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VwGH vom 17.12.1998, 97/11/0320

VwGH vom 17.12.1998, 97/11/0320

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. Erich Proksch, Rechtsanwalt in Wien XIII, Auhofstraße 1, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom , Zl. 782.692/2-2.5/97, betreffend Familienunterhalt und Wohnkostenbeihilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer wurde mit (am zugestelltem) Einberufungsbefehl zur Leistung des Grundwehrdienstes ab Februar 1997 einberufen. Auf Grund seines Antrages auf Gewährung von Familienunterhalt und Wohnkostenbeihilfe vom wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid seinem ausrücklichen Begehren auf Berücksichtigung des aliquoten Anteiles an den Sonderzahlungen gemäß § 67 EStG 1988 bei Berechnung der Bemessungsgrundlage keine Folge gegeben (Punkt 1.) und, auf Basis der für die Monate August bis Oktober 1996 mit S 19.380,11 ermittelten Bemessungsgrundlage, Familienunterhalt in Höhe von S 11.628,06 und Wohnkostenbeihilfe in Höhe von S 3.876,02 für jeden vollen Kalendermonat des Präsenzdienstes zuerkannt (Punkt 2.).

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erklärt der Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid insoweit anzufechten, als die belangte Behörde seinem Begehren auf Berücksichtigung der Sonderzahlungen nach § 67 EStG 1988 bei Berechnung der Bemessungsgrundlage nicht entsprochen habe. (Aus den Ausführungen der Beschwerde ergibt sich, daß mit den besagten Sonderzahlungen das 13. und 14. Monatsentgelt gemeint ist.) Der Beschwerdeführer beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 30 Abs. 1 Z. 1 HGG 1992 (idF BGBl. Nr. 201/1996) ist Bemessungsgrundlage bei einem Wehrpflichtigen, der Bezüge aus nichtselbständiger Arbeit erhält oder erhalten hat, ein Drittel des Nettoeinkommens der letzten drei Kalendermonate vor Zustellung des Einberufungsbefehles oder vor der allgemeinen Bekanntmachung der Einberufung. Auf Antrag ist ein Zwölftel des Nettoeinkommens der letzten zwölf Kalendermonate als Bemessungsgrundlage heranzuziehen. Nach § 30 Abs. 3 Z. 1 HGG 1992 umfaßt das Nettoeinkommen sämtliche steuerpflichtigen und steuerfreien Bezüge aus nichtselbständiger Arbeit, außer der Familienbeihilfe, vermindert um die darauf entfallende Lohnsteuer sowie um die Beiträge nach § 16 Abs. 1 Z. 3 lit. a, ausgenommen Betriebsratsumlagen, Z. 4 und 5 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400.

Die belangte Behörde vertritt die Auffassung, der Berechnung der Bemessungsgrundlage sei ausschließlich jenes Einkommen zugrunde zu legen, das dem Wehrpflichtigen in dem gemäß § 30 Abs. 3 (richtig wohl: Abs 1) HGG 1992 bezeichneten Zeitraum zugeflossen sei. Die für das Nettoeinkommen maßgeblichen Einkommen seien entsprechend der Regel des § 19 Abs. 1 EStG 1988 zeitlich zuzuordnen, sodaß andere als die in dem hier in Rede stehenden Zeitraum zugeflossenen Bezüge bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage nicht zu berücksichtigen seien. Sie verweist dazu auch auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1807/77.

Der Beschwerdeführer versteht demgegenüber den Einkommensbegriff des HGG 1992 umfassend. Dieser schließe (arg.: "sämtliche ... Bezüge") jedenfalls auch Sonderzahlungen als Bezüge aus nichtselbständiger Arbeit ein. Dies entspreche der Zielsetzung des HGG 1992, den Lebensunterhalt der Familien Wehrpflichtiger zu sichern. Dafür spreche auch § 30 Abs. 4 HGG 1992, der als Nettoeinkommen Wehrpflichtiger ohne Dienstnehmereigenschaft in einem Familienbetrieb die in Kollektivverträgen für vergleichbare Dienstnehmergruppen vorgesehenen Bezüge festlege. Was für Familienmitglieder ohne Dienstnehmereigenschaft gelte, müsse umso mehr für Dienstnehmer gelten. Das Gesetz stelle entgegen der Ansicht der belangten Behörde bei der Sicherung des Lebensunterhaltes der Familien wehrpflichtiger Dienstnehmer nicht auf das Zufluß-, sondern auf das Anspruchsprinzip ab.

In dem von der belangten Behörde zitierten, zu der im wesentlichen inhaltsgleichen Bestimmung des § 19 Abs. 1 HGG (BGBl. Nr. 152/1956) ergangenen hg. Erkenntnis Zl. 1807/77 hat der Verwaltungsgerichtshof aus der Bezugnahme auf das EStG 1972 abgeleitet, daß die für das Nettoeinkommen maßgebenden Einnahmen entsprechend der Regel des § 19 Abs. 1 EStG 1972 zeitlich zuzuordnen seien. Davon ausgehend erachtete er es als rechtens, daß die damals belangte Behörde angesichts der Tatsache, daß der Beschwerdeführer erst lange nach dem maßgebenden Zeitraum um Abfindung für Urlaubsgeld angesucht hatte und ihm der Abfindungsbetrag erst lange nach dem maßgebenden Zeitraum zugeflossen war, diesen Betrag bei der Berechnung des Nettoeinkommens für die (damals maßgebliche) Zeit vor Antritt des Präsenzdienstes außer acht gelassen hatte. Dieses Erkenntnis betrifft einen anders gelagerten Sachverhalt (Abfindung ist keine iSd § 19 Abs 1 zweiter Satz EStG 1988 regelmäßig wiederkehrende Einnahme, Zufließen des Abfindungsbetrages lange nach dem maßgebenden Zeitraum). Die darin getroffenen Aussagen sind vor diesem sachverhaltsmäßigen Hintergrund zu verstehen und können nicht unbesehen auf den vorliegenden Fall übertragen werden. Hier geht es um regelmäßig wiederkehrende Einnahmen im Sinne des § 19 Abs. 1 zweiter Satz EStG 1988. Für solche (kurze Zeit vor Beginn oder nach Beendigung eines Kalenderjahres zugeflossene) Einkommensbestandteile sieht bereits das EStG 1988 selbst eine Ausnahme vom Grundsatz des Abstellens ausschließlich auf Zuflüsse innerhalb des betreffenden Kalenderjahres vor, sofern die Einnahmen wirtschaftlich zu diesem Kalenderjahr gehören. Letzteres trifft für regelmäßig wiederkehrende Sonderzahlungen wie das 13. und 14. Monatsentgelt jedenfalls zu. Sie wären dementsprechend bei Anwendung des zweiten Satzes des § 30 Abs. 1 HGG 1992 bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen gewesen. Es kann nun im gegebenen Zusammenhang der Familienunterhalt und die Wohnkostenbeihilfe - bei gleichem Einkommen - nicht allein wegen des Zeitpunktes der Zustellung des Einberufungsbefehles unterschiedlich hoch sein (je nach dem, ob in dem dadurch bestimmten Zeitraum von drei Monaten ein 13. oder 14. Monatsentgelt ausgezahlt wurde oder nicht). Auch wäre diesfalls das Nettoeinkommen im Sinne des ersten und des zweiten Satzes des § 30 Abs. 1 HGG 1992 grundsätzlich unterschiedlich hoch: Bei Anwendung des zweiten Satzes würden das 13. und 14. Monatsentgelt immer berücksichtigt, bei Anwendung des ersten Satzes hingegen nur bei entsprechender zeitlicher Lagerung des Zeitpunktes der Zustellung des Einberufungsbefehles, und zwar in jeweils unterschiedlichem Ausmaß. Eine sachliche Rechtfertigung für die daraus folgende Ungleichbehandlung gleicher Sachverhalte ist nicht ersichtlich. Dies gilt in gleicher Weise für die vom Beschwerdeführer aufgezeigte, auf dem Boden der Rechtsansicht der belangten Behörde gegebene Ungleichbehandlung einerseits von Beamten (und auch Vertragsbediensteten - siehe § 8a Abs. 2 und § 18 Abs. 2 VBG) und andererseits von Angestellten. Während bei den Erstgenannten die Sonderzahlungen, weil vierteljährlich ausbezahlt, immer berücksichtigt würden, wären Angestellte, bei denen die Sonderzahlungen üblichweise im Juni und im November ausbezahlt würden, diskriminiert, wenn der Einberufungsbefehl etwa im Mai oder im Oktober zugestellt wird. Bei entsprechender zeitlicher Lagerung hätten sie "statt dem Viertel sogar die halben Sonderzahlungen im Bemessungszeitraum". Das in der Gegenschrift vorgetragene Argument der belangten Behörde, der Wehrpflichtige könne dies durch Stellung eines Antrages nach § 30 Abs. 1 zweiter Satz HGG 1992 verhindern, vermag die - bei ihrem Verständnis - in der gesetzlichen Regelung (die grundsätzlich auf die letzten drei Monate vor Zustellung des Einberufungsbefehles abstellt) gelegene Unsachlichkeit nicht zu beseitigen.

Aus dem Gesagten folgt: Entgegen der Ansicht der belangten Behörde ist bei Berechnung des Drittels des Nettoeinkommens der letzten drei Kalendermonate nach § 30 Abs. 1 erster Satz HGG 1992 das 13. und 14. Monatsentgelt aliquot zu berücksichtigen. Die belangte Behörde hat insoweit die Rechtslage verkannt.

Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am