VwGH vom 25.06.1996, 94/17/0429
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-05/26/00105/94, betreffend Strafbemessung wegen Übertretung des Wiener Vergnügungssteuergesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im Straf- und Kostenausspruch wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom wurde die Beschwerdeführerin für schuldig erkannt, sie habe es unterlassen, die Vergnügungssteuer für einen hinsichtlich Type und Aufstellungsort näher bezeichneten Spielautomaten für die Monate Februar 1991 bis April 1991 einzubekennen und zu entrichten. Sie habe hiedurch Vergnügungssteuer für die genannten Monate im Gesamtbetrag von S 36.000,-- unter Verletzung der Anmeldepflicht nicht entrichtet, somit Vergnügungssteuer in Wien in der Zeit vom bis verkürzt. Sie habe hiedurch die Bestimmung des § 19 Abs. 1 des Wiener Vergnügungssteuergesetzes, LGBl. Nr. 43/1987 (im folgenden: Wr VergnStG 1987), verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über die Beschwerdeführerin eine Geldstrafe von S 54.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 42 Tagen verhängt. Dabei ging die Behörde erster Instanz davon aus, daß die Beschwerdeführerin seit Februar 1991 einen Spielautomaten gehalten habe, bei dem das Spielergebnis vorwiegend vom Zufall abhängig gewesen sei. Erkennbar liegt dem Straferkenntnis die Ansicht zugrunde, daß die Abgabe für März und April 1991 nicht gänzlich verkürzt, sondern lediglich mit dem Abgabensatz des § 6 Abs. 3 Wr VergnStG 1987 (S 3.000,--), statt richtig mit dem des § 6 Abs. 4 leg. cit. (S 14.000,--) einbekannt und entrichtet wurde. "Zumindest seit der Aufforderung im Abgabenverfahren zur richtigen Anmeldung" habe die Beschwerdeführerin die Tat vorsätzlich begangen. Der Zeitpunkt des Zuganges dieser Aufforderung wurde nicht festgestellt und ist auch aus dem Akteninhalt nicht feststellbar.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung, in der sie bestritt, fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt zu haben (vgl. Seite 19 des Verwaltungsaktes) und sich überdies auf Rechtsirrtum berief. Sie habe angenommen, die Apparate seien nach dem Abgabensatz des § 6 Abs. 3 Wr VergnStG 1987 zu versteuern. Diese Auffassung sei in der Folge auch von einem Sachverständigen in einem Privatgutachten vertreten worden (vgl. Seite 18 verso und Seite 12 des Verwaltungsaktes).
In der Verhandlung vor der belangten Behörde vom schränkte der Vertreter der Beschwerdeführerin nach Erörterung der Sach- und Rechtslage die Berufung auf die Strafhöhe ein. Zu den allseitigen Verhältnissen der Beschwerdeführerin befragt, verwies er "auf die Angaben in den bisher anhängigen Verfahren".
Mit dem angefochtenen Bescheid setzte die belangte Behörde die Geldstrafe auf S 20.000,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 12 Tage herab.
Begründend führte sie nach Wiedergabe der Gesetzesbestimmungen aus, bei Prüfung des Unrechtsgehaltes der Tat sei davon auszugehen, daß die Beschwerdeführerin Vergnügungssteuer lediglich für die Monate März und April 1991 im Gesamtbetrag von S 22.000,-- unter Verletzung der Anmeldepflicht nicht in der gesetzlich vorgesehenen Höhe entrichtet und damit die Abgabe nur in dieser Höhe verkürzt habe. Hingegen sei die im Spruch der Behörde erster Instanz enthaltene Verkürzung der Vergnügungssteuer für den Monat Februar 1991 bei der Strafbemessung unberücksichtigt geblieben, zumal eine Abgabenpflicht für diesen Monat in Wahrheit nicht bestanden habe. Eine von der ersten Instanz als erschwerend gewertete Vorstrafe der Beschwerdeführerin sei im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bereits getilgt, sodaß diese nicht mehr zu berücksichtigen gewesen sei.
Im Hinblick auf die vorsätzliche Tatbegehung und die erhebliche Beeinträchtigung des durch die Strafdrohung geschützten Interesses an der rechtzeitigen und vollständigen Steuerentrichtung erscheine die Verhängung einer Geldstrafe in Höhe von 90 % des für die Strafbemessung relevanten Verkürzungsbetrages von S 22.000,-- angemessen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, nach Ablehnung ihrer Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht, nicht überhöht bestraft zu werden, verletzt; sie macht erkennbar Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 19 Abs. 1 erster Satz Wr VergnStG 1987 sind Handlungen oder Unterlassungen, durch welche die Steuer mit einem Betrag von höchstens S 300.000,-- verkürzt wird, als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis zu S 600.000,-- zu bestrafen; für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe ist eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu 6 Wochen festzusetzen.
§ 19 Abs. 1 VStG 1991 bestimmt, daß Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonstige Folgen nach sich gezogen hat, ist. Aus dem Grunde des § 19 Abs. 2 VStG 1991 sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Die Beschwerdeführerin bekämpft die Annahme der belangten Behörde, sie habe vorsätzlich gehandelt. Sie macht geltend, ihr sei lediglich Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Durch die Einschränkung der Berufung auf die Höhe der Strafe sei das Vorliegen der Schuldform des Vorsatzes nicht zugestanden worden. Schon dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde zum Erfolg.
Da die Verwaltungsvorschrift des § 19 Abs. 1
Wr VergnStG 1987 nichts anderes bestimmt, genügt für die Strafbarkeit nach dieser Norm fahrlässiges Verhalten (§ 5 Abs. 1 VStG 1991). Die durch die Einschränkung der Berufung auf die Strafhöhe bewirkte Teilrechtskraft des Schuldspruches entband die belangte Behörde daher nicht von der aus dem Grunde des § 19 Abs. 2 zweiter Satz VStG 1991 gebotenen Prüfung der der Beschwerdeführerin zur Last liegenden Schuldform als Ermessensdeterminante im Zuge der Strafbemessung. Im Gegensatz zur Darstellung der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift hat die Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren keine Erklärung abgegeben, welche dahin gedeutet werden könnte, sie würde einen Teil ihres bisherigen Berufungsvorbringens zur Strafhöhe nicht mehr aufrechterhalten und nunmehr lediglich ihre "allseitigen Verhältnisse" als Argument für eine Strafherabsetzung heranziehen. Auf ihre "allseitigen Verhältnisse" hat die Beschwerdeführerin im Anschluß an die Einschränkung ihrer Berufung auf die Strafhöhe lediglich über Befragen der belangten Behörde Bezug genommen. Ihr diesbezüglicher Verweis auf ihre Angaben in den "bisher anhängigen Verfahren" kann nicht als Widerruf ihres Berufungsvorbringens, wonach sie nicht vorsätzlich gehandelt habe, gewertet werden.
Aber AUCH das Berufungsvorbringen betreffend den Rechtsirrtum ist beachtlich. Aufgrund der Teilrechtskraft des Schuldspruches wäre bei Vorliegen eines Rechtsirrtums jedenfalls von dessen Vorwerfbarkeit auszugehen. Ein schuldhafter Rechtsirrtum allein schlösse die Annahme einer vorsätzlichen Tatbegehung aus dem Grunde des § 5 Abs. 2 VStG 1991 nicht aus. Bei Zutreffen ihrer Behauptungen käme der Beschwerdeführerin aber jedenfalls in Ansehung der - von der belangten Behörde bei der Strafbemessung allein berücksichtigten - Verkürzung der Differenzbeträge zwischen den Abgabensätzen des § 6 Abs. 4 und des § 6 Abs. 3
Wr VergnStG 1987 für die Monate März und April 1991 der Milderungsgrund des § 34 Z. 12 StGB zugute.
Da der angefochtene Bescheid für die dort getroffene Annahme, die Beschwerdeführerin habe vorsätzlich gehandelt, keine nachvollziehbaren Gründe enthält, fällt der belangten Behörde ein Verstoß gegen die Begründungspflicht gemäß § 58 Abs. 2 AVG iVm §§ 67 AVG, 24 VStG zur Last. Überdies hat sie es unterlassen, Feststellungen über das Bestehen des behaupteten Rechtsirrtums zu treffen, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war, zumal nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei Zutreffen der Behauptungen der Beschwerdeführerin zu einer für diese günstigeren Strafbemessung gelangt wäre.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der geltend gemachte Stempelgebührenaufwand war nicht zuzusprechen, weil ein solcher im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht angefallen ist.