VwGH vom 14.12.1998, 94/17/0352
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde 1. der J, und
2. des F, beide vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. BauR - 011225/1 - 1994 Pe/Lan, betreffend Fahrbahn- und Gehsteigkostenbeitrag (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Gmunden, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom wurde den Beschwerdeführern für die Aufschließung von zu Bauplätzen erklärten Grundstücken im Gemeindegebiet der mitbeteiligten Stadtgemeinde durch die Verkehrsfläche der Stadtgemeinde "R-Straße" ein Fahrbahn- und Gehsteigkostenbeitrag gemäß §§ 20 und 21 Oberösterreichische Bauordnung 1976 in der Höhe von insgesamt S 64.174,28 vorgeschrieben.
Die Beschwerdeführer erhoben Berufung. Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom wurde der Berufung keine Folge gegeben. Begründend wird in diesem Bescheid nach auszugsweiser Wiedergabe der §§ 20 und 21 Oö. Bauordnung 1976 ausgeführt, dass die Aufschließungsstraße "R-Straße" im Grundbuch des Bezirksgerichtes Gmunden als öffentliches Gut eingetragen sei. Aus Unterlagen der Gemeinde bzw. im besonderen des Vermessungsamtes sei zu ersehen, dass die betreffende Straße jedenfalls bereits seit dem Jahre 1850 im öffentlichen Besitz sei. Dies stelle eine offenkundige Tatsache dar, die keines weiteren und näheren Beweises bedürfe. Aus gleichem Grund bedürfe der Tatbestand der Errichtung durch die Gemeinde keines weiteren Beweises. Unter Errichtung werde die Herstellung einer neuen Straße oder der Ausbau einer schon bestehenden Straße verstanden, wobei diese eine mittelschwere Befestigung sowie Niveauherstellung und Oberflächenentwässerung zu umfassen habe. Dies sei "jedenfalls gegeben und in der Natur auch ersichtlich". Der Zeitpunkt der Errichtung der Straße sei hingegen nicht von Relevanz.
Die Beschwerdeführer erhoben Vorstellung, in der sie die Auffassung vertraten, dass die Gemeinde nachzuweisen habe, dass sie eine öffentliche Verkehrsfläche errichtet habe und in welcher Höhe ihr durch diese Errichtung Kosten erwachsen seien. Es sei eine bekannte Tatsache, dass sehr viele öffentliche Verkehrsflächen ursprünglich von Privatpersonen errichtet würden und erst nach der Errichtung ins öffentliche Gut übernommen würden. Die Tatsache, dass eine Verkehrsfläche im Grundbuch als öffentliches Gut eingetragen sei, stelle daher keinen schlüssigen Beweis dafür dar, dass diese Verkehrsfläche tatsächlich auch von der Gemeinde errichtet worden sei und ihr dadurch Kosten erwachsen seien.
Da die Gemeinde keinen Nachweis zu erbringen vermöge, dass die Fahrbahn und der Gehsteig tatsächlich von der Gemeinde errichtet worden seien und welche Kosten der Gemeinde dadurch erwachsen seien, fehle es an den Voraussetzungen für die Vorschreibung von Anliegerbeiträgen nach den §§ 20 und 21 Oö. Bauordnung.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Vorstellung nicht Folge. Begründend führt die belangte Behörde aus, dass die Gemeinde dann keine spezifische Nachweispflicht für die Errichtung der Straße treffe, wenn unbestritten sei, dass die betreffende Straße im Zeitpunkt des Entstehens der Abgabenschuld eine öffentliche Verkehrsfläche der Gemeinde war bzw. ist. Die Gemeinde sei als Straßenerhalter nach dem Oberösterreichischen Straßengesetz 1991 (eine vergleichbare Bestimmung habe im Oberösterreichischen Landes-Straßenverwaltungsgesetz 1975 bestanden) zur Tragung der Straßenbaulast verpflichtet. Aus § 20 Oö. Bauordnung ergebe sich, dass der nach § 20 ermittelte Beitrag losgelöst von den bei der Herstellung einer Fahrbahn einer öffentlichen Verkehrsfläche tatsächlich anfallenden Kosten zu sehen sei. Dem Abgabentatbestand des § 20 Abs. 1 Oö. Bauordnung liege ein System zugrunde, das auf einem in einer Art Durchschnittsbetrachtung ermittelten Pauschalbetrag aufbaue, der von den tatsächlichen Herstellungskosten abstrahiert gesehen werden müsse.
§ 20 Oö. Bauordnung sei ein Beitragssystem immanent, das jedenfalls dann nicht an einen konkreten Nachweis der Fahrbahnerrichtung anknüpfe, wenn die fragliche Straße zum Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches Verkehrsfläche der Gemeinde gewesen sei. Dies müsse aber umso mehr gelten, wenn - wie im Beschwerdefall - die betreffende Straße unbestrittenermaßen schon seit Jahrzehnten eine öffentliche Verkehrsfläche der Gemeinde gewesen sei. Im Hinblick auf § 21 Abs. 2 Oö. Bauordnung 1976 treffen diese Überlegungen auch im Fall der Vorschreibung eines Gehsteigkostenbeitrages zu. Die Berufungsbehörde sei daher im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der vorliegende Sachverhalt die Tatbestände des § 20 Abs. 1 sowie des § 21 Abs. 1 Oö. Bauordnung 1976 verwirkliche.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes im Zusammenhang mit der Annahme der belangten Behörde, dass die Gemeinde keine spezifische Nachweispflicht für die Errichtung der Straße treffe, sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihrem Recht auf Unterbleiben der Vorschreibung von Anliegerleistungen verletzt. Aus den Bescheiden der Abgabenbehörde zweiter Instanz und dem angefochtenen Bescheid sei nicht zu entnehmen, aus welchen Unterlagen der Gemeinde bzw. des Vermessungsamtes die getroffenen Feststellungen ableitbar seien. Es handle sich insoweit um nicht überprüfbare Behauptungen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Strittig ist im Beschwerdefall die Frage, ob die von den Gemeindebehörden getroffene Feststellung der Errichtung der Verkehrsfläche durch die Gemeinde (die von der belangten Behörde übernommen wurde) in einem ordnungsgemäßen Verfahren zustandegekommen ist.
Das Beschwerdevorbringen, dass der zweitinstanzliche Gemeindebescheid in diesem Zusammenhang unüberprüfbare Behauptungen enthalte, läuft auf den Vorwurf einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides im Hinblick auf die Nichtwahrnehmung eines Verfahrensmangels des bei der Vorstellungsbehörde bekämpften Gemeindebescheides hinaus (vgl. Berchtold, Gemeindeaufsicht, in:
Fröhler/Oberndorfer, Handbuch des österreichischen Gemeinderechts, 3.14., S. 47, mit Hinweisen auf die ältere Rechtsprechung, oder die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 90/17/0503, vom , Zl. 93/06/0174, oder vom , Zl. 95/06/0131).
Bei der Wahrnehmung von Verfahrensmängeln durch die Vorstellungsbehörde werden in Lehre und Judikatur dieselben Grundsätze angewendet, wie sie sich für den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 42 Abs. 1 Z. 3 lit. c VwGG für die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften ergeben (vgl. Berchtold, a.a.O., S. 47, und die oben zitierten hg. Erkenntnisse).
Im Beschwerdefall wurde von der Gemeindebehörde zweiter Instanz aufgrund ihr vorliegender Urkunden festgestellt, dass die öffentliche Verkehrsfläche, durch die die Grundstücke der Beschwerdeführer aufgeschlossen werden, schon seit Jahrzehnten eine öffentliche Verkehrsfläche darstellt. Die Beschwerdeführer sind an sich im Recht, dass im Bescheid der Gemeindebehörde - aber auch im angefochtenen Bescheid - diese Urkunden nicht näher bezeichnet werden.
In der Beschwerde wird jedoch außer dem allgemeinen Hinweis, dass eine Straße im öffentlichen Gut nicht auch von der öffentlichen Hand errichtet worden sein müsse, nicht behauptet, dass die erwähnte Feststellung der Gemeindebehörde, von deren Zutreffen auch die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausgegangen ist, nicht mit den Tatsachen übereinstimmte. Es wird auch sonst keinerlei Hinweis gegeben, zu welchem anderen Bescheid die Gemeindebehörde bzw. die belangte Behörde kommen hätten können, wenn sie den angesprochenen Begründungsmangel im jeweiligen Bescheid vermieden und die herangezogenen Urkunden genannt hätten. Da nach den im Gemeindeakt erliegenden Unterlagen - worauf die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend hinweist - die Feststellungen der Gemeindebehörde zweiter Instanz nachvollziehbar sind und somit der Nachweis, dass die Verkehrsfläche zumindest seit dem Jahre 1918 im öffentlichen Gut steht, erbracht ist, ist nicht ersichtlich, zu welchem anderen Ergebnis die Behörden bei Vermeidung des Verfahrensmangels kommen hätten können. Insbesondere vermag die von den Beschwerdeführern aufgezeigte Möglichkeit, dass eine Straße vor der Übernahme ins öffentliche Gut von Privaten errichtet worden sein könnte, bei einer nachgewiesenermaßen nunmehr siebzig Jahre im öffentlichen Gut stehenden Straße keine weitere Ermittlungspflicht der Behörde auszulösen, sofern nicht besondere Umstände Zweifel an der Errichtung der Straße durch die Gemeinde aufkommen lassen (vgl. für den Fall einer noch nicht zu lange zurückliegenden Übernahme einer Bundesstraße durch die Gemeinde das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/17/0126). Wenngleich somit der belangten Behörde nicht zuzustimmen ist, wenn sie in Fällen, in denen die Verkehrsfläche zum Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches im öffentlichen Gut stand, den Nachweis der Errichtung durch die Gemeinde jedenfalls als gegeben ansieht, kann ihr bei der Beurteilung des Beschwerdefalles im Ergebnis nicht entgegengetreten werden.
Bei Anwendung der aus § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG ableitbaren Grundsätze auch auf das aufsichtsbehördliche Verfahren lag somit kein Verfahrensmangel auf Gemeindeebene vor, der von der belangten Behörde wahrzunehmen gewesen wäre. Der angefochtene (Vorstellungs-)Bescheid ist damit im Ergebnis nicht inhaltlich rechtswidrig, er leidet im Hinblick darauf, dass auch der dem angefochtene Bescheid innewohnende Begründungsmangel im Zusammenhang mit der auch im angefochtenen Bescheid nicht erfolgten Nennung der - im Akt aber vorhandenen - Urkunden im Hinblick auf die vorstehenden Überlegungen nicht wesentlich ist, auch nicht an einer Rechtswidrigkeit wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften (im aufsichtsbehördlichen Verfahren) im Sinne des § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG.
Zu der in der Beschwerde vertretenen Auffassung, dass die Gemeinde die durch die Errichtung der öffentlichen Verkehrsfläche ihr erwachsenden Kosten konkret nachweisen müßte, ist darauf hinzuweisen, dass die konkreten Kosten der Errichtung bei der Vorschreibung des Beitrages nach § 20 Oö. Bauordnung 1976 nur dann eine Rolle spielen, wenn die Vorschreibung aufgrund von § 20 Abs. 13 Oö. Bauordnung (im Fall der Errichtung der Straße durch einen Dritten mit Kostenbeteiligung der Gemeinde) erfolgt, da in diesem Fall der in Abs. 13 genannte prozentuelle Anteil aufgrund der konkreten Errichtungskosten zu berechnen ist; im Übrigen erfolgt die Abgabenvorschreibung gemäß § 20 Oö. Bauordnung jedoch aufgrund des mit Verordnung der Landesregierung festgesetzten Einheitssatzes (für dessen Festlegung § 20 Abs. 6 nähere Festlegungen trifft).
Ein mit dem dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/17/0126, zugrundeliegenden Fall vergleichbarer Sachverhalt (Übernahme einer Bundesstraße von der Gemeinde) liegt im Beschwerdefall nicht vor. Da die Gemeindebehörden und die belangte Behörde zu Recht davon ausgehen konnten, dass die Tatbestandsvoraussetzung der Errichtung durch die Gemeinde gegeben ist, kommt es aber auf die konkreten Errichtungskosten nicht an. Auch insoweit lag keine von der belangten Behörde als Aufsichtsbehörde im Rahmen der Vorstellungsentscheidung wahrzunehmende Rechtswidrigkeit des Gemeindebescheides vor.
Die Beschwerde ist damit nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am