführer mehrere Urkunden vor.

Die belangte Behörde legte die eigenen und die (unvollständigen) Gemeindeakten vor und erstattete, ebenso wie die Mitbeteiligten, eine Gegenschrift. Die Beschwerdeführer replizierten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist vorauszuschicken, dass das Bauverfahren ein Projektgenehmigungsverfahren ist; Gegenstand des Verfahrens ist das in den Einreichplänen und sonstigen Unterlagen dargestellte Projekt (vgl. das hg Erkenntnis vom , Zl. 2002/05/1519 u.v.m.). Das einen weiteren Werkstättenzubau betreffende Bauansuchen vom war weder Gegenstand des von der belangten Behörde geprüften Berufungsbescheids vom , noch des angefochtenen Bescheides. Schon aus diesem Grund erübrigt sich eine nähere Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Beschwerdeführer, bei dem gegenständlichen Projekt handle es sich aufgrund seiner Größe um ein Einkaufszentrum im Sinne des § 17 ROG. Zu bemerken ist bezüglich dieses, zwar am zurückgezogenen, aber am neu eingebrachten Ansuchens, dass nach der hg. Rechtsprechung mehrere Bauansuchen nicht dazu führen dürfen, dass im Ergebnis ein der BO widersprechender Zustand hergestellt wird (siehe Nachweise bei Moritz, BauO für Wien3, 198).

Gemäß der Übergangsbestimmung des § 77 Abs. 1 Niederösterreichische Bauordnung 1996 waren die am Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes (das war gemäß § 78 Abs. 1 leg. cit. der ) anhängigen Verfahren nach der bisherigen Rechtslage zu Ende zu führen. Ein Verfahren ist als anhängig zu beurteilen, wenn - wie im Beschwerdefall - über einen gestellten Antrag noch nicht entschieden worden ist. Im Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung galt die Niederösterreichische Bauordnung 1976 in der Fassung LGBl. 8200-1; die Novelle LGBl. 8200-6 galt auch für anhängige Verfahren; die Novelle LGBl. 8200-9 enthielt für die hier anzuwendenden Bestimmungen keine Übergangsbestimmungen. Der durch die Novelle LGBl. 8200-12 geschaffene letzte Satz des § 118 Abs. 9 NÖ BauO wurde durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , Slg. 15.360, aufgehoben.

Die hier maßgeblichen Bestimmungen der Niederösterreichischen Bauordnung 1976 in der Fassung LGBl. 8200-9 (BO) lauten auszugsweise:

"§ 62

....

(2) Für Bauwerke, die nach Größe, Lage und Verwendungszweck erhöhten Anforderungen nach Festigkeit, Brandschutz, Sicherheit und Gesundheit entsprechen müssen oder die Belästigungen der Nachbarn erwarten lassen, welche das örtlich zumutbare Maß übersteigen, sind die zur Abwehr dieser Gefahren oder Belästigungen nötigen Vorkehrungen zu treffen; diese Auflagen haben sich insbesondere auf Größe und Ausstattung der Stiegen, Gänge, Ausfahrten, Ausgänge, Türen und Fenstern, besondere Konstruktionen der Wände und Decken, die Errichtung von Brandwänden sowie das Anbringen von Feuerlösch- und Feuermeldeanlagen zu beziehen. Zur Vermeidung von Umweltbelastungen kann die Baubehörde auch die Pflanzung und Erhaltung von Grünanlagen vorschreiben.

§ 118

......

(8) Als Anrainer genießen alle Grundstückseigentümer Parteistellung gemäß § 8 AVG 1950, wenn sie in ihren subjektivöffentlichen Rechten berührt werden.

.....

(9) Subjektiv-öffentliche Rechte der Anrainer werden durch jene Vorschriften begründet, welche nicht nur den öffentlichen Interessen dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer. Hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1.
den Brandschutz;
2.
den Schutz vor anderen Gefahren, die sich auf die Anrainergrundstücke ausdehnen können;
3. die sanitären Rücksichten wegen ihres Einflusses auf die Umgebung;
4. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe und die Abstände der Fluchtlinien zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung."
Aus § 62 Abs. 2 in Verbindung mit § 118 Abs. 8 und 9 BO erwächst dem Nachbarn ein subjektiv-öffentliches Recht auf Schutz vor den im § 62 Abs. 2 BO genannten Belästigungen, wobei auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen ist, dass § 62 Abs. 2 BO keinen absoluten Schutz vor Immissionen kennt, wohl aber die Baubehörde jene Anordnungen zu treffen hat, die notwendig sind, um Belästigungen des Nachbarn, welche das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigen, hintanzuhalten (siehe Hauer-Zaussinger, Niederösterreichische Bauordnung4, E 3 und 15 zu § 62). Das Recht auf Einhaltung einer bestimmten Widmungsart des Flächenwidmungsplanes ist dann gegeben, wenn diese Widmungsart auch einen Immissionsschutz gewährleistet (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/05/0151).
Das verfahrensgegenständliche Grundstück weist laut rechtsgültigem Flächenwidmungsplan die Widmung "Bauland-Kerngebiet" auf.
§ 16 Abs. 1 Z. 2 Niederösterreichisches Raumordnungsgesetz 1976, LGBl. 8000, in Anbetracht des seit geltenden Flächenwidmungsplanes in der Fassung der Novelle LGBl. 8000-13 (ROG) lautet:
"Bauland

(1) Das Bauland ist entsprechend den örtlichen Gegebenheiten in folgende Widmungsarten zu gliedern:

....

2. Kerngebiete, die für öffentliche Gebäude, Versammlungs- und Vergnügungsstätten, Wohngebäude sowie für Betriebe bestimmt sind, welche sich dem Ortsbild eines Siedlungskernes harmonisch anpassen und keine das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- oder Geruchsbelästigung sowie sonstige schädliche Einwirkung auf die Umgebung verursachen."

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem bereits zitierten Erkenntnis vom ausgesprochen, dass die Flächenwidmung Bauland-Kerngebiet nach § 16 Abs. 1 Z. 2 ROG den Nachbarn einen Immissionsschutz und damit ein subjektives Recht auf Übereinstimmung des Bauvorhabens mit dem Flächenwidmungsplan gewährt.

Im vorliegenden Fall haben die Beschwerdeführer rechtzeitig konkrete Einwendungen bezüglich der Immissionsbeeinträchtigung und der Nichtübereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan erhoben. Die Behörden waren daher gehalten, sich mit diesen Einwendungen auseinander zusetzen.

Seit der durch die Novelle LGBl. 8000 - 10 geänderten Fassung der Z. 1 bis 3 des § 16 Abs. 1 ROG sind im Kerngebiet Betriebe aller Art grundsätzlich zulässig, sofern sie sich dem Ortsbild eines Siedlungskernes harmonisch anpassen und sofern die konkret von ihnen ausgehende Emissionsbelastung das örtlich zumutbare Ausmaß nicht übersteigt (vgl. das hg Erkenntnis vom , Zl. 2000/05/0068 betreffend die Widmung Bauland-Wohngebiet sowie den Motivenbericht der Niederösterreichischen Landesregierung zur Novelle LGBl. 8000-10 zu den neuen Absätzen 1 und 2 des § 16 NÖ ROG, wonach die in den Z. 1 - 3 und 5 angeführten Definitionen für Wohn-, Kern-, Betriebs- und Agrargebiete jeweils nicht auf die generelle Eignung der Betriebe, 'Umweltbelastungen verursachen zu können', abstellen sollen, sondern darauf, ob der Betrieb die Lärm- und Geruchsbelästigungen bzw. sonstige schädliche Einwirkungen tatsächlich verursacht.).

Ob eine Gefahr oder Belästigung seitens eines Betriebes zu befürchten ist, hat die Behörde im Ermittlungsverfahren festzustellen. Sie hat sich hierbei im Allgemeinen der Mithilfe von Sachverständigen zu bedienen, und zwar eines technischen und eines medizinischen Sachverständigen. Sache des technischen Sachverständigen ist es, über das Ausmaß der zu erwartenden Immissionen und ihre Art Auskunft zu geben, während es dem medizinischen Sachverständigen obliegt, seine Meinung hinsichtlich der Wirkungen der Immissionen auf den menschlichen Organismus darzulegen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/05/0059).

Diesen Erfordernissen genügt das vorliegende Ermittlungsverfahren nicht. Das von der Behörde ihrer Entscheidung zugrundegelegte Gutachten des Sachverständigen DI. Sch. enthält lediglich allgemein gehaltene Ausführungen betreffend die Zulässigkeit eines Betriebes im "Bauland-Kerngebiet", eine nähere Auseinandersetzung mit dem gegenständlichen Betrieb und seinen zu erwartenden Auswirkungen findet sich darin aber nicht. Daran ändert auch nichts der in diesem Zusammenhang vom Sachverständigen getätigte Verweis auf die - auf Grundlage der im gewerbebehördlichen Verfahren eingeholten "Fachgutachten" - vorgeschriebenen Auflagen in den bisherigen Bescheiden, weil nicht nachvollziehbar ist, ob bzw. inwieweit sie eine allfällige Verringerung bzw. Vermeidung einer Beeinträchtigung der Nachbarn durch Immissionen sicherstellen können. Abgesehen davon fehlt es auch an einem medizinischen Gutachten, welches sich mit den Auswirkungen der - durch den technischen Sachverständigen konkret ermittelten - Immissionen auf den menschlichen Organismus auseinandergesetzt hätte. Das medizinische Gutachten des Dr. P. kann, da es auf dem technischen - und infolge der geänderten Rechtslage unzureichenden - Betriebstypengutachten des Dipl. Ing. F. vom beruht, nicht herangezogen werden.

Für die abschließende Beurteilung, ob das gegenständliche Projekt eine örtlich unzumutbare Belästigung durch Lärm, Geruch und Staub hervorrufen kann, bedarf es daher ergänzender Erhebungen durch Gutachten jeweils eines technischen und eines medizinischen Sachverständigen. Dabei ist zu beachten, dass auch jene Immissionen, welche - während des Abladevorganges der neugelieferten Kleinwagen für den gegenständlichen Betrieb - durch den laufenden Motor der LKWs verursacht werden, zu berücksichtigen sind. Diese stehen - im Unterschied zu jenen, welche durch die infolge eines Bauvorhabens geänderten Verkehrsverhältnisse entstehen (siehe das hg Erkenntnis vom , Zl. 2005/05/0171) - in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Betrieb und seiner Tätigkeit.

Da die belangte Behörde die Mängel des Gemeindeverfahrens nicht wahrnahm, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl II Nr. 333/2003.

Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.

Wien, am