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VwGH vom 24.02.1998, 97/11/0301

VwGH vom 24.02.1998, 97/11/0301

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des Dipl.Ing. Dr. K in G, vertreten durch Dr. Eleonore Berchtold-Ostermann, Rechtsanwalt in Wien I, Bräunerstraße 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom , Zl. UVS 30.13-133+134/95-70, betreffend Barauslagenersatz in Verwaltungsstrafverfahren nach dem AZG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer wurde in seiner Eigenschaft als Organ einer juristischen Person im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Graz vom schuldig erkannt, es verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten zu haben, daß sich im LKH Bruck an der Mur in Ansehung von Arbeitnehmern der juristischen Person 126 Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz ereignet hätten. Über ihn wurden Geldstrafen im Gesamtausmaß von S 126.000,-- (252 Tage Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt. Der Beschwerdeführer erhob dagegen Berufung.

In der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde vom stellte er den Antrag auf Erstellung eines Gutachtens zur Frage der gesundheitlichen Auswirkungen der im LKH Bruck an der Mur durchgeführten Diensteinteilung. Mit Erledigung vom bestellte die belangte Behörde einen nichtamtlichen Sachverständigen aus dem Gebiet der Arbeitsmedizin und über dessen Ersuchen vom mit Erledigung vom - entgegen der ablehnenden Stellungnahme des Beschwerdeführers - einen weiteren nichtamtlichen Sachverständigen aus dem Gebiet der Arbeitspsychologie.

Mit Schreiben vom (bei der belangten Behörde eingelangt am ) zog der Beschwerdeführer unter Hinweis auf das inzwischen ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 95/11/0322 u.a., diesen Beweisantrag zurück.

Mit Bescheid vom gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers in 113 Fällen Folge und stellte die diesbezüglichen Verwaltungsstrafverfahren ein. In den restlichen 13 Fällen wies sie die Berufung ab. Sie reduzierte das Strafausmaß auf insgesamt S 13.000,-- (26 Tage Ersatzfreiheitsstrafen). Die gegen diesen Bescheid beim Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis vom , Zl. 97/11/0039, 0040, abgewiesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 1 AVG in Verbindung mit § 64 Abs. 3 VStG der (teilweise) Ersatz der durch die Erstellung der beiden Gutachten durch die nichtamtlichen Sachverständigen für Arbeitsmedizin und für Arbeitspsychologie im Ausmaß von S 15.938,-- vorgeschrieben.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 76 Abs. 1 erster und zweiter Satz AVG hat für Barauslagen, die der Behörde bei einer Amtshandlung erwachsen, sofern nach den Verwaltungsvorschriften nicht auch diese von Amts wegen zu tragen sind, im allgemeinen die Partei aufzukommen, die um die Amtshandlung angesucht hat. Als Barauslagen gelten u.a. auch die Gebühren, die den Sachverständigen zustehen. Gemäß § 64 Abs. 3 erster Halbsatz VStG ist, wenn im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens Barauslagen erwachsen sind (§ 76 AVG), dem Bestraften der Ersatz dieser Auflagen aufzuerlegen, sofern sie nicht durch Verschulden einer anderen Person verursacht sind.

Der Beschwerdeführer bringt vor, daß die Auferlegung des Barauslagenersatzes deswegen rechtswidrig sei, weil er seinen Antrag auf Sachverständigenbestellung vor Fertigstellung der Gutachten zurückgezogen habe. Dieses Vorbringen ist insofern zielführend, als ab dem Einlangen der Zurückziehung des Beweisantrages - unter Berücksichtigung einer nach Lage des Falles angemessenen Frist zur Reaktion auf dieses Anbringen - die Kosten, die durch die Gutachtenserstellung entstehen, nicht mehr auf den Antrag des Beschuldigten zurückgeführt werden können und ihm nur unter der Voraussetzung, daß der Grund für das Entstehen der Barauslagen (hier die Erstellung eines Gutachtens eines nichtamtlichen Sachverständigen) dazu notwendig war, den Beschuldigten für schuldig zu erkennen, zum Ersatz vorgeschrieben werden dürfen. Sollten aber zum Zeitpunkt der Zurückziehung des Beweisantrages bereits Kosten entstanden sein, weil der bestellte Gutachter im Sinne der Erstellung seines Gutachtens tätig geworden ist, können diese Kosten noch dem seinerzeitigen Verlangen des Beschuldigten zugerechnet und diesem zum Ersatz vorgeschrieben werden.

Die beiden Sachverständigen habe je zwei Honorarnoten gelegt, und zwar je eine für die Erstellung des Gutachtens und je eine für die Teilnahme an der fortgesetzten mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde vom . Nach dem Vorgesagten hätten dem Beschwerdeführer jene Teile der Honorare der Sachverständigen jedenfalls zum Ersatz vorgeschrieben werden dürfen, die bis zur Zurückziehung seines Beweisantrages (zuzüglich der für eine allfällige Stornierung der an die Sachverständigen ergangenen Aufträge erforderlichen Frist) entstanden sind. Aus den Honorarnoten ergibt sich keine derartige Aufschlüsselungsmöglichkeit; in den Sachverständigengutachten ist von einer "Vorbesprechung" im LKH Bruck an der Mur vom die Rede. Die belangte Behörde hätte durch Rückfrage bei den Sachverständigen ermitteln müssen, welche Teile der Honorare über die Kosten dieser Vorbesprechung hinaus auf vor dem in Rede stehenden Zeitpunkt entfaltete Tätigkeiten entfallen. Das hat die belangte Behörde unterlassen. Was die nach Zurückziehung des Beweisantrages des Beschwerdeführers entstandenen Kosten, insbesondere die der Teilnahme der Sachverständigen an der fortgesetzten mündlichen Verhandlung vom , anlangt, fehlt im angefochtenen Bescheid eine schlüssige Begründung dafür, daß der Gegenstand der Gutachten (die gesundheitlichen Auswirkungen des Dienstplanes im LKH Bruck an der Mur auf die Operationsgehilfen) ein für die diesbezüglichen Schuldsprüche relevantes Beweisthema war.

Nicht zielführend ist das Beschwerdeargument, ein Ersatz der durch den (zweiten) Sachverständigen aus dem Gebiet der Arbeitspsychologie entstandenen Kosten hätte von vornherein zu unterbleiben gehabt, weil sich der Beschwerdeführer gegen die Bestellung eines solchen Sachverständigen als nicht notwendig ausgesprochen habe. Wenn ein von der Behörde (auf Antrag der Partei) bestellter Sachverständiger zum Ausdruck bringt, er könne dem ihm erteilten Auftrag nur nachkommen, wenn ein weiterer Sachverständiger bestellt wird, so ist dessen Bestellung grundsätzlich als erforderlich anzusehen. Ist die Partei damit nicht einverstanden, weil sie dies für überflüssig hält, hätte sie ihren an die Behörde gerichteten Antrag zurückzuziehen und das von ihr für erforderlich gehaltene Gutachten auf eigene Kosten herstellen zu lassen und beizubringen gehabt. Es ist demnach nicht so, daß ein Barauslagenersatz in Ansehung des zweiten Sachverständigen von vornherein ausscheidet. Für dessen Honorar gilt freilich das hinsichtlich des Zeitpunktes der Zurückziehung des Beweisantrages und hinsichtlich der Relevanz für die Schuldsprüche Gesagte.

Hingegen ist der Beschwerdeführer damit im Recht, wenn er die Art und Weise rügt, in der die belangte Behörde den Umstand berücksichtigt hat, daß seine Berufung teilweise Erfolg hatte und die meisten der gegen ihn geführten Verwaltungsstrafverfahren eingestellt worden sind. Die belangte Behörde hat nämlich diesbezüglich den Kostenersatz "im Schätzungsweg" um 50 % reduziert.

Auszugehen ist davon, daß ein Barauslagenersatz im Verwaltungsstrafverfahren nur gegenüber "dem Bestraften" in Betracht kommt. Wenn nun im vorliegenden Fall ein Verwaltungsstrafverfahren hinsichtlich 126 Übertretungen durchgeführt wurde (in Wahrheit handelt es sich dabei um 126 Verwaltungsstrafverfahren) und der Sachverständige hinsichtlich aller dieser Verfahren bestellt wurde, dann ist der Beschwerdeführer angesichts der Einstellung von 13 dieser Strafverfahren nicht als "Bestrafter" in Ansehung von 50 % der erwachsenen Barauslagen anzusehen. Die Behörde hat sich in einem solchen Fall eines anderen, dem Ausgang der Verwaltungsstrafverfahren adäquater Rechnung tragenden Aufteilungsschlüssels zu bedienen. Der in der Beschwerde angedeutete Weg, der sich des aus der Teilung von 13/126 errechneten Quotienten bedient, erscheint dem Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Fall gangbar und dem Gesetz zu entsprechen.

Da die belangte Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides in zweifacher Weise die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.