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VwGH vom 17.12.1998, 97/11/0317

VwGH vom 17.12.1998, 97/11/0317

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des Dr. H in T, vertreten durch Dr. Manfred Klicnik, Rechtsanwalt in Linz, Taubenmarkt 1, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom , Zl. SanRB-11908/6-1997-HI/Ga, betreffend Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 32 Abs. 3 Ärztegesetz 1984 (idFd Novelle BGBl. Nr. 378/1996) festgestellt, daß eine Berechtigung des Beschwerdeführers (eines seit in Oberösterreich niedergelassenen approbierten Arztes mit deutscher Staatsangehörigkeit) zur Ausübung des ärztlichen Berufes nicht bestehe, da diese gemäß § 32 Abs. 1 Z. 1 erster Fall Ärztegesetz 1984 durch den Wegfall der Vertrauenswürdigkeit erloschen sei.

In der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; er beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 32 Abs. 1 Z. 1 Ärztegesetz 1984 erlischt die Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufes durch den Wegfall eines im § 3 Abs. 2 oder Abs. 3 Z. 1 oder Abs. 6 zweiter Satz oder Abs. 7 angeführten Erfordernisses. § 3 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. nennt als allgemeines Erfordernis für die selbständige Ausübung des ärztlichen Berufes die Vertrauenswürdigkeit. In einem Fall des § 32 Abs. 1 Z. 1 hat gemäß Abs. 3 erster Satz dieses Paragraphen die Österreichische Ärztekammer mit Bescheid festzustellen, daß eine Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufes nicht besteht, und die Streichung aus der Ärzteliste durchzuführen.

Der durch die Novelle BGBl. Nr. 100/1994 in das Ärztegesetz 1984 eingefügte Begriff "Vertrauenswürdigkeit" wird im Gesetz nicht definiert. Es ist daher von der Bedeutung dieses Ausdrucks im allgemeinen Sprachgebrauch, nämlich einem Sichverlassenkönnen auf eine Person, auszugehen. Vertrauenswürdig ist eine Person dann, wenn sie nach ihrer gesamten Geisteshaltung und Sinnesart ein Persönlichkeitsbild vermittelt, das bei Berücksichtigung aller für das Gemeinschaftsleben belangreichen Richtungen ein in sie gesetztes Vertrauen zu rechtfertigen vermag (siehe die zum selben Begriff im Kraftfahrgesetz 1967 ergangenen hg. Erkenntnisse vom , Slg. Nr. 11450/A, und vom , Slg. Nr. 11527/A). Unter Bedachtnahme auf die Regelungen des Ärztegesetzes 1984 bedeutet Vertrauenswürdigkeit das Sichverlassenkönnen darauf, daß ein Arzt bei Ausübung des ärztlichen Berufes (§ 1 Abs. 2) den Berufspflichten (§ 95 Abs. 1 Z. 2) nach jeder Richtung entspricht. Es sind demnach insbesondere strafbare Handlungen bei der Ausübung des ärztlichen Berufes, aber auch sonstige Straftaten geeignet, die Vertrauenswürdigkeit eines Arztes zu erschüttern, sofern sich darin ein Charakter manifestiert, der auch in Zukunft die Begehung strafbarer Handlungen bei der Ausübung des ärztlichen Berufes erwarten läßt. Da es beim Erlöschen der Berechtigung zur Berufsausübung und der Streichung aus der Ärzteliste gemäß § 32 Ärztegesetz 1984 wegen Wegfalls der Vertrauenswürdigkeit nicht um eine Strafe, sondern um eine Administrativmaßnahme zum Schutz der Öffentlichkeit vor nicht vertrauenswürdigen Ärzten handelt, ist von den Behörden auch zu prüfen, ob der Mangel der Vertrauenswürdigkeit auch noch im Zeitpunkt eines rechtswirksamen Ausspruchs nach § 32 Ärztegesetz 1984 gegeben ist (vgl. dazu die im Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 11237/A, aufgestellten Grundsätze).

Die belangte Behörde ging von der Annahme aus, der Beschwerdeführer sei nicht mehr vertrauenswürdig im Sinne des Ärztegesetzes 1984. Er habe seit mehr als zehn Jahren immer wieder kriminelle Handlungen begangen. Insbesondere sei er wegen Betruges von deutschen und österreichischen Gerichten verurteilt worden, und zwar mit Urteil des Amtsgerichtes Augsburg vom wegen Vortäuschen einer Straftat in zwei Fällen in Tatmehrheit mit fortgesetztem gemeinschaftlichen Betrug in vier Fällen, jeweils in Tateinheit mit gemeinschaftlich fortgesetzter Urkundenfälschung in vier Fällen zu zwei Jahren Freiheitsstrafe unter einer Bewährungszeit von fünf Jahren, und mit Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom wegen des Vergehens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten bedingt auf drei Jahre. Diese Tatsachen und der Umstand, daß gegen den Beschwerdeführer ein Disziplinarverfahren anhängig sei (wegen seiner Tätigkeit in einem näher bezeichneten Institut in T), reichten für die Annahme der Vertrauensunwürdigkeit aus. Gegen den Beschwerdeführer seien auch in sechs weiteren Staaten Strafverfahren anhängig gewesen.

Dieser Begründung ist nicht zu entnehmen, welchen Sachverhalt die belangte Behörde als erwiesen angesehen und ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat. Die Begründung erschöpft sich im summarischen Hinweis auf anhängige oder anhängig gewesene Straf- und Disziplinarverfahren (die bloße Anhängigkeit solcher Verfahren allein ist für die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit des Beschuldigten ohne Bedeutung) und in der Wiedergabe der strafrechtlichen Beurteilung und der verhängten Strafen in zwei gerichtlichen Strafurteilen. Selbst insoweit fehlt die Angabe des diesen Verurteilungen zugrunde liegenden strafbaren Verhaltens des Beschwerdeführers (einschließlich der Tatzeiten). Der maßgebende Sachverhalt ist auch aus den vorgelegten Verwaltungsakten nur zum Teil ersichtlich. In diesen erliegen lediglich das Strafurteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom und das über die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers ergangene Urteil des OLG Wien vom , nicht jedoch die gegen den Beschwerdeführer ergangenen Urteile deutscher (und allenfalls sonstiger ausländischer) Gerichte. Die den genannten Strafurteilen zugrundeliegenden Handlungen (Verleitung von zwei Personen zur Zahlung von S 75.000,-- bzw. S 42.000,-- unter Vorspiegelung der Möglichkeit, ihnen durch Haartransplantion in einer einzigen Operation einen vollkommen normalen Haarboden zu schaffen) wurden am und am begangen; die letzte dieser beiden Straftaten lag somit bei Erlassung des angefochtenen Bescheides mehr als fünfeinhalb Jahre zurück. Infolge Fehlens konkreter Feststellungen über das als erwiesen angenommene strafbare Verhalten des Beschwerdeführers und darauf beruhender Erörterungen über seine Vertrauenswürdigkeit ist der angefochtene Bescheid mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet. Er war aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der in dieser Verordnung vorgesehene Pauschbetrag für Schriftsatzaufwand bereits die darauf entfallende Umsatzsteuer umfaßt und für die Beschwerde samt Beilagen lediglich die Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG von S 2.500,-- zu entrichten war (siehe das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/11/0110).

Wien, am