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VwGH vom 18.06.1993, 91/17/0191

VwGH vom 18.06.1993, 91/17/0191

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Puck, Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde des Kleingartenvereins XY in Wien, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom , Zl. MD-VfR - K 5/91, betreffend Abwassergebühr, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.380,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Dem beschwerdeführenden Kleingartenverein (Beschwerdeführer) wurde mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom "für die in Wien, B-Gasse befindliche Liegenschaft" für den Verrechungszeitraum bis die Abwassergebühr in der Höhe von insgesamt S 135.771,-- vorgeschrieben. Dies im wesentlichen mit der Begründung, daß lt. Mitteilung der MA 30 - Kanalisation auf obiger Liegenschaft im Februar 1984 (Parzelle 3 Gruppe H) ein Anschluß an das öffentliche Kanalnetz hergestellt worden sei. Somit beginne die Gebührenpflicht am . Die ausgewiesene Abwassermenge sei unter Heranziehung der der Wasserbezugsgebührenverrechnung zugrundeliegenden Wassermengen ermittelt worden.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung beantragte der Beschwerdeführer, die Abwassergebühr nur unter Zugrundelegung des Wasserverbrauches jener im Alleineigentum stehenden Parzellen, die über einen Anschluß an das öffentliche Kanalnetz verfügten, festzusetzen. Er begründete dies - soweit im weiteren Verfahren von Relevanz - damit, daß gemäß § 11 Abs. 2 des Kanalräumungs- und Kanalgebührengesetzes 1978 (KKG) die Abwassergebühr nach der Menge des abgegebenen Abwassers zu berechnen sei. Dies ergebe sich auch aus dem Sinn des zitierten Gesetzes, dessen Überschrift "vom Betrieb und der Räumung von Kanalanlagen und der Einhebung von Gebühren für die Benutzung und Räumung von Unratsanlagen" spreche. Die Ermittlung der Abwassermenge nach der Gesamtmenge des Wasserbezuges für alle im jeweiligen Alleineigentum der Kleingärtner des Vereines stehenden Parzellen erscheine ungerechtfertigt, da derzeit nur 18 von 65 Kleingartenparzellen über einen Anschluß an das öffentliche Kanalnetz verfügten, was auch der Behörde erster Instanz bekannt sei. Alle Parzellen verfügten auch über einen eigenen Subzähler, sodaß sich die tatsächliche Menge des in den öffentlichen Kanal gelangenden Abwassers leicht hätte feststellen lassen, weshalb für die Anwendung der fiktiven Regelung des § 12 Abs. 1 KKG kein Raum sei. Die Anwendung dieser Regelung wäre nur dann gerechtfertigt, wenn sich die tatsächliche Höhe der Abwassermenge nicht feststellen ließe. Die Abwassergebühren für die Jahre 1984 und 1985 hätten bereits vor Jahren unter Bedachtnahme auf den Wasserverbrauch jener damals schon über einen Kanalanschluß verfügenden Parzellen festgesetzt werden können.

Mit Berufungsvorentscheidung vom gab der Magistrat der Stadt Wien der Berufung keine Folge. Der Beschwerdeführer und nicht der einzelne Parzelleninhaber sei, da nur eine Abzweigleitung für sämtliche Parzellen bestehe, Wasserabnehmer nach § 7 Wasserversorgungsgesetz 1960 (WVG) und somit gemäß § 14 Abs. 1 KKG Gebührenschuldner der Abwassergebühr. Nach § 11 Abs. 2 KKG sei die Abwassergebühr nach der Menge des abgegebenen Abwassers zu bemessen und mit einem Betrag je Kubikmeter festzusetzen. Die Ermittlung der Abwassermenge erfolge gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 leg. cit derart, daß in den öffentlichen Kanal die von der öffentlichen Wasserversorgung bezogene nach § 11 WVG ermittelte Wassermenge als abgegeben gelte. Da die von der öffentlichen Wasserversorgung bezogenen Wassermengen entsprechend der Vorschrift des § 11 WVG ermittelt und rechtskräftig vorgeschrieben worden seien, entspräche die darauf beruhende Berechnung der Abwassergebühr ebenfalls dem Gesetz. Für die Gebührenpflicht sei es unbeachtlich, wieviele Parzellen am öffentlichen Kanal angeschlossen seien. Bei der Bestimmung des § 12 Abs. 1 Z. 1 KKG handle es sich um eine "unwiderlegbare Annahme" des Gesetzgebers, sodaß der Einwand des Beschwerdeführers, daß Wasser nur im geringen Umfang in den Kanal geleitet worden sei, ins Leere gehe. Gemäß § 15 Abs. 1 KKG beginne die Gebührenpflicht mit Ablauf des Kalenderviertels, in dem der Grundbesitz an einen öffentlichen Kanal angeschlossen worden sei. Da der Anschluß einer der Parzellen des Berufungswerbers im Februar 1984 erfolgt sei, bestehe ab dem Abwassergebührenpflicht für die gesamte Liegenschaft des Vereines.

Nach Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz wies die belangte Behörde die Berufung mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Der Beschwerdeführer habe die erlassene Wassergebührenvorschreibung nicht bekämpft und diese sei somit rechtskräftig geworden. Abgesehen von der Rechtskraft stehe aufgrund der Rechtslage fest, daß nicht der einzelne Parzelleninhaber, sondern der Berufungswerber Wasserabnehmer sei, zumal nur eine Abzweigleitung für sämtliche Parzellen bestehe. Gemäß § 15 Abs. 1 KKG beginne die Gebührenpflicht mit Ablauf des Kalenderviertels, in dem der Grundbesitz an einen öffentlichen Kanal angeschlossen worden sei. Da der Anschluß der Liegenschaft am erfolgt sei, bestehe die Gebührenpflicht ab .

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften (§ 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 VwGG) geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinen Rechten "a) auf gesetzmäßige Vorschreibung der Abwassergebühren in einer Kleingartenanlage unter Bedachtnahme auf die tatsächlich an das öffentliche Kanalnetz angeschlossenen Kleingärten und unter Berücksichtigung des für das Begießen und die Bewässerung von Pflanzen erforderlichen Wasserverbrauches, der nicht in das öffentliche Kanalnetz gelange, b) auf Einbringung eines Ansuchens um Herabsetzung der Abwassergebühren für die Jahre ab 1984 gemäß § 13 KKG wegen der erst mit Bescheid vom erfolgten Festsetzung von Abwassergebühren für die Jahre 1984 bis 1988, c) auf Durchführung eines gesetzmäßigen mängelfreien Verfahrens zur Feststellung der tatsächlichen Abwassermenge der Jahre ab 1984 bis 1988 und d) auf Beachtung der Verjährungsvorschriften" verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer hat die unter b) und d) angeführten Beschwerdepunkte nicht näher begründet. Eine Rechtswidrigkeit vermag der Gerichtshof insofern nicht zu erkennen. Jedenfalls war die nach Ansicht der belangten Behörde im Jahre 1984 entstandene und mit Bescheid vom (zugestellt am ) vorgeschriebene Abgabenschuld innerhalb der fünfjährigen Verjährungsfrist geltend gemacht worden (§§ 154 Abs. 2, 155 lit. a WAO). Der Beschwerde kommt jedoch aus einem anderen Grund Berechtigung zu.

Der Gebührenpflicht unterliegt gemäß § 11 Abs. 1 KKG, LGBl. für Wien Nr. 2/1978 i.d.g.F, die unmittelbare oder mittelbare Einleitung von Abwässern von innerhalb der Stadt Wien gelegenem Grundbesitz (§ 1 Grundsteuergesetz 1955, BGBl. Nr. 149) in einen öffentlichen Kanal (Straßenkanal).

Die Abwassergebühr ist gemäß § 11 Abs. 2 KKG nach der Menge des abgegebenen Abwassers zu bemessen und mit einem Betrag je Kubikmeter festzusetzen.

Die Gebührenpflicht beginnt gemäß § 15 Abs. 1 KKG bei Grundbesitz, der bei Inkrafttreten des Gesetzes bereits an einen öffentlichen Kanal angeschlossen ist, am . Ansonsten beginnt die Gebührenpflicht mit Ablauf des Kalenderviertels, in dem der Grundbesitz an einen öffentlichen Kanal angeschlossen worden ist.

Für die Erhebung der Abwassergebühr ist nach den Bestimmungen des KKG demnach maßgebend, welcher Grundbesitz im Sinne des § 1 Grundsteuergesetz 1955 (GrStG) an den öffentlichen Kanal angeschlossen worden ist.

Gemäß § 1 Abs. 1 GrStG unterliegt der Grundsteuer der inländische Grundbesitz. Grundbesitz ist: 1. Das land- und forstwirtschaftliche Vermögen (§§ 29 bis 50 des Bewertungsgesetzes 1955); 2. Das Grundvermögen (§§ 51 bis 56 des Bewertungsgesetzes 1955); 3. Das Betriebsvermögen, soweit es in Betriebsgrundstücken besteht (§ 60 des Bewertungsgesetzes 1955).

Der Grundbesitz der Kleingärtner ist bewertungsrechtlich dem Grundvermögen zuzurechnen.

Zum Grundvermögen gehört gemäß § 51 Abs. 1 erster Satz Bewertungsgesetz 1955 (BewG), BGBl. Nr. 148/1955, der Grund und Boden einschließlich der Bestandteile (insbesondere Gebäude) und des Zubehörs. Gemäß § 51 Abs. 1 dritter Satz BewG bildet jede wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens ein selbständiges Grundstück im Sinne dieses Bundesgesetzes.

Gemäß § 2 Abs. 1 BewG ist jede wirtschaftliche Einheit für sich zu bewerten. Ihr Wert ist im ganzen festzustellen. Was als wirtschaftliche Einheit zu gelten hat, ist nach den Anschauungen des Verkehrs zu entscheiden. Die örtliche Gewohnheit, die tatsächliche Übung, die Zweckbestimmung und die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der einzelnen Witschaftsgüter sind zu berücksichtigen.

Gemäß § 2 Abs. 2 BewG kommen mehrere Wirtschaftsgüter als wirtschaftliche Einheit nur insoweit in Betracht, als sie demselben Eigentümer gehören.

Nach einer Mitteilung der MA 30-Kanalisation an die MA 4-Ref. 6 (Wasser- und Abwassergebühren) wurde auf der Liegenschaft "EZ: 4506 Kat. Gem.: X, 16 Klg. XY Los H 3 F, E-Gasse. 31/5/3/23" ab der Kanalanschluß vorgenommen. Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid davon ausgegangen, daß mit diesem Kanalanschluß der Anschluß für die "Liegenschaft" (des Vereines) erfolgt sei, wodurch der Beschwerdeführer Abwassergebührenschuldner geworden sei. Nach den Bestimmungen des KKG kommt es jedoch darauf an, welcher "Grundbesitz" im Sinne § 1 GrStG und daraus folgend im Sinne des Bewertungsgesetzes an den öffentlichen Kanal angeschlossen worden ist. Darüber enthält der angefochtene Bescheid keine Feststellungen. Ausgehend vom Grundbesitz (§ 11 Abs. 1 KKG) durfte aber nicht unberücksichtigt bleiben, daß gemäß § 51 Abs. 1 letzter Satz BewG jede wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens ein selbständiges Grundstück im Sinne des Bewertungsgesetzes (und damit des Grundsteuergesetzes und des KKG) bildet. Demnach hätte die Behörde feststellen müssen, ob die - nach der bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren erhobenen Behauptung des Beschwerdeführers - im Alleineigentum der jeweiligen Kleingärtner stehenden Kleingartenparzellen als eine solche wirtschaftliche Einheit anzusehen sind und daher mit dem bereits erwähnten Kanalanschluß nur der "Grundbesitz" der einen Kleingartenparzelle (Los H 3) angeschlossen wurde und nicht der gesamte örtliche Bereich des den Kleingartenverein umfassenden Areals.

Im übrigen durfte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht ohne weiteres davon ausgehen, daß der Beschwerdeführer als (rechtskräftig) herangezogener Wasserbezugsgebührenschuldner nach dem WVG auch Abwassergebührenschuldner ist.

Gemäß § 7 Abs. 1 WVG ist Wasserabnehmer im Sinne dieses Gesetzes jeder, der über eine selbständige Abzweigleitung Wasser aus der städtischen Wasserleitung entnimmt, und zwar a) der Hauseigentümer für die über den Wasserzähler seines Hauses bezogene Wassermenge, b) der Bauherr für Bauzwecke, c) der Nutzungsberechtigte von unbebauten Grundstücken; d) der Betriebsinhaber, e) der sonstige Wasserverbrauer.

In den Fällen des § 12 Abs. 1 Z. 1 KKG ist gemäß § 14 Abs. 1 KKG der Wasserabnehmer (§ 7 WVG) Gebührenschuldner.

In allen anderen Fällen ist gemäß § 14 Abs. 2 KKG Gebührenschuldner der Schuldner der Grundsteuer für den Grundbesitz, von dem die Ableitung des Abwassers in den öffentlichen Kanal erfolgt. Unterliegt der Grundbesitz nicht der Grundsteuer, so ist der Gebührenschuldner durch sinngemäße Anwendung des § 9 GrStG zu bestimmen.

Gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 KKG gilt in den öffentlichen Kanal abgegebenen die von der öffentlichen Wasserversogung bezogene, nach § 11 des Wasserversorgungsgesetzes 1960, LGBl. für Wien Nr. 10, ermittelte Wassermenge.

Gemäß § 11 Abs. 1 WVG wird das Wasser grundsätzlich über einen von der Stadt Wien beigestellten Wasserzähler abgegeben, nach dessen Angaben die bezogene Wassermenge ermittelt wird. Wenn die Anbringung eines Wasserzählers unmöglich ist, hat die Behörde die bezogene Wassermenge zu schätzen.

Nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid ist der Beschwerdeführer Wasserabnehmer (§ 7 WVG), da nur eine einzige Abzweigleitung (§ 8 WVG) für sämtliche Kleingartenparzellen besteht. Die einzelnen Parzelleninhaber, auf die gemäß § 11 Abs. 1 KKG (angeführten "Grundbesitz") abzustellen ist, verfügen somit über keinen eigenen Wasserzähler, über den der Wasserbezug nach § 11 WVG ermittelt werden könnte, sodaß für die Ermittlung der Abwassermenge die Rechtsvermutung des § 12 Abs. 1 Z. 1 KKG nicht anwendbar ist. Damit kann aber - mangels Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen - der Wasserabnehmer nicht nach § 14 Abs. 1 KKG als Abwassergebührenschuldner herangezogen werden. Der Gebührenschuldner ergibt sich in diesen Fällen aus § 14 Abs. 2 KKG.

Da die für die Erhebung der Abwassergebühr entscheidenden Feststellungen unterblieben sind, hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid schon aus diesem Grund mit Rechtswidrigkeit belastet, sodaß es sich erübrigt, auf das weitere Beschwerdevorbringen, insbesondere betreffend die Frage der Höhe der Bemessungsgrundlage der Abwassergebühr und welche Person(en) im einzelnen als Gebührenschuldner heranzuziehen ist (sind), näher einzugehen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, da die Beschwerde nur zweifach eingebracht und eine mit einem Bundesstempel versehene Vollmachtsurkunde nicht vorgelegt worden ist.