VwGH vom 21.06.1999, 94/17/0277
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde der S, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. R/1-V-93184/00, betreffend Vorschreibung eines Aufschließungsbeitrages (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde A, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin erwarb im Jahre 1992 ein Grundstück in der mitbeteiligten Marktgemeinde. Für die Errichtung eines Bauwerks auf diesem Grundstück suchte sie sodann um die Erteilung einer Baubewilligung an. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom wurde diese Baubewilligung erteilt. Gleichzeitig wurde über Antrag der Beschwerdeführerin auch die Erklärung zum Bauplatz bewilligt.
Im Anschluss an die Bauplatzerklärung wurde mit Abgabenbescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom eine Aufschließungsabgabe gemäß § 14 Abs. 1 Nö Bauordnung 1976 in der Höhe von S 90.069,-- vorgeschrieben.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung und machte geltend, dass die Aufschließungskosten bereits früher vorgeschrieben und entrichtet worden seien und die Bebauung keine erstmalige sei. Der Berufung wurde nicht Folge gegeben, die Abgabenvorschreibung jedoch (im Hinblick auf die valorisierte Anrechung bestimmter früher erbrachter Beitragsleistungen) auf S 72.438,-- reduziert. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Vorstellung.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet abgewiesen.
Begründend führt die belangte Behörde aus, dass die Abgabe gemäß § 14 Abs. 1 Nö Bauordnung LGBl. 8200-8 aus Anlass der rechtskräftigen Bauplatzerklärung vorgeschrieben worden sei. Die Beschwerdeführerin hätte die Bauplatzerklärung selbst beantragt und diese wäre rechtskräftig geworden.
Zur Reduzierung des Abgabenbetrages wird ausgeführt, dass ein 1975 geleisteter Güterwegbeitrag in der Höhe von S 7.000,-- sowie ein im Jahre 1961 geleisteter Beitrag zur Straßenerhaltung in der Höhe von S 1.000,-- valorisiert in Abzug gebracht worden sei (ungeachtet der Rechtsauffassung der belangten Behörde, dass die Anrechnung von Beiträgen nach straßenrechtlichen Bestimmungen nicht vorgesehen sei, mache die erfolgte Anrechnung dieser Beiträge, von denen der letztere auch nicht nachgewiesen sei, den Gemeindebescheid nicht rechtswidrig).
Zur Frage der Leistung von Aufschließungsbeiträgen im Zusammenhang mit einer Grundabteilung im Jahre 1936, wie sie von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführt wurde, wird ausführlich auf die Grundabteilung im Jahre 1936, durch die das Grundstück der Beschwerdeführerin entstanden ist, und die in diesem Zusammenhang getroffenen Sachverhaltsfeststellungen der Gemeindebehörden eingegangen. Es wird resümiert, dass die damals von der Bezirkshauptmannschaft H zur Bedingung für die Grundabteilung gemachten Leistungen (Kostenbeitrag zur Herstellung der Fahrbahn und der Beleuchtungsanlage, Material und Arbeitsleistungen) nicht erbracht worden seien. Dabei wird einerseits darauf verwiesen, dass zwar der Gemeinderatsbeschluss vom , nicht aber eine dem Beschluss entsprechende Entscheidung vorhanden sei; da im Übrigen sämtliche Beschlüsse und Zustimmungserklärungen aufgefunden hätten werden können, sei mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass die fehlende Entscheidung nicht erlassen worden sei (die Eintragung ins Grundbuch aber dennoch erfolgt sei). Weiters wird auf die Eintragung eines 1977 noch bestehenden Pfandrechtes für die Gemeinde A hingewiesen. Jenem Kaufvertrag zufolge, der der Eintragung ins Grundbuch zugrunde gelegen sei, habe sich die damalige Verkäuferin T der Gemeinde gegenüber auf Grund der Verhandlungsschrift vom zu bestimmten Leistungen verpflichtet gefühlt und hätte diese Verpflichtung auf den Käufer G übergehen sollen. Aus dem Grundbuchsauszug vom sei zu schließen, dass bis zu diesem Zeitpunkt die aus dem Grundabteilungsverfahren entspringenden Leistungen nicht erfüllt worden seien. Zu einem im Rahmen der Erhaltungskonkurrenz für den Güterweg S von einem Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin geleisteten Interessentenbeitrag wird von der belangten Behörde darauf verwiesen, dass die Anrechnung von Beiträgen, die nach straßen- und güterwegerechtlichen Vorschriften für den Ausbau einer an den Bauplatz grenzenden Straße vorgeschrieben worden seien, auf die Aufschließungsabgabe an sich nicht vorgesehen sei.
Im Bescheid wird sodann auch näher auf die Frage eingegangen, ob das Grundstück schon vor der Erteilung der Bauplatzbewilligung im Jahre 1992 die Bauplatzeigenschaft aufgewiesen haben könnte; dies offenbar einerseits im Hinblick darauf, dass ungeachtet der unbestritten vorliegenden rechtskräftigen Bauplatzerklärung und des Umstandes, dass es nicht auf die Rechtmäßigkeit dieser Bauplatzerklärung ankommen könne, zusätzlich die Rechtmäßigkeit des Vorgehens der Gemeindebehörden dokumentiert werden sollte; andererseits wird im Bescheid ausgeführt, dass dieser Umstand gegebenenfalls im Zusammenhang mit der Abgabenvorschreibung gemäß § 14 Abs. 1 zweiter Tatbestand relevant sei; im Hinblick darauf, dass die Abgabenvorschreibung jedoch auf die rechtskräftige Bauplatzerklärung vom gestützt worden sei, komme diesem Umstand keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu. Die Bauplatzeigenschaft vor 1992 sei aber im Übrigen zu verneinen, da der Verwaltungsgerichtshof (in einem dasselbe Gebiet in der Marktgemeinde A betreffenden Erkenntnis) ausgesprochen habe, dass eine Grundabteilung nach § 6 Nö Bauordnung 1883, LGBl. Nr. 36, nicht zum Vorliegen der Bauplatzeigenschaft im Sinne der Bauordnung 1976 geführt hätte (Erkenntnis vom , Zl. 81/17/0043). Ein Bauplatz im Sinne des § 2 Z 7 lit. b Nö BauO 1976, LGBl. 8200-6, sei aber deshalb nicht vorgelegen, weil das Grundstück am nicht mit einem baubehördlich bewilligten Gebäude bebaut gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligte Marktgemeinde eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt (die mitbeteiligte Marktgemeinde, die auch bei der Erstattung der Gegenschrift nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war, hat keinen Kostenantrag gestellt).
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. § 14 Abs. 1 Niederösterreichische Bauordnung 1976 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung LGBl. 8200-6 lautete:
"§ 14
Aufschließungsabgabe
(1) Aus dem Anlass der Erklärung eines Grundstückes zum Bauplatz (§ 12) hat die Gemeinde dem Eigentümer eine Aufschließungsabgabe vorzuschreiben. Diese Abgabe ist auch dem Eigentümer eines Bauplatzes nach § 2 Z. 7 lit. b aus dem Anlass der erstmaligen Errichtung eines Gebäudes (§ 2 Z. 5) oder einer großvolumigen Anlage (einzelne oder mehrere Silos oder Tanks mit insgesamt mehr als 200 m3 Rauminhalt sowie Tiefgaragen, Betonmischanlagen oder dergleichen) auf diesem Bauplatz vorzuschreiben, wenn für diesen Bauplatz noch kein der Höhe nach bestimmter Aufschließungsbeitrag und auch keine Aufschließungsabgabe vorgeschrieben worden ist. Als erstmalig gilt die Errichtung eines Gebäudes auf einem Bauplatz, wenn auf diesem am kein unbefristet bewilligtes Gebäude gestanden ist. Eine Gerätehütte mit höchstens 6 m2 bebauter Fläche und einer Gebäudehöhe bis zu 2 m gilt in diesem Zusammenhang nicht als Gebäude.
(2) Die Aufschließungsabgabe ist eine einmal zu entrichtende, ausschließliche Gemeindeabgabe nach § 6 Z. 5 des Finanzverfassungsgesetzes 1948. Sie wird aus dem Produkt von Berechnungslänge, Bauklassenkoeffizienten und Einheitssatz errechnet. Die Berechnungslänge ist die Seite eines mit dem Bauplatz flächengleichen Quadrates (Quadratwurzel der Fläche)."
2. § 14 Abs. 1 Nö Bauordnung 1976 enthält somit zwei Abgabentatbestände: einerseits gemäß Satz 1 den Tatbestand der Erklärung eines Grundstückes zum Bauplatz, andererseits gemäß Satz 2 die erstmalige Errichtung eines Gebäudes.
Der erstinstanzliche Bescheid hat die Abgabenvorschreibung auf den Umstand gestützt, dass der Beschwerdeführerin rechtskräftig die Bauplatzerklärung bewilligt wurde.
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid zu Recht darauf hingewiesen, dass der Abgabentatbestand des § 14 Abs. 1 erster Satz damit verwirklicht ist. Auch in der Beschwerde wird außer Streit gestellt, dass die rechtskräftige Erklärung zum Bauplatz aus dem Jahre 1992 vorliege.
Auf das Beschwerdevorbringen hinsichtlich der seinerzeitigen Bebauung des Grundstücks (dazu wurden von der Gemeinde im verwaltungsgerichtlichen Verfahren noch weitere Unterlagen vorgelegt) war daher nicht näher einzugehen. Wenn der Standpunkt der Beschwerdeführerin zutreffend gewesen wäre, dass ein Bauplatz schon vor 1992 vorgelegen sei, hätte es nicht der Bauplatzerklärung aus Anlass der Erteilung der Baubewilligung im Jahre 1992 bedurft. Im Abgabenverfahren, in welchem aufgrund des Tatbestandes des § 14 Abs. 1 Nö BauO 1976, LGBl. 8200-6, erster Satz, an die bescheidmäßige Bauplatzerklärung angeknüpft wird, kann die Frage der allfälligen Entbehrlichkeit dieses Bescheides nicht mehr releviert werden.
Es kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie den bei ihr bekämpften Abgabenbescheid insofern als rechtmäßig angesehen hat, als der von der Gemeindebehörde herangezogene Abgabentatbestand (nämlich jener nach § 14 Abs. 1 erster Satz Nö Bauordnung 1976) verwirklicht war.
3. In der Beschwerde wird jedoch auch geltend gemacht, dass die vorgeschriebenen Anliegerleistungen bereits anlässlich der Grundabteilung im Jahre 1936 vorgeschrieben und auch geleistet worden seien und daher jedenfalls auch eine Anrechnung dieser Leistungen nach § 14 Abs. 5 Nö BauO 1976 zu erfolgen gehabt hätte.
Die belangte Behörde ist demgegenüber davon ausgegangen, dass weder die Vorschreibung derartiger Beiträge im Jahre 1936, noch die Leistung derartiger Beiträge als erwiesen anzunehmen sei.
Im Gegenteil sei durch das Bestehen der Eintragung eines Pfandrechts für die Marktgemeinde noch im Jahre 1977 für Leistungen, die entsprechend einem Kaufvertrag aus dem Jahre 1936 zu erbringen gewesen wären, abzuleiten, dass die Leistungen auch im Jahre 1977 noch nicht erbracht worden seien.
Die Aufschließungsabgabe ist nach § 14 Abs. 2 Nö BauO eine einmal zu entrichtende Abgabe. § 14 Abs. 5 Nö BauO enthält eine allgemeine Anrechnungsvorschrift.
Im vorliegenden Fall kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Schlüsse der Gemeindebehörden aus den vorliegenden Unterlagen nicht als mangelhaft angesehen hat und daher die Sachverhaltsfeststellungen der Gemeindebehörden als ausreichend angesehen hat. Die demgegenüber von der Beschwerdeführerin gezogenen Schlüsse stellen nur Vermutungen dar, wie die Behörden im Hinblick auf die Haltung der Bezirkshauptmannschaft H im Jahre 1936 vorgegangen sein könnten. Ein Nachweis für die Vorschreibung von Aufschließungsleistungen lässt sich daraus nicht ableiten. Umso weniger ergibt sich aus diesen Schlüssen, dass - worauf es nach § 14 Abs. 5 Nö BauO 1976 ankommt - diese Leistungen auch erbracht wurden (vgl. in diesem Sinne auch zur oben genannten Stammfassung des § 15 Nö BauO 1976 z. B. die hg. Erkenntnisse vom , Slg. 5069/F, oder vom , Zl. 3325/78). § 14 Abs. 2 Nö BauO steht daher der Vorschreibung der Abgabe im Beschwerdefall nicht entgegen. Die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Leistungen können mangels des Nachweises ihrer Erbringung aber auch nicht als solche gemäß § 14 Abs. 5 Nö BauO angesehen werden.
Insoweit als in der Beschwerde auch ein Verfahrensmangel durch Übergehen des Antrags der Beschwerdeführerin im Vorstellungsverfahren, weitere Erhebungen betreffend die Vorgangsweise der Marktgemeinde A im Zusammenhang mit dem Baubestand auf anderen Grundstücken durchzuführen, geltend gemacht wird, ist auf die obigen Ausführungen zur Irrelevanz der Frage der Bebauung des beschwerdegegenständlichen Grundstücks zu verweisen. Die beantragten Beweise betrafen kein im Beschwerdefall relevantes Beweisthema (abgesehen davon, dass die Vorgangsweise einer Behörde in Parallelfällen - hier: hinsichtlich der Annahme konsensgemäßer Bebauung - noch keine Aussagekraft für die objektive Rechtslage hinsichtlich des beschwerdegegenständlichen Grundstückes hätte).
Das Beschwerdevorbringen ist somit nicht geeignet, das Vorliegen wesentlicher Verfahrensmängel (auf Gemeindeebene oder im Verfahren vor der belangten Behörde) aufzuzeigen.
Da somit die belangte Behörde davon ausgehen konnte, dass die Sachverhaltsfeststellungen der Gemeindebehörden hinsichtlich Vorschreibung und Leistung von Aufschließungsleistungen im Sinne des § 14 Abs. 5 Nö Bauordnung 1976 nicht auf einem mangelhaften Verfahren beruhten, leidet der angefochtene Bescheid insoweit nicht an Rechtswidrigkeit.
Der in der Beschwerde diesbezüglich geltend gemachte Verfahrensmangel im Zusammenhang mit der Einräumung des Parteiengehörs im Vorstellungsverfahren, um die belangte Behörde davon überzeugen zu können, dass sie keine Beweislast zu Lasten der Beschwerdeführerin annehmen dürfe, ist insofern nicht gegeben, als die Frage, ob eine Beweislast bzw. eine Mitwirkungspflicht der Parteien bei der Feststellung des Sachverhalts anzunehmen ist, eine Rechtsfrage darstellt. Die Unterlassung der Einräumung der Möglichkeit hiezu Stellung zu nehmen, begründet somit keinen wesentlichen Verfahrensmangel im Sinn des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG. Im Übrigen wird auch in der Beschwerde nicht ausgeführt, was die Beschwerdeführerin sonst hinsichtlich des Sachverhaltes vorgetragen hätte, hätte sie eine weitere Möglichkeit zur Stellungnahme erhalten; insbesondere erfolgte kein Hinweis auf allfällige weitere Beweismittel, bei deren Heranziehung der Umstand der Vorschreibung und Leistung von Anliegerleistungen festgestellt hätte werden können. Bei dieser Sachlage kann nicht davon gesprochen werden, dass die Gemeindebehörden oder die belangte Behörde zu Unrecht von der Entscheidungsreife der Rechtssache bzw. der ausreichenden Erhebung des Sachverhalts ausgegangen wären.
4. Die Ausführungen im Zusammenhang mit der Bebauung des gegenständlichen Grundstücks sind im Hinblick auf die obigen Ausführungen (der Abgabentatbestand des § 14 Abs. 1 erster Satz greift ein, auf den Nachweis des Vorliegens auch des zweiten Abgabentatbestandes kommt es nicht an) nicht entscheidungswesentlich.
5. Die Beschwerde ist somit nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.
Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am