VwGH 26.04.1991, 91/18/0056
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Die Anwendung der Vorschrift über die Berichtigung nach § 62 Abs 4 AVG setzt einen fehlerhaften Verwaltungsakt mit der Maßgabe voraus, daß eine auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit sowie deren Offenkundigkeit gegeben ist (HinweisE , 1841/73, VwSlg 8554 A/1974). Die Berichtigung ist auf jene Fälle der Fehlerhaftigkeit von Bescheideneingeschränkt, in denen die Unrichtigkeit eine offenkundige ist, wobei es allerdings ausreichend ist, wenn die Personen, für die der Bescheid bestimmt ist, die Unrichtigkeit des Bescheides erkennen können, und die Unrichtigkeit ferner von der Beh - bei entsprechender Aufmerksamkeit - bereits bei der Erlassung des Bescheides hätte vermieden werden können (Hinweis E , 85/02/0248). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie VwGH E 1990/01/31 89/03/0073 2 |
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RS 2 | Eine erstmals im Straferkenntnis erfolgte unrichtige Angabe der Jahreszahl des Tatzeitpunktes, die irrtümlich auch in den Berufungsbescheid übernommen wurde, kann durch einen von der Berufungsbehörde erlassenen Bescheid gem § 62 Abs 4 AVG berichtigt werden, wenn die Unrichtigkeit für den Besch deshalb offenkundig war, weil nicht nur in der dem Straferkenntnis vorausgegangenen Strafverfügung, sondern auch in drei Ladungsbescheiden die richtige Tatzeit angegeben worden war und sich der Besch selbst - wie aus seinen Schriftsätzen erkennbar - der richtigen Tatzeit bewußt war (Hinweis E , 82/02/0013). |
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RS 3 | Die Berichtigung eines Bescheides gem § 62 Abs 4 AVG kann auch noch während eines Verfahrens, das auf Grund einer gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde vor dem VwGH anhängig ist, vorgenommen werden. Es ist hiebei für die Rechtmäßigkeit der Berichtigung ohne Belang, dass die berichtigende Behörde auf die Unrichtigkeit des Bescheides erst auf Grund einer Anfrage des VwGH aufmerksam wurde. Die Zulässigkeit einer Berichtigung ist in solchen Fällen auch hinsichtlich der Bezeichnung der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, denkbar (Abgehen von VwSlg 7541 A/1969). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 86/11/0007 B VS VwSlg 12329 A/1986 RS 1 |
Normen | VwGG §33 Abs1; VwGG §56; VwRallg; |
RS 4 | Eine Klaglosstellung iSd § 33 Abs 1 und § 56 erster Satz VwGG liegt nur vor, wenn der mit Beschwerde angefochtene Bescheid mit einem formellen Akt aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird. Die bloße Erklärung des Bf, klaglos gestellt zu sein, reicht zum Eintritt der Rechtsfolgen des § 33 Abs 1 und § 56 erster Satz VwGG nicht aus (Hinweis B , 88/04/0068, B , 90/03/0097). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie VwGH E 1990/11/20 90/18/0155 2 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Degischer und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Kurt N gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. I/7-St-Sch-89245/1, betreffend Berichtigung eines wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 ergangenen Bescheides, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde, der vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides sowie dem zur hg. Zl. 90/18/0238, vorgelegten Verwaltungsstrafakt ergibt sich der nachstehende Sachverhalt:
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom wurde der Beschwerdeführer zweier Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 für schuldig befunden und bestraft, wobei im Rahmen der Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat (§ 44a lit. a VStG) die Tatzeit mit ", 04.20 Uhr" angegeben worden ist.
Mit dem Berufungsbescheid der belangten Behörde vom wurde der Schuldspruch dieses Straferkenntnisses zwar teilweise geändert, die Umschreibung der Tatzeit jedoch bestätigt.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde dieser Berufungsbescheid vom gemäß § 62 Abs. 4 AVG 1950 "in seinem Spruch insoferne berichtigt, als anstelle des Tagesdatums laut dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom
... (als Tagesdatum scheint der
auf), nachstehendes Tagesdatum zu treten hat ''".
In der Begründung dieses Bescheides wies die belangte Behörde darauf hin, daß der Berufung des Beschwerdeführers gegen das erwähnte Straferkenntnis keine Folge gegeben und dieses Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt worden sei, daß textliche Änderungen im Bescheidspruch zu erfolgen hätten. Dabei sei übersehen worden, daß das Tagesdatum der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Tat nicht der , sondern der gewesen sei, wie sich aus dem gesamten Verfahrensakt ergebe. Das Datum sei im Straferkenntnis irrtümlich geschrieben worden. Dies ergebe sich auch daraus, daß sowohl in der Anzeige vom , in der Strafverfügung vom , im Ladungsbescheid vom und im Rechtshilfeersuchen vom und in anderen Schriftstücken stets der angeführt worden sei. Aus einem Versehen sei das Straferkenntnis im Berufungsbescheid diesbezüglich nicht berichtigt worden. In seiner Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde vom habe der Beschwerdeführer mit Recht darauf hingewiesen, daß er das ihm zur Last gelegte Delikt am nicht begangen habe. Es handle sich somit offenbar um eine auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit im Sinne des § 62 Abs. 4 AVG 1950. Der Beschwerdeführer habe diesen Irrtum in seiner Berufung nicht aufgezeigt.
Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 62 Abs. 4 AVG kann die Behörde Schreib- und Rechenfehler oder diesen gleichzuhaltende, offenbar auf einem Versehen oder offenbar ausschließlich auf technisch mangelhaftem Betrieb einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten in Bescheiden jederzeit von Amts wegen berichtigen.
Die Anwendung dieser Bestimmung setzt einen fehlerhaften Verwaltungsakt mit der Maßgabe voraus, daß eine auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit sowie deren Offenkundigkeit gegeben ist. Die Berichtigung ist auf jene Fälle der Fehlerhaftigkeit von Bescheiden eingeschränkt, in denen die Unrichtigkeit eine offenkundige ist, wobei es allerdings ausreichend ist, wenn die Personen, für die der Bescheid bestimmt ist, die Unrichtigkeit des Bescheides erkennen können, und die Unrichtigkeit ferner von der Behörde bei entsprechender Aufmerksamkeit bereits bei der Erlassung des Bescheides hätte vermieden werden können (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 89/03/0073, 0074, und die darin zitierte Vorjudikatur).
Diese Voraussetzungen sind im Beschwerdefall gegeben, weil einerseits die belangte Behörde bei der durch sie hinsichtlich der Tatzeit erfolgten Bestätigung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses offensichtlich übersehen hat, daß in diesem Straferkenntnis das Kalenderjahr des Tattages irrtümlich mit 1989 statt mit 1988 bezeichnet worden ist, und andererseits nicht der geringste Zweifel daran besteht, daß diese Unrichtigkeit auch für den Beschwerdeführer erkennbar war. Die richtige Tatzeit ist nämlich nicht nur in der dem Straferkenntnis vorausgegangenen Strafverfügung vom , sondern auch in den Ladungsbescheiden vom , sowie und darüber hinaus auch im Schriftsatz des Beschwerdevertreters vom erwähnt worden. Außerdem hat der Beschwerdeführer in seiner Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom ausdrücklich geltend gemacht, daß sie die unrichtige Tatzeit des erstinstanzlichen Straferkenntnisses übernommen habe. Für den Beschwerdeführer war daher die in Rede stehende Unrichtigkeit offenkundig und sie hätte überdies von der belangten Behörde unter den gegebenen Umständen bereits bei Erlassung des Bescheides vermieden werden können.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers darf auch die Tatzeit Gegenstand einer Berichtigung sein (vgl. dazu u.a. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 82/02/0013), woran der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Umstand nichts zu ändern vermag, daß die Tatzeit einen wesentlichen Teil der Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat im Sinne des § 44a lit. a VStG bildet, zumal nicht davon ausgegangen werden kann, daß mit der Berichtigung der Jahreszahl des Tattages der materielle Inhalt des berichtigten Bescheides etwa im Sinne einer modifizierten rechtlichen Beurteilung des als erwiesen angenommenen Sachverhaltes geändert worden ist.
Mit seinem Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Slg. N.F. Nr. 7058/A, vermag der Beschwerdeführer für seinen Standpunkt nichts zu gewinnen, weil in diesem Beschwerdefall eine Bescheidbegründung unter Berufung auf § 68 Abs. 2 AVG geändert worden war, und der Gerichtshof in diesem Zusammenhang die Auffassung vertreten hatte, daß eine Berichtigung im Sinne des § 62 Abs. 4 AVG, durch welche ein Begründungsmangel behoben werden soll, unzulässig sei. Von einem derartigen Sachverhalt ist im vorliegenden Fall nicht auszugehen.
Ferner ist in Erwiderung auf ein diesbezügliches Beschwerdevorbringen darauf hinzuweisen, daß die Berichtigung eines Bescheides gemäß § 62 Abs. 4 AVG auch noch während eines Verfahrens, das auf Grund einer gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof anhängig ist, vorgenommen werden kann (vgl. dazu den hg. Beschluß eines verstärkten Senates vom , Slg. N.F. Nr. 12.329/A).
Schließlich ist zu der abschließenden Erklärung des Beschwerdeführers, durch den angefochtenen Bescheid "hinsichtlich der Beschwerde vom gegen den Bescheid vom nach berechtigter Beschwerdeerhebung klaglos" gestellt zu sein, zu bemerken, daß eine Klaglosstellung nach ständiger hg. Judikatur (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, auf S. 306 f. wiedergegebenen hg. Entscheidungen) nur dann eintritt, wenn der beim Verwaltungsgerichtshof angefochtene Bescheid formell aufgehoben wird. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der diesem zugrundeliegende Bescheid der belangten Behörde vom aber nicht aufgehoben, sondern lediglich hinsichtlich der Jahreszahl des Tattages berichtigt. Auf den in diesem Zusammenhang vom Beschwerdeführer begehrten "Kostenzuspruch wie bei sonstiger nachträglicher Klaglosstellung durch die belangte Behörde" war daher nicht näher einzugehen.
Da sohin schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Zusatzinformationen
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Schlagworte | Einstellung des Verfahrens wegen Klaglosstellung gemäß VwGG §56 erster Satz Sachverhalt Neuerungsverbot Allgemein (siehe auch Angenommener Sachverhalt) "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit Mängel bei Beschreibung Schreibfehler Umfang der Abänderungsbefugnis Allgemein bei Einschränkung der Berufungsgründe beschränkte Parteistellung Berufungsverfahren Befugnisse der Berufungsbehörde hinsichtlich Tatbestand und Subsumtion Einstellung des Verfahrens wegen Klaglosstellung gemäß VwGG §33 Abs1 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1991:1991180056.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
AAAAE-63824