VwGH vom 26.01.1996, 94/17/0329
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Höfinger, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde des J in F, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Stmk LReg vom , Zl. 7-48 To 17/1-1994, betreffend Vorstellung gegen die Abweisung eines Antrages auf bescheidmäßige Festsetzung der Lustbarkeitsabgabe und des Kriegsopferzuschlages (mP: Stadtgemeinde Bruck an der Mur, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Verfassungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom , G 230-232/93, das Lustbarkeitsabgabezuschlagsgesetz 1950, LGBl. für die Steiermark Nr. 38, als verfassungswidrig auf und sprach aus, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten und das aufgehobene Gesetz nicht mehr anzuwenden ist. Diese Aussprüche wurden vom Landeshauptmann von Steiermark am mit LGBl. Nr. 5/1994 kundgemacht.
Mit einer an die Stadtgemeinde Bruck an der Mur gerichteten, am eingelangten Eingabe machte der Beschwerdeführer geltend, er habe für einen im Zeitraum vom bis aufgestellten Geldspielautomaten an Lustbarkeitsabgabe und Kriegsopferzuschlag insgesamt S 9.600,-- entrichtet. Über diesen Betrag sei nicht bescheidmäßig abgesprochen worden. Er beantrage daher, über die von ihm als freiwillige Vorleistung bezahlte Lustbarkeitsabgabe und den Kriegsopferzuschlag bescheidmäßig abzusprechen oder aber die bezahlten Beträge rückzuübermitteln.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom wurde dieser Antrag abgewiesen. Der Beschwerdeführer habe den Geldspielautomaten bei der mitbeteiligten Stadtgemeinde angemeldet und um Zusendung von Zahlscheinen zur Begleichung der Lustbarkeitsabgabe ersucht. In der Folge sei die Abgabe (einschließlich des Kriegsopferzuschlages) in Höhe von S 4.800,-- für Dezember 1988 am und jene für Jänner 1989 am zur Einzahlung gebracht worden. Hiedurch habe der Beschwerdeführer auf die bescheidmäßige Festsetzung der Abgabe konkludent verzichtet.
Eine dagegen erhobene Berufung wurde vom Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde mit Bescheid vom (zugestellt am ) als unbegründet abgewiesen.
Einer gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung des Beschwerdeführers wurde mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde keine Folge gegeben. Begründend führte die belangte Behörde aus, gemäß § 153 Abs. 1 der Steiermärkischen Landesabgabenordnung, LGBl. Nr. 158/1963 (im folgenden: Stmk LAO) gelte die Abgabe durch Einreichung der Erklärung über die Selbstbemessung festgesetzt, wenn die Abgabenvorschriften die Selbstbemessung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne ihre abgabenbehördliche Festsetzung zulassen. § 153 Abs. 2 Stmk LAO sehe eine Festsetzung der Abgabe mit Bescheid nur vor, wenn der Abgabepflichtige die Einreichung einer Erklärung, zu der er verpflichtet ist, unterläßt, oder wenn sich die Erklärung als unvollständig oder die Selbstbemessung als unrichtig erweist. Unter Erklärungen im Sinne dieser Gesetzesstelle seien hier auch die in den Lustbarkeitsabgabeordnungen vorgesehenen Meldungen, Mitteilungen und Anzeigen zu verstehen. Die vom Beschwerdeführer vorgenommene Selbstbemessung in Höhe von insgesamt S 9.600,-- sei nach der Aktenlage zutreffend, sodaß von einer bescheidmäßigen Festsetzung der Abgabe abzusehen gewesen sei.
Daran vermöge auch der Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes, daß das Lustbarkeitsabgabezuschlagsgesetz als verfassungswidrig aufgehoben wurde und dieses nicht mehr anzuwenden ist, nichts zu ändern. Aufgrund der Selbstbemessung der Abgabe und ihrer Entrichtung sei - obwohl eine Selbstbemessung nicht rechtskraftfähig sei - doch eine derartige Bindungswirkung eingetreten, daß diese bereits geleisteten Beträge nicht mehr zurückverlangt werden können. Der Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes, daß das Gesetz nicht mehr anzuwenden sei, bedeute auch, daß der Behörde die Erlassung eines Bescheides gemäß § 153 Abs. 2 erster Satz Stmk LAO verwehrt gewesen sei, zumal die rechtliche Grundlage für derartige Maßnahmen, das Lustbarkeitsabgabezuschlagsgesetz, nicht mehr existiert habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete, wie auch die mitbeteiligte Partei, eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Berufungsbehörde hat - wie auch die erstinstanzliche Behörde - über den Antrag des Beschwerdeführers auf bescheidmäßige Festsetzung der eingehobenen Lustbarkeitsabgabe und des eingehobenen Kriegsopferzuschlages und (arg.: "bzw.") über den Antrag auf Rückerstattung der bezahlten Beträge (abweislich) entschieden. Gegenstand der Vorstellungsentscheidung der belangten Behörde war die Frage der Rechtmäßigkeit eben dieses Bescheides, der im angefochtenen Bescheid ausdrücklich als solcher "betreffend die Abweisung seines Antrages auf bescheidmäßige Festsetzung der Lustbarkeitsabgabe und des Kriegsopferzuschlages" bezeichnet wird. Die belangte Behörde hat daher - entgegen ihrer Darstellung in der Gegenschrift - über die Rechtmäßigkeit des Bescheides der Berufungsbehörde nicht nur in Ansehung der Lustbarkeitsabgabe, sondern auch in Ansehung des Kriegsopferzuschlages entschieden. Daran ändert die alleinige Anführung der Lustbarkeitsabgabe als "Ggst" vor dem Inhalt dieses Bescheides nichts, zumal dieser schon im Spruch ausdrücklich auf den Kriegsopferzuschlag als "betreffend" Bezug nimmt und sich auch in seiner Begründung mit der Berechtigung der Abweisung der diesbezüglichen Anträge des Beschwerdeführers auseinandersetzt.
Aufgrund der Kundmachung der Aussprüche des aufhebenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes durch den Landeshauptmann im LGBl. Nr. 5/1994 ist das Lustbarkeitsabgabezuschlagsgesetz LGBl. Nr. 38/1950 nicht mehr anzuwenden.
Auf dem Boden der (unmittelbaren) Präjudizialität nur des Lustbarkeitsabgabezuschlagsgesetzes gelangte der Verfassungsgerichtshof zur Aufhebung dieses Gesetzes (unter gleichzeitigem Ausspruch, daß das aufgehobene Gesetz nicht mehr anzuwenden ist). Der Verfassungsgerichtshof ist damit erkennbar - die Grenzen der Aufhebung einer in Prüfung stehenden Gesetzesbestimmung müssen vom Verfassungsgerichtshof so gezogen werden, daß einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und daß andererseits auch die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in einem untrennbaren Zusammenhang stehenden Bestimmungen erfaßt werden (vgl. etwa VfSlg. 6674/1972) - davon ausgegangen, daß hinsichtlich der Lustbarkeitsabgabe (als "Stammabgabe") eine eigenständige, vollziehbare Regelung durch das Lustbarkeitsabgabegesetz, LGBl. Nr. 37/1950, im Zusammenhang mit den jeweiligen Lustbarkeitsabgabeordnungen der Gemeinden, gegeben sei. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Beschluß vom , Zlen. 94/17/0135, 0136, der Auffassung angeschlossen, daß eine (isolierte) Bemessung der Lustbarkeitsabgabe zulässig ist.
Die Gemeindebehörden waren gemäß § 22 Lustbarkeitsabgabegesetz in der Fassung LGBl. Nr. 121/1968 und § 20 Lustbarkeitsabgabeordnung der Stadtgemeinde Bruck an der Mur zur Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers in Ansehung der Lustbarkeitsabgabe ("Stammabgabe") zuständig.
Die zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens strittige Frage, ob die - über Aufforderung der Abgabenbehörde erster Instanz erstattete - Mitteilung des Beschwerdeführers vom , er habe an einer näher angeführten Adresse einen Geldspielapparat einer bestimmten Marke am zur Aufstellung gebracht und bitte um aliquote Vorschreibung der Lustbarkeitsabgabe und um Zusendung von Erlagscheinen, im Zusammenhang mit der (verspäteten) Einzahlung unter Verwendung solcher zugesandter Erlagscheine als "Einreichung der Erklärung über die Selbstbemessung" im Sinne des § 153 Abs. 1 Stmk LAO aufzufassen ist, kann aus folgenden Gründen dahingestellt bleiben:
Gemäß § 153 Abs. 2 Stmk LAO hat die Abgabenbehörde die Abgabe mit Bescheid festzusetzen, wenn der Abgabepflichtige die Einreichung einer Erklärung, zu der er verpflichtet ist, unterläßt oder wenn sich die Erklärung als unvollständig oder die Selbstbemessung als unrichtig erweist.
Ginge man nun davon aus, daß die Abgabe durch die oben geschilderten Rechtshandlungen des Beschwerdeführers wirksam selbst bemessen wurde, so wäre die Abgabenbehörde im vorliegenden Fall verpflichtet gewesen, eine Festsetzung vorzunehmen, zumal sich die Selbstbemessung als nicht richtig erwiesen hat, weil sie zu unzutreffend hohen Ergebnissen geführt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/17/0233). Der Beschwerdeführer hat nämlich durch Verwendung der von der Abgabebehörde übermittelten Zahlscheine erklärt, jeweils S 4.800,--, gewidmet für LUSTBARKEITSABGABE für Dezember 1988 bzw. für Jänner 1989 zur Einzahlung zu bringen. Deutete man dies als Selbstbemessung, so wäre sie unrichtig, betrug die Lustbarkeitsabgabe ALLEIN doch gemäß § 15 der Lustbarkeitsabgabeordnung der Stadtgemeinde Bruck an der Mur S 4.000,-- je Apparat und begonnenem Kalendermonat. Eine Zahlung bzw. Selbstbemessung des Zuschlages zur Lustbarkeitsabgabe zugunsten der Kriegsopfer ist nach der Aktenlage nicht erfolgt.
Legte man demgegenüber zugrunde, daß eine Erklärung zur Selbstbemessung vom Beschwerdeführer nicht vorgenommen wurde, wäre die Abgabenbehörde aus dem Grunde des § 153 Abs. 2 erster Satz erster Fall Stmk LAO gleichfalls zur Erlassung eines Abgabenbescheides gehalten gewesen. Auch diesfalls würde die Erledigung des Rückerstattungsantrages voraussetzen, daß die Behörde die Rechtsfrage der Abgabenschuldigkeit beantwortet, also die Frage einer Klärung zuführt, ob die gewidmeten Zahlungen des Beschwerdeführers zur Tilgung einer bescheidmäßig nicht festgesetzten materiellen Abgabenschuld oder aber ohne Rechtsgrund erfolgten.
Im Hinblick auf den am ergangenen Berufungsbescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde konnte die belangte Behörde nicht davon ausgehen, daß im Hinblick auf die Nachtragserklärung des Beschwerdeführers vom 22. JUNI 1994 die Voraussetzungen des § 153 Abs. 2 letzter Satz Stmk LAO für ein Absehen von der bescheidmäßigen Festsetzung der Abgabe vorlägen. Die Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf bescheidmäßige Festsetzung der Lustbarkeitsabgabe durch die Gemeindebehörden erfolgte daher zu Unrecht, ihre Bestätigung durch die Vorstellungsbehörde ist inhaltlich rechtswidrig.
Das seinem Wortlaut nach als Eventualantrag formulierte Begehren auf Rückzahlung der geleisteten Selbstbemessungsabgabe hätte die Abgabenbehörde gesetzeskonform dahingehend aufzufassen gehabt, sie möge ZUNÄCHST die Abgabe festsetzen und sodann über die Rückzahlung absprechen. Die Abweisung des Begehrens auf Rückzahlung ohne Erlassung eines Abgabenbescheides durch die Berufungsbehörde und ihre Bestätigung durch die belangte Behörde erweisen sich daher als inhaltlich rechtswidrig (vgl. Stoll, BAO III, 2480).
Für den Antrag auf Vorschreibung und Rückzahlung des Zuschlages zur Lustbarkeitsabgabe hat demgegenüber folgendes zu gelten:
Gemäß § 47 Stmk LAO richtet sich die sachliche Zuständigkeit der Abgabenbehörden nach den Vorschriften über ihren Wirkungsbereich und nach den Abgabenvorschriften. Die Vorschriften der Steiermärkischen Gemeindeordnung, LGBl. für Steiermark Nr. 115/1967, über den Wirkungsbereich des Bürgermeisters enthalten keine ausdrückliche Bestimmung, wonach dieser für Anträge der genannten Art zuständig wäre. Zwar ordnete § 3 des Lustbarkeitsabgabezuschlagsgesetzes 1950 an, daß der in Rede stehende Zuschlag von den Gemeinden gleichzeitig mit der Lustbarkeitsabgabe einzuheben ist und auf ihn die Bestimmungen des Landesgesetzes vom , LGBl. Nr. 37, über die Lustbarkeitsabgabe sinngemäß Anwendung finden; diese Gesetzesbestimmung ist jedoch infolge der im LGBl. Nr. 5/1994 kundgemachten Aufhebung des Lustbarkeitsabgabezuschlagsgesetzes durch den Verfassungsgerichtshof nicht mehr anzuwenden.
Enthalten - wovon im vorliegenden Fall auszugehen ist - die im § 47 Stmk LAO erwähnten Vorschriften über die sachliche Zuständigkeit keine Bestimmungen, so sind lediglich die Angelegenheiten der Verwaltung der Gemeindeabgaben gemäß § 48 Abs. 2 Stmk LAO im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden zu besorgen. In Angelegenheiten der Landesabgaben ist gemäß § 48 Abs. 1 Stmk LAO in erster Instanz das Amt der Landesregierung und in zweiter Instanz die Landesregierung selbst zuständig. Beim Antrag des Beschwerdeführers auf bescheidmäßige Festsetzung des Kriegsopferzuschlages und bei seinem Eventualantrag auf Rückzahlung der als Kriegsopferzuschlag bezahlten Beträge handelt es sich jedenfalls nicht um eine Angelegenheit der Verwaltung der Gemeindeabgaben. Die Zuständigkeit des Bürgermeisters ist daher nicht aus § 48 Abs. 2 Stmk LAO in Verbindung mit § 45 Abs. 2 lit. b der Steiermärkischen Gemeindeordnung ableitbar. Da auch keine Gesetzesbestimmung existiert, welche derartige Angelegenheiten den Gemeinden im übertragenem Wirkungsbereich zuweist, war der Bürgermeister zur Erlassung des Bescheides - soweit er den Zuschlag zur Lustbarkeitsabgabe betrifft - auch unter Bedachtnahme auf § 42 Abs. 2 der Steiermärkischen Gemeindeordnung unzuständig. Die Berufungsbehörde wäre daher verpflichtet gewesen, den Bescheid des Bürgermeisters in Ansehung des Kriegsopferzuschlages ersatzlos aufzuheben. Indem sie dies unterließ, hat sie ihren Bescheid auch diesbezüglich mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, welche wiederum von der Vorstellungsbehörde von Amts wegen aufzugreifen gewesen wäre, was zu einer Aufhebung desselben auch in Ansehung des Kriegsopferzuschlages durch die Vorstellungsbehörde zu führen gehabt hätte.
Da die belangte Behörde die Vorstellung des Beschwerdeführers ungeachtet der aufgezeigten inhaltlichen Rechtswidrigkeiten des Berufungsbescheides abgewiesen hat, hat sie ihren eigenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, sodaß der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG infolge Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhang mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung wäre lediglich die Vorlage einer Ausfertigung des angefochtenen Bescheides erforderlich gewesen.