VwGH vom 10.09.2003, 99/18/0158
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des D, geboren 1956, vertreten durch Dr. Marcella Zauner-Grois und Dr. Christof Dunst, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Rathausstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 521/98, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 und 2 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.
Die Gründe des angefochtenen Bescheides seien auch für die Berufungsentscheidung maßgebend. Der Beschwerdeführer habe erstmals in der Zeit von September 1988 bis September 1989 über einen Sichtvermerk verfügt. In dieser Zeit sei er zum ersten Mal wegen vorsätzlicher Körperverletzung verurteilt sowie wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges in alkoholisiertem Zustand (§ 5 Abs. 1 StVO) und ohne Lenkberechtigung (§ 64 Abs. 1 KFG) bestraft worden. Im Oktober 1989 sei er wieder wegen vorsätzlicher Körperverletzung und im Mai 1990 wegen vorsätzlicher schwerer Körperverletzung verurteilt worden. In dieser Zeit sei auch eine Bestrafung wegen unerlaubten Aufenthaltes nach dem Fremdenpolizeigesetz erfolgt. Nach sichtvermerksfreier Einreise nach Österreich im September 1990 sei der Beschwerdeführer illegal im Bundesgebiet geblieben. Im Februar 1991 sei er wieder wegen unerlaubten Aufenthaltes nach dem Fremdenpolizeigesetz bestraft worden. Ab Februar 1991 habe der Beschwerdeführer dann Sichtvermerke und anschließend befristete Aufenthaltsbewilligungen für den privaten Aufenthalt bzw. für unselbständige Erwerbstätigkeit erhalten. In der Zeit zwischen 1992 und 1994 sei er weiters insgesamt drei Mal nach der Gewerbeordnung wegen unbefugter Ausübung des Gastgewerbes und wegen Betreibens einer Betriebsanlage ohne Genehmigung rechtskräftig bestraft worden. Am sei er von Kriminalbeamten bei der Schwarzarbeit als Kellner in einem anderen Lokal betreten worden. Die Verantwortliche, Ilonka S., sei deshalb wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes mit S 30.000,-- rechtskräftig bestraft worden. Am sei der Beschwerdeführer wegen Lenkens eines KFZ in alkoholisiertem Zustand und wegen Übertretung der Höchstgeschwindigkeit angezeigt und in der Folge gemäß § 5 Abs. 1 StVO mit S 8.000,-- rechtskräftig bestraft worden. Am sei der Beschwerdeführer, der über die Dzevad M. GesmbH ein Lokal geführt habe, wegen illegaler Beschäftigung eines Fremden von Organen des Marktamtes der Stadt Wien betreten und in der Folge wegen Übertretung des § 28 Ausländerbeschäftigungsgesetz mit S 11.000,-- rechtskräftig bestraft worden. Ein Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung sei am rechtskräftig wegen der Übertretungen der Gewerbeordnung und des Ausländerbeschäftigungsgesetzes abgewiesen worden.
Am sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien neuerlich wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Schließlich sei er am vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten unter bedingter Strafnachsicht rechtskräftig verurteilt worden. Nach einer Anzeige vom sei der Beschwerdeführer wiederum wegen Lenkens eines KFZ in alkoholisiertem Zustand (§ 5 Abs. 1 StVO) rechtskräftig bestraft worden. Eine letzte rechtskräftige Verurteilung sei schließlich neuerlich wegen vorsätzlicher Körperverletzung durch das Bezirksgericht Hernals am (zu einer Geldstrafe als Zusatzstrafe) erfolgt.
Der Beschwerdeführer sei in der Zeit zwischen 1989 und 1998 insgesamt fünfmal wegen vorsätzlicher Körperverletzung, zweimal wegen strafbarer Handlungen gegen fremdes Vermögen (neben der erwähnten Verurteilung vom durch das Landesgericht Wien scheint in den Verwaltungsakten, Blatt 234, noch eine Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Bezirksgericht Hernals vom wegen § 287 Abs. 1 (§ 125) StGB zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen auf), zweimal gemäß § 5 Abs. 1 StVO und einmal wegen unerlaubter Beschäftigung eines Ausländers nach dem AuslBG rechtskräftig bestraft worden. Im Jahr 1994 sei er auch selbst einer unerlaubten Beschäftigung nach dem AuslBG nachgegangen. Damit liege der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 und 2 FrG vor. Das Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers gefährde die öffentliche Ordnung, aber auch die öffentliche Sicherheit in erheblichem Maß, sodass nicht nur die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 FrG vorlägen, sondern die Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, nämlich der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer sowie der Gesundheit dringend geboten sei. Ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG sei jedenfalls zulässig.
Der Beschwerdeführer lebe bereits seit etwas über zehn Jahren im Bundesgebiet und habe hier eine Lebensgefährtin. Seine Mutter lebe in seiner Heimat. Das Ausmaß der Integration des Beschwerdeführers erscheine durch die zahlreichen strafbaren Handlungen erheblich gemindert und die Auswirkungen auf seine Lebenssituation bzw. sein Privatleben seien nicht so beträchtlich wie die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes. Auch § 37 Abs. 2 FrG stehe daher der Maßnahme nicht entgegen. In Anbetracht des vorliegenden Sachverhaltes habe sich die belangte Behörde auch nicht entschließen können, der Berufung im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Folge zu geben.
Die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes sei richtig bemessen worden, weil sich in Anbetracht des fortwährenden deliktischen Verhaltens des Beschwerdeführers nicht sagen lasse, dass er vor Ablauf der genannten Frist sein Verhalten ändern würde. In seinem Fall wäre auch ein unbefristetes Aufenthaltsverbot zulässig und vertretbar gewesen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Der Beschwerdeführer stellt die im angefochtenen Bescheid genannten rechtskräftigen Verurteilungen und Bestrafungen nicht in Abrede. Er ist insgesamt fünfmal allein wegen vorsätzlicher Körperverletzung im Zeitraum 1989 bis 1998 und darüber hinaus je einmal wegen Sachbeschädigung und gewerbsmäßigen Diebstahls, sohin in zweifacher Hinsicht wegen strafbarer Handlungen, die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen, verurteilt worden. Es besteht daher kein Zweifel daran, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt ist.
Dazu kommen zumindest zwei rechtskräftige Bestrafungen wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges in alkoholisiertem Zustand in den Jahren 1996 und 1997 sowie die rechtskräftige Bestrafung wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) nach illegaler Beschäftigung eines Fremden im Jahr 1996 (Blatt 62 des Verwaltungsaktes). Damit ist auch der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG verwirklicht, zumal die Bestrafung gemäß § 28 Abs. 1 lit. a Z. 1 AuslBG als schwerwiegende Übertretung iSd § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG zu werten ist.
1.2. Der Beschwerdeführer hat durch dieses Gesamtfehlverhalten u.a. gravierend gegen das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Gewaltkriminalität und der Eigentumskriminalität (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2000/18/0074, bzw. vom , Zl. 99/18/0451) sowie an der Einhaltung der Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung und des AuslBG verstoßen. Ferner sind aus dem Blickwinkel des § 36 Abs. 1 FrG auch die zwei Bestrafungen wegen unerlaubten Aufenthaltes nach dem Fremdenpolizeigesetz in den Jahren 1990 und 1991 sowie die insgesamt drei Bestrafungen nach der Gewerbeordnung wegen unbefugter Ausübung des Gastgewerbes und wegen Betreibens einer Betriebsanlage ohne Genehmigung in der Zeit zwischen 1992 und 1994 insofern zu Lasten des Beschwerdeführers zu veranschlagen, als im Rahmen der Beurteilung des nach § 36 Abs. 1 leg. cit. relevanten Gesamtfehlverhaltens auch auf jene strafbaren Handlungen Bedacht zu nehmen ist, bei denen die deshalb erfolgte Bestrafung bereits getilgt ist. Somit begegnet auch die weitere Ansicht der belangten Behörde, dass die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand.
2. Entgegen der Beschwerdemeinung hat die belangte Behörde auch die Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG zutreffend vorgenommen. Bei dieser Abwägung hat sie dem Beschwerdeführer die Dauer seines inländischen Aufenthaltes und das Zusammenleben mit einer Lebensgefährtin zugute gehalten. Die aus dieser Aufenthaltsdauer ableitbare Integration wird in ihrer sozialen Komponente allerdings durch seine wiederholten gerichtlich strafbaren Handlungen und seine überwiegend schweren Verwaltungsübertretungen gemindert. Das gegen eine solche Minderung von der Beschwerde vorgetragene Argument, es sei nicht denkbar, "daß der langjährige Aufenthalt eines Fremden in Österreich, der im Bundesgebiet straffällig geworden ist, weniger schwerwiegend zu seinen Gunsten ausschlägt, eben weil der Fremde straffällig wurde", hat die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gegen sich. Mit der von der belangten Behörde angenommenen Minderung der Integration in ihrer sozialen Komponente wird nichts anderes zum Ausdruck gebracht, als dass das große Gewicht des öffentlichen Interesses an der Erlassung des Aufenthaltesverbotes gegen den Fremden durch seine aus seiner Integration ableitbaren persönlichen Interessen nicht wesentlich reduziert wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/18/0170).
Den dennoch sehr gewichtigen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht die aus seinem Gesamtfehlverhalten resultierende Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen gegenüber, konnten ihn doch selbst oftmalige vorangegangene Verurteilungen und Bestrafungen nicht davon abhalten, immer wieder straffällig zu werden und insbesondere vorsätzliche Körperverletzungsdelikte bzw. ein vorsätzliches Vermögensdelikt zu begehen. Im Hinblick darauf kann die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot im Licht sowohl des § 37 Abs. 1 als auch des § 37 Abs. 2 FrG zulässig sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden.
3. Für die belangte Behörde bestand entgegen der Beschwerde auch keine Veranlassung, von dem ihr gemäß § 36 Abs. 1 FrG bei der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes zukommenden Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen, sind doch weder aus der Beschwerde noch aus dem angefochtenen Bescheid im Zusammenhalt mit dem Akteninhalt Umstände ersichtlich, die für eine derartige Ermessensübung sprächen.
4. Nach der hg. Rechtsprechung ist ein Aufenthaltsverbot - unter Bedachtnahme auf § 39 Abs. 1 FrG - für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird. Die Annahme der belangten Behörde, dass dies erst nach Ablauf von zehn Jahren der Fall sein werde, begegnet im Hinblick auf die mehrfachen vorsätzlichen Körperverletzungs- und Eigentumsdelikte sowie auf die oben dargestellten, großteils schweren Verwaltungsübertretungen keinen Bedenken. Die Beschwerde zeigt keine Umstände auf, die den Schluss zuließen, dass der Wegfall der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe vor Ablauf dieses Zeitraumes erwartet werden könne.
5. Schließlich kann im Hinblick darauf, dass einerseits die Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes, nämlich das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers, spätestens mit dem Jahr 1989 anzusetzen ist, andererseits der Beschwerdeführer nicht vor September 1988 ununterbrochen und rechtmäßig auf Dauer im Bundesgebiet niedergelassen war, keine Rede davon sein, dass vorliegend, wie in der Beschwerde vertreten, der Aufenthaltsverbot-Verbotsgrund des § 35 Abs. 3 FrG zum Tragen kommt.
6. Die Beschwerde war nach dem Gesagten gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am