VwGH vom 01.07.1993, 91/17/0167
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Puck, Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde 1. der A und 2. des B, beide in H, beide vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in Z, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom , Zl. 11/01-6412/18-1991, betreffend Getränkesteuer (mitbeteiligte Partei: Gemeinde X), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Land Salzburg zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Was die Vorgeschichte des vorliegenden Beschwerdefalles anlangt, wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 87/17/0132, hingewiesen. Mit diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof den damals angefochtenen Vorstellungsbescheid der Salzburger Landesregierung vom wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Die belangte Behörde hätte es unterlassen, in der Begründung ihres die Vorstellung abweisenden Bescheides jene Tatsachen festzustellen, aus denen sich das Bestehen der Schätzungsberechtigung der Abgabenbehörde ergeben hätte.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde neuerlich über die Vorstellung gegen den Bescheid der Gemeindevorstehung der mitbeteiligten Gemeinde vom entschieden und diese unter Hinweis auf § 144 Salzburger Landesabgabenordnung, LGBl. Nr. 58/1963 (im folgenden: Sbg LAO), als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung (Schätzungsbefugnis) wurde ergänzend zu den Feststellungen in den Bescheiden vom (1. Vorstellungsbescheid) und vom
(2. Vorstellungsbescheid) ausgeführt:
"... Voraussetzung für eine Schätzung gemäß § 144 Abs. 3 LAO ist, wenn der Abgabepflichtige Bücher und Aufzeichnungen, die er nach den Bestimmungen des § 101 LAO - dazu gehören auch gemäß § 7 Abs. 2 Salzburger Getränkesteuergesetz Getränkekarten, Preislisten u.dgl. - zu führen hat, nicht vorlegt.
Obwohl den Vorstellungswerbern bewußt sein muß, daß Unterlagen gemäß § 101 LAO durch 7 Jahre hindurch aufzubewahren sind, haben zum Zeitpunkt der Getränkesteuerprüfung bereits wesentliche Aufzeichnungen gefehlt, die die Abgabenbehörde in die Lage versetzen, die Grundlage für die Abgabenbemessung zu überprüfen.
Mit Schreiben vom haben die Vorstellungswerber selbst vorgebracht, daß eine Berechnung der Rohaufschläge z.B. für das Jahr 1977/78 deshalb nicht möglich war, weil Getränkekarten überhaupt fehlten bzw. für spätere Zeiträume nicht ersichtlich war, von wann bis wann diese gegolten haben. Dies betrifft auch die behaupteten Verbilligungsaktionen in Vor- und Nachsaison sowie im "Jännerloch".
Zu ordnungsgemäßen Aufzeichnungen gehört auch die Darstellung von internen Vorgängen (z.B. Zuordnung des Wareneinsatzes zu Verkaufsstellen mit höherem bzw. niedrigerem Rohaufschlag), die es der Behörde ermöglichen, die Bemessungsgrundlage für die abzuführenden Abgaben zu berechnen. Darüber hinaus muß es auch im Interesse des Betriebsinhabers sein, genaue Aufzeichnungen über den Verbrauch an Getränken (z.B. auch Freigetränke, Eigenverbrauch u.dgl.) zu haben.
Folgende Mängel bei derartigen Aufzeichnungen haben sich im Verfahren ergeben:
Der Spirituosenverkauf in der Bar in Flaschen betrug laut Bonbuch 1978 5 % und wurde auch der Getränkesteuerberechnung zugrunde gelegt. Der Prüfer wollte für den Prüfungszeitraum die Erlöse des Flaschenverkaufs aus den Bonbüchern berechnen, die jedoch vom Steuerberater nicht anerkannt wurden, da die "Bonbücher nicht vollständig seien", weshalb die Erlöse auf Basis des Jahres 1978 geschätzt wurden.
Die Inventur zum 30.9.1077" (richtig wohl: 1977) "war nicht vorhanden und auch die Richtigkeit der übrigen vorgelegten Inventuren wurde sowohl von den Abgabepflichtigen als auch dem Steuerberater angezweifelt.
Ein weiterer Hinweis auf die Mangelhaftigkeit der Aufzeichnungen ergibt sich aus dem Schreiben des Steuerberaters der Pflichtigen an die Gemeinde X vom , in dem er zwar alle Berechnungen der Prüfer betreffend die Kaffeeumsätze bezweifelt und eine Nachkalkulation des Kaffeeumsatzes als unmöglich bezeichnet, andererseits aber keine Nachweise über die tatsächlichen Umsätze vorlegen kann.
Laut zusammenfassendem Bericht der Getränkesteuerprüfung waren auch die Aufzeichnungen in den Bonbüchern mangelhaft und zwar wurden teilweise nur Mengen und keine Preise aufgezeichnet; teilweise wurden die Umsätze verspätet boniert (Umsätze vom wurden erst am boniert); teilweise gibt es zwar auch täglich aufsummierte Aufzeichnungen, die Aufteilung erfolgte aber auf Grund einer SCHÄTZUNG DER SEKRÄTERIN; es fehlten Aufzeichnungen über Menge und Anzahl von Veranstaltungen, bei denen Getränke als Preise gegeben wurden; es fehlen regelmäßige Aufzeichnungen über Personalgetränke (lt. Aufzeichnung im Winter 1981/82 wurden Aufzeichnungen über Küchengetränke einfach auf das übrige Personal umgelegt). Die Freigetränke für Skilehrer und Discjocyes" (richtig wohl: Diskjockeys) "wurden nur summenmäßig aufgezeichnet, eine regelmäßige Aufzeichnung für den Prüfzeitraum ist jedoch nicht vorhanden.
Auf Grund der vorliegenden Aufzeichnungsmängel war eine Glaubhaftmachung gemäß § 106 LAO nicht ausreichend, weshalb der Verbrauch nur im Rahmen der üblichen Mengen (u.a. äußerer Betriebsvergleich) anerkannt werden konnte.
Wenn der Vorstellungswerber nunmehr darauf hinweist, daß die Abgabenbehörde bei der Feststellung der Getränkesteuerbemessungsgrundlage vom Ergebnis der Betriebsprüfung des Finanzamtes auszugehen habe - dieses hat die Buchhaltung des Abgabepflichtigen grundsätzlich anerkannt - so wird darauf hingewiesen, daß das Finanzamt bei der Festsetzung des Steuertatbestandes von anderen Prämissen ausgeht als die Gemeinde.
Es kann auch nicht von der Behörde verlangt werden, daß sie die Angaben in den Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen widerspruchslos hinnimmt und höchstens dann davon abweicht, wenn sie eine nach außen hin erkennbare formelle Unrichtigkeit bei den Aufzeichnungen feststellt.
Da auf Grund der vorhandenen Unterlagen der Abgabepflichtigen die Besteuerungsgrundlage nicht zuverläsig ermittelt werden konnte, war die Abgabenbehörde grundsätzlich berechtigt, die Besteuerungsgrundlage zu schätzen. Die oben angeführten formellen Mängel der Buchhaltung (insbesondere die Verstöße gegen § 100 LAO) sind nämlich so geartet, daß sie das Vertrauen der Behörde in die Vollständigkeit, Wahrheit und Zuverlässigkeit der Buchführung erschüttern vermögen.
Auch die Schätzung nach Erfahrungssätzen ist durchaus zulässig. Diese sind aber dem Abgabepflichtigen zur Stellungnahme vorzuhalten und auf seine Einwendungen muß eingegangen werden.
Dies geschah im Zuge einer Einvernahme der Vorstellungswerber, über welche am " (richtig wohl: 1986) "eine Niederschrift aufgenommen wurde. Hinsichtlich der einzelnen Schätzungsmethode und der Berechtigung zu deren Anwendung wird nochmals auf die Ausführungen in den bekämpften Bescheiden verwiesen, die zum Bescheidinhalt gemacht werden."
Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer zunächst Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof.
Mit Beschluß vom , B 528/91-3, wurde die Behandlung der Beschwerde vom Verfassungsgerichtshof abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer in ihrem Recht verletzt, "daß ihnen gegenüber ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen keine Abgabenschuldigkeit mit Bescheid festgesetzt werde". Sie beantragen, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und
erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 100 Abs. 1 Z. 2 Sbg LAO gilt für Bücher und Aufzeichnungen, die im Sinne der vorstehenden Bestimmungen (vgl. §§ 97 und 98) zu führen sind oder ohne gesetzliche Verpflichtung geführt werden, die Vorschrift, daß die Eintragungen zeitgerecht, der Zeitfolge nach geordnet, vollständig und richtig vorgenommen und Kassaeinnahmen und -ausgaben mindestens täglich aufgezeichnet werden sollen. Nach § 100 Abs. 1 Z. 5 Sbg LAO müssen die zu den Büchern und Aufzeichnungen gehörigen Belege derart geordnet aufbewahrt werden, daß die Überprüfung der Eintragungen jederzeit möglich ist.
Gemäß § 101 Abs. 1 erster Satz Sbg LAO müssen, soweit sich aus der Bestimmung des § 97 nicht anderes ergibt, Bücher und Aufzeichnungen sowie die zu den Büchern und Aufzeichnungen gehörigen Belege und, soweit sie für die Abgabenerhebung von Bedeutung sind, auch die Geschäftspapiere und die sonstigen Unterlagen durch sieben Jahre aufbewahrt werden.
Gemäß § 144 Abs. 1 Sbg LAO hat die Abgabenbehörde, soweit sie die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, diese zu schätzen. Gemäß § 144 Abs. 3 Sbg LAO ist zu (unter anderem) schätzen, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher und Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen.
Formelle Fehler der Bücher und Aufzeichnungen, die begründetermaßen zu Zweifeln an der sachlichen Richtigkeit der Bücher und Aufzeichnungen Anlaß geben, führen in aller Regel zur Schätzungsberechtigung. Eines Nachweises, daß die genannten Unterlagen mit den Wirtschaftsabläufen tatsächlich nicht übereinstimmen, bedarf es unter diesen Voraussetzungen nicht. Dem Abgabepflichtigen steht allerdings die Möglichkeit offen, die sachliche Richtigkeit seiner formell mangelhaften oder unrichtigen Aufzeichnungen zu beweisen und damit der ansonsten bestehenden Schätzungsbefugnis entgegenzuwirken. Die Anwendung eines sogenannten Sicherheitszuschlages gehört zu den Elementen der Schätzung; denn es kann - ohne gegen die Denkgesetze zu verstoßen - angenommen werden, daß bei mangelhaften Aufzeichnungen nicht nur die nachgewiesenermaßen nicht verbuchten Vorgänge, sondern auch noch weitere Vorgänge nicht aufgezeichnet wurden. Bei Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich ist auch eine unvollständige oder unrichtige Erfassung der Bestände als sachliche Unrichtigkeit zu werten (vgl. z.B. das zur BAO ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/14/0109).
Die von den Beschwerdeführern ins Treffen geführte Rechtsprechung betrifft zum Teil einen anderen Sachverhalt, ist zum Teil unrichtig zitiert und nicht auffindbar.
Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage vermag es nicht als rechtswidrig erkannt zu werden, wenn die belangte Behörde die Schätzungsbefugnis der Abgabenbehörde auf die in der Sachverhaltsdarstellung wörtlich wiedergegebenen und von den Beschwerdeführern unbestritten gebliebenen Feststellungen zum Vorliegen zahlreicher formeller Aufzeichnungsmängel gründete. Daran vermag auch nichts zu ändern, daß die Beschwerdeführer - begründungslos - rügen, die Behörde erblicke zu Unrecht Verstöße gegen § 101 Sbg LAO und § 7 Abs. 2 Salzburger Getränkesteuergesetz 1967, LGBl. Nr. 14/1968, in der Fassung LGBl. Nr. 109/1973, wonach Getränkekarten, Preislisten u.dgl. Unterlagen gemäß § 101 Sbg LAO sind. Daß die Behörde zu Unrecht vom Fehlen derartiger "sonstiger Unterlagen" im Sinne des § 101 Abs. 1 erster Satz Sbg LAO ausgegangen sei, ist im Rahmen der nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen.
Davon ausgehend vermag aber auch der in der Beschwerde geltend gemachte Begründungsmangel hinsichtlich des Vorbringens in der Vorstellung, bei der Feststellung der Getränkesteuer-Bemessungsgrundlage sei vom Ergebnis der Betriebsprüfung des Finanzamtes auszugehen, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen, in dem eine Verpflichtung der Gemeindeabgabenbehörde, den als Glaubhaftmachung angebotenen Prüfbericht des Finanzamtes anzuerkennen, verneint wird. Vermag doch auch vor dem Hintergrund des Beschwerdevorbringens der belangten Behörde nicht entgegengetreten zu werden, wenn sie dies damit begründete, daß - im Hinblick auf den unterschiedlichen Steuergegenstand - "das Finanzamt bei der Festsetzung des Steuertatbestandes von anderen Prämissen ausgeht als die Gemeinde".
Der unbestimmte Einwand der Beschwerdeführer, daß die Abgabenbehörde "das ihr allenfalls zustehende Ermessen" überschritten habe, ist schon deshalb verfehlt, weil es sich bei einer Schätzung nicht um einen Akt der freien Willensbildung der Behörde, sondern um einen Akt der Tatsachenfeststellung handelt (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 12. Feber 1965, Zl. 2097/63, und vom , Zl. 86/17/0101).
Wenn sich die Beschwerdeführer - ebenfalls nur unbestimmt und ohne jegliche Bezugnahme auf den Beschwerdefall - gegen eine Schätzung nach "Erfahrungssätzen" wenden, ist ihnen entgegenzuhalten, daß die Abgabenbehörde - wenn eine Schätzung an sich zulässig ist - in der Wahl der anzuwendenden Schätzungsmethode im allgemeinen frei ist (vgl. dazu näher die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2031/75, und vom , Zl. 90/17/0438).
Das Vorbringen der Beschwerdeführer, daß der Verwaltungsgerichtshof eindeutig die Rechtswidrigkeit des Ersatzbescheides der Gemeindevorstehung der mitbeteiligten Gemeinde vom festgestellt habe, ist schon deshalb verfehlt, weil ein aufhebendes Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes nur den angefochtenen (letztinstanzlichen) Bescheid, nicht auch die Bescheide der Vorinstanzen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 961/F) behebt.
Die Beschwerde war daher im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.