VwGH vom 25.11.1994, 94/17/0295

VwGH vom 25.11.1994, 94/17/0295

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Puck, Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Rauscher, über die Beschwerde der L Gesellschaft m.b.H. in Wien, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid der Vollversammlung der Wiener Börsekammer vom , Zl. 6185/93, betreffend Ausschluß als Mitglied der Wiener Wertpapierbörse, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Wiener Börsekammer hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.410,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Kartenausschusses der Wiener Börsekammer vom wurde die Beschwerdeführerin als Mitglied der Wiener Wertpapierbörse ausgeschlossen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die Vollversammlung der Wiener Börsekammer der dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung nicht Folge.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach dem gesamten Inhalt ihres Vorbringens erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht, als Mitglied der Wiener Wertpapierbörse nicht ausgeschlossen zu werden, verletzt. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Namens der "Wiener Börsekammer Vollversammlung" wurde eine vom Präsidenten und vom Generalsekretär unterfertigte Gegenschrift überreicht, in der die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 des Börsegesetzes 1989, BGBl. Nr. 555 (BörseG), obliegt die Leitung und Verwaltung einer Börse einer mit Bundesgesetz als juristische Person des öffentlichen Rechts einzurichtenden Börsekammer.

Gemäß § 4 leg. cit. sind die Organe der Börsekammer


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1.
die Vollversammlung;
2.
die nach § 6 einzurichtenden Ausschüsse der Vollversammlung;
3. der Präsident.
Gemäß § 6 Abs. 2 BörseG ist an einer Börse nach § 1 Abs. 2 leg. cit. (Wertpapierbörse) unter anderem ein Kartenausschuß einzurichten, der für die Zulassung und den Ausschluß von Börsemitgliedern sowie für die Festsetzung von Kautionen und Sicherheiten zuständig ist.
Gemäß § 19 Abs. 1 leg. cit. sind Börsemitglieder auszuschließen, wenn
1. bei ihnen die Zulassungsvoraussetzungen zum Zulassungszeitpunkt nicht vorgelegen haben oder nachträglich weggefallen sind,
2. sie ihren Pflichten nicht nachkommen.
Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle kann der Präsident für die Dauer des Ausschlußverfahrens das Ruhen der Mitgliedschaft verfügen.
Gemäß § 49 Abs. 1 BörseG ist die Wiener Börse zugleich Wertpapierbörse und allgemeine Warenbörse und wird von der Wiener Börsekammer geleitet und verwaltet. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle ist die Wiener Börsekammer eine juristische Person des öffentlichen Rechts im Sinne des § 2 Abs. 1.
Vorweg sei bemerkt, daß die Beschwerde nicht etwa deshalb zurückzuweisen war, weil als belangte Behörde darin die "Wiener Börsekammer" anstatt richtigerweise "Die Vollversammlung der Wiener Börsekammer" genannt ist. Diesbezüglich wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Entscheidungsgründe des gleichfalls die nunmehrige Beschwerdeführerin betreffenden hg. Erkenntnisses vom , Zl. 93/17/0399, verwiesen.
In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf Vorjudikatur weiters dargetan, daß nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts die Einleitung eines bestimmten Verfahrens dann mit Bescheid zu verfügen ist, wenn daran in anderen Rechtsvorschriften bestimmte Rechtsfolgen geknüpft sind bzw. damit eine rechtliche Voraussetzung für weitere Verwaltungsakte geschaffen wird. Dies trifft hier für die Vorschrift des § 19 Abs. 2 BörseG zu. Obwohl dort die Einleitung des Ausschlußverfahrens nicht ausdrücklich geregelt ist, wird doch durch die Bezugnahme dieser Gesetzesstelle auf die "Dauer des Ausschlußverfahrens" dessen Einleitung logisch vorausgesetzt. Die Einleitung des Ausschlußverfahrens - die von einer anderen Behörde auszusprechen ist als von jener, die das Ruhen verfügt - hat daher in Bescheidform zu ergehen.
Den vorgelegten Verwaltungsakten ist jedoch zu entnehmen, daß im Beschwerdefall eine solche bescheidmäßige Einleitung des Ausschlußverfahrens nicht erfolgt ist. Den Organen der Wiener Börsekammer war es daher verwehrt, ohne das Vorliegen dieser Voraussetzung den Ausschluß der Beschwerdeführerin von der Mitgliedschaft zur Wiener Wertpapierbörse auszusprechen.
Schon aus diesem Grund erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er, ohne daß auf das weitere Vorbringen der Streitteile eingegangen werden mußte, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Hiebei konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG von der seitens der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2.